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«Gar nich«, hat er gesagt.»Selber Stinker.«

«Ey, pass bloß uff, sag ick dir! Hühnerficker!«

«Katzenficker!«

«Schwanzlutscher! Ey, der lutscht den Schwanz von Steegers Köter!«

«Welchen denn, hihi?«

«Na, welchen wohl!«

«Gar nich wahr«, hat er gesagt.

«Macht Spaß, Hanske? Is geil, wa? Is geil inner Kuhmuschi, wa? Pass uff, dat er dir nich verlorn geht da drin, dein lütter Pimmel!«

Und alle haben gelacht, bloß er hat geheult und ist dann gleich nach Hause gerannt. Aber als er das nächste Mal bei Erna war und die Streichholzschachtel da liegen sah auf dem Herd, da hat er das noch mal heimlich probiert, und immer wieder, bis die ganze Küche von Erna voll war mit Streichhölzern, bis Erna reinkam und gesagt hat:»Henry! Wat mookst du denn fürn Mess mit de ganzen Rietstickn? Sülln wi noch afbrennen hier?«Aber hatte ja gar keins gebrannt.

Oder mit dem Geld, das mit dem Geld, als sie das mitgekriegt hat. Da war sie gleich böse, ganz böse war sie da. Als sie reingekommen ist. Als sie vom Friedhof gekommen ist, und er dachte doch, dass sie noch auf dem Friedhof ist, noch länger, sonst hätte er das doch gar nicht gemacht. Wenn er das gewusst hätte. Dass sie nun gleich reinkommt. Und er war noch gar nicht fertig. Er stand da noch an ihrem Schrank, wo das Geld drin war, ganz hinten, hinter ihren Pullovern, das konnte man gar nicht sehen, aber er wusste ja, dass das da war. Und bloß er wusste das, und er hat das auch keinem erzählt, Stefan nicht und den andern nicht und gar keinem, sonst wären die vielleicht noch gekommen und hätten Erna das weggenommen. Vielleicht noch. Und Erna wusste gar nicht, dass er das weiß. Wo sie ihr Versteck hat, hinter den Pullovern. Das war doch babyleicht. Wenn sie ihm manchmal eine Mark oder zwei Mark gegeben hat, dann hat sie das immer aus ihrem Schrank geholt. Sie hat immer gesagt:»Teuw eis«, und da hat sie mit gemeint, dass er warten soll, in der Küche oder draußen, und dass sie ihm gleich Geld gibt, und dann hat er die Schranktür knarren gehört von dem Schrank in der Stube, und einmal ist er ihr hinterher, so ganz leise, ist er ihr hinterhergeschlichen, und da hat er das gesehn durch die Türritze, wo sie das herholt, und sie hat das gar nicht gemerkt. Und einmal, als sie weg war, ist er hin zum Schrank und hat den ganz leise aufgemacht, auch wenn gar keiner da war, aber trotzdem, und da war dann das Portemonnaie hinter den Pullovern. Und sie hat das gar nicht gemerkt. Sie hat ihm immer Geld gegeben, immer weiter, wenn sie» teuw eis «gesagt hat, gab das immer Geld, und als der olle Lehmann das mal gerufen hat nach ihm,»Teuw eis, ick waar di, teuw eis!«, als er bei dem im Garten einfach Himbeeren abgepflückt hat, hat er wirklich gewartet, bis der zu ihm hingehumpelt war, weil er dachte, es gibt nun Geld, aber dann gabs nur was mit dem ollen Lehmann seine Krücke, und er hat» aua «gesagt und ist ruckizucki weg aus dem Lehmann sein Garten. Aber bei Erna gab es immer Geld, und da hat er sich dann im Konsum was für gekauft, Brausetabletten mit Multivitamin, die haben immer so was Schönes auf der Zunge gemacht, fast so schön wie» Sowas«.

Hier kriegt er nie Brausetabletten, bloß andre, und die machen gar nichts auf der Zunge. Da hat er mal zu Oma gesagt, sie soll ihm welche mitbringen, Brausetabletten mit Multivitamin, und Oma hat ihm beim nächsten Mal welche mitgebracht, aber die haben sie ihm gleich weggenommen, und dann hat er geschrien, und dann haben sie ihm eine gegeben, aber mit Wasser, die Blödmänner, die ist da im Wasser dringeschwommen und hat das Schöne im Wasser gemacht und ist immer kleiner geworden und als er sie rausfischen wollte und sich in den Mund stecken, ist sie kaputtgegangen, die Blödmänner.

Erna hat auch immer Tabletten genommen, die waren in dem andern Schrank. Und dann ist immer eine Schwester gekommen und hat gesagt,»na, wie geht’t, Frau Mehling«, und hat die Tabletten rausgedrückt und in so eine Schachtel gelegt, in verschiedene Fächer, und eins war für morgens und eins für abends und eins für mittags und noch so eins, das stand da drauf, und das war so ein durchsichtiger Schiebedeckel. Da hat er immer bei zugeguckt, wenn er da war, und manchmal, wenn die eine da war, die er so gerne mochte, dann hat er gefragt, ob er die Tabletten rausdrücken darf, weil er das so gerne gemacht hat, und sie hat ihm dann gesagt, welche, und sie hat die dann in die Schachtel gelegt, und sie hatte immer so glitzerige Fingernägel. Die andre nicht, die war doof.

«Immer schön Oma Erna dadran erinnern«, hat die Nette gesagt.

«Ist gar nich meine Oma«, hat er gesagt.

«Trotzdem«, hat sie gesagt und ihm mit ihren Fingern mit den Glitzerfingernägeln in den Haaren rumgewuschelt.

Aber er hat Oma Erna gar nicht immer dadran erinnert. Manchmal hat er das vergessen. Manchmal einfach so nicht. Oma Erna hat das öfter vergessen, und dann gabs immer Mecker von der Doofen.»Frau Mehling, nee, soll Ihnen dat nu erst wieder schlecht gehen? Ick kann nix dafür, wenn Ihnen dat wieder schlecht geht!«

Erna hat gar nichts gesagt, bloß genickt. Bloß»ja ja «hat sie gesagt.

Einmal ist er morgens zu ihr gekommen und hat gesehn, dass sie gar keine Tabletten genommen hatte. Und da hat er die Schachtel aufgemacht und selber alle genommen, erst die für morgens, und dann für mittags und dann das dazwischen und dann abends, bevor das wieder Mecker gibt. Außerdem wollte er mal wissen, wie die schmecken, besonders die rosanen, ob die auch so was auf der Zunge machen. Aber die haben gar nicht geschmeckt, und die andern auch nicht, die weißen waren ganz bitter. So wie die hier. Als dann die Schwester kam, ging das Erna schlecht, sie konnte gar nicht hochkommen aus ihrem Sessel und hat immer so mit der Hand auf ihrer Brust hin- und hergemacht.

«Menschenskind, Frau Mehling«, hat die Schwester gesagt, die doofe,»warum nehmen Sie denn auch Ihre Tabletten nich, hab ich Ihnen das nich gesagt, das nutzt doch alles nix, Sie müssen die doch nehmen, die helfen nämlich nich, wenn die bloß so da rumliegen auf Ihrem Küchentisch, ist denn das die Möglichkeit, horre nee!«

Und Erna hat bloß gesagt:»Ach, Schwester, ick vergäät dat joo ümmer.«

Und dann ist die Schwester in die Küche gekommen, wo er gesessen hat, und hat gesagt:»Wat willst du denn schon wieder?«, und hat auf die leere Schachtel geguckt, und ihm ging das auch schlecht, aber er hat sich nichts anmerken lassen, sonst hätte die doch wieder losgemeckert.

«Die hat die ja doch genommen!«, hat sie gesagt und mit dem Kopf geschüttelt.»Verkalkt uch langsam aber sicher.«

Gar nich, hätte er am liebsten gesagt, gar nich wahr, Erna verkalkt gar nich, aber dann hätte sie das ja gemerkt. Als sie aus der Küche raus war, ist er nach Hause gerannt, aber er konnte nicht, er konnte gar nicht schnell rennen, und dann ist er auf der Treppe gestolpert, und dann hat er da gelegen und alles vollgekotzt. Und Oma hat ihn ins Bett gebracht. Und am Montag brauchte er nicht in die Werkstatt, nicht in die Werkstatt zu den Bekloppten.

An dem Tag, als das passiert ist, als er — na, als er das mit dem Geld — das mit dem Geld gemacht hat, hatte Erna auch nicht ihre Tabletten genommen. Und er hat gesagt,»Erna, deine Tabletten«.

«Ja ja«, hat sie gesagt. Und dass sie jetzt zum Friedhof geht. Und ob er nicht mitkommen will.

«Nö«, hat er gesagt,»hast du Pudding?«

«In Isschrank, weitst joo.«

Ja, wusste er. Der Pudding war im Kühlschrank, das Geld war im Pulloverschrank. Aber wenn das nun weg war. Vielleicht war das gar nicht mehr da, vielleicht war das jetzt in einem neuen Versteck, vielleicht war das weg, weggeklaut, die doofe Schwester, die hatte das vielleicht weggeklaut. Er konnte gar nicht den Pudding aufessen. Er musste gleich nachgucken, gleich nachgucken, er wollte ja bloß mal nachgucken wollte er doch bloß. Und Erna hat gleich gedacht, er will das klauen, als sie reinkam und» Henry!«gesagt hat und er das ganze Geld in der Hand hatte, das ganze. Das war gar nicht im Portemonnaie gewesen. Als er den Schrank aufgemacht hat, hat er gewusst, jetzt ist es weg. Aber als er dann mit seiner Hand durch die Pullover gewühlt war, da hat er auf einmal irgendsowas aus Papier gemerkt und hat das rausgezogen, und das war so ein Briefumschlag. Und da war das ganze Geld drin, viel mehr als im Portemonnaie, bestimmt tausend Mark oder eine Million, bestimmt so viel, wie Stefans Vater für Stefans Moped bezahlt hat, oder bestimmt noch mehr. Und Erna wollte sich doch gar kein Moped kaufen oder so was, Erna hat sich doch nie so was gekauft. Und Oma würde ihm nie so viel Geld geben, nie in ihrem ganzen Leben und in seinem.