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«Wieso?«, sagt Gniedeck noch einmal. Vielleicht ist es das einzige Wort, das er nach der Kerzenschlachtung noch zwischen seinen Wortschatzstümpfen aufstöbern konnte. Im Moment ist es für alle das einzige Wort.

«Na los, sag doch!«

«Kannste ruhig sagen, wir erzähln dat uch nich weiter!«

«Is dat wat mit Drogen?«, fragt Börner.

Ich lächle.

«Nein«, sage ich,»mit Hasen. Es is wegen den Hasen.«

«Hasen? Wat denn für Hasen?«

«Züchteste Karnickel, oder wat? Wie mein Opa?«

Sabrina kriegt einen Lachanfall.

«Karnickel!«, sage ich verächtlich.»Wenn ich Hasen sage, dann mein ich auch Hasen, noch nie n Hasen gesehn?«

«In echt?«, fragt Toffi.

Und Ecki:»Nee, im Fernsehn, Mann!«

Alle gackern nur kurz auf, aus Angst, irgendwas Erhellendes zu verpassen.

«Und wat is nu mitte Hasen?«

«Was soll damit schon sein? Fell ab und ab in den Kochtopf. Meine Mutter macht den besten Hasenbraten weit und breit. Schon mal Hasen gegessen?«

«Wie jetz? Wo haste die denn her?«

«Wo ich die herhab? Na, wie stellt ihr euch das denn vor? Dass die mir zugelaufen kommen? Nee, da muss man schon selber was für tun, und da braucht man eben Zeit für. Jede Menge Geduld, ich weiß nich, ob ihr Geduld dafür hättet, kann ich mir eigentlich nich vorstellen. Man muss da auch alleine gehen, sonst is ja gleich der ganze Wald in Alarm. Ich bin oft da draußen, hier quer übers Feld, ich kenn die Stellen. Wo man gut Hasen aufstöbern kann. Meist unter Baumstümpfen.«

«Du gehst uff Hasenjacht?«

«Ja. Sprech ich irgendwie undeutlich?«

«Na, nee, aber …«

Dem guten Ecki dämmerts langsam, dass man noch geilere Sachen machen kann, als an die Blumentapete von nem ausgeweideten LPG-Büro zu pinkeln.

«Mitm Gewehr?«

«Nee-e«, sag ich.»Mitm Messer.«

«Echt?«, fragt Toffi.

Ecki guckt mich nur noch ungläubig und irgendwie auch leicht säuerlich an.

«Na, ich nehm doch kein Gewehr in die Hand. Auch viel zu auffällig. Nee. Man muss sich nur einfach vors Loch setzen und lange genug warten. Irgendwann kommt schon einer raus. Aber man darf da nich dösen. Da muss man nämlich schnell sein, ganz schnell zupacken, und in der andern Hand muss man schon das Messer bereit haben, und dann zack, die Kehle durch. Ein Schnitt, keine Pfuscherei.«

Das Mädchen neben Toffi, höchstens dreizehn, reißt die Augen auf.»Du machst die tot?«

Ich bin kurz irritiert, weil die Betonung auf ›tot‹, nicht auf ›du‹ liegt.

«Na, denkst du, ich führ die an der Leine spazieren?«

Nervöses Lachen.»Und wie viele haste da schon so gefangen?«

«Na, so — vielleicht ungefähr zwanzig.«

«Zwanzig?«

«Na ja, man kriegt ja auch nich immer einen. Paar sind mir auch durch die Lappen gegangen, muss ich ja zugeben. Manchmal fängt man lange keinen. Dann muss eben was andres her, das staut sich sonst so an. Wisst ihr, wie bei Katzen, wenn die lange keine Maus fangen und einem dann in die Hacken krallen.«

«Und wat fängste denn?«

«Na ja, sollt ich vielleicht nich sagen, aber, na ja … wir sind ja hier unter uns. Hunde.«

«Wat?! Du killst Köter?!«Eckis Stimme hat Mühe, nicht im Überschlag hängen zu bleiben.

«Na ja, so würd ich das nich nennen. Is ja auch leichter mit denen, die sind ja zutraulicher. Is euch noch nich aufgefallen, dass es n paar weniger geworden sind im Dorf? Die meisten denken dann ja sowieso, dass ihr Wauwi eben abgehauen is.«

«Mann, spinnst du? Ick könnt dich anzeigen deswegen!«

«Ach, Ecki, tu dir keinen Zwang an. Übrigens hab ich mir Jacquelines Westi schon ausgeguckt, dürfte euch doch recht sein. Aber ich wart noch n bisschen, bis sie ihn richtig dickgefüttert hat.«

Es ist schwierig, nicht als Erste zu lachen. Aber es dauert ein paar Sekunden, und dann macht die dicke Anne auf einmal ganz schnell hintereinander:»Höhöhö!«

Paul grinst vor sich hin. Und ich versuche, nicht zu sehr loszuprusten, das ist auch so eine Anomalie bei mir. Dass ich am meisten immer über die Dinger lachen muss, die ich selber von mir gebe. Börner zeigt mir einen Vogel. Toffi braucht ein bisschen und guckt erst von einem zum anderen, bevor er in die Laute miteinstimmt, die eher wie Reaktionen auf den comic relief in einem Horrorfilm klingen als nach echtem Amüsement. Außer bei Toffi, der sich gar nicht wieder einkriegt.»Köter!«, stößt er immer wieder hervor,»Köter!«Ich mache mir Sorgen, ob er mitbekommen hat, dass der Hasen-Teil dazugehörte.

Ecki grunzt ein bisschen.»Mann, du hast echt ne Macke!«Er guckt vor sich hin, als hätte er irgendwas zu seinen Füßen entdeckt, das seine Gemütsverfassung arg aus dem Gleichgewicht bringt. Dann scheint ihm plötzlich etwas einzufallen, und er grinst.

«Na, jetz weiß ick jeenfalls, warum de mit diese Wachlowski rumhängst. Gleich und gleich gesellt sich gerne, oder wie dat heißt.«

«Ecki! Wo haste dat denn gelesen?«

Sie lachen, lachen wie immer. Ecki, der Anführer, hat die Ordnung wiederhergestellt.

Ich versuche, mein schales Bier in einem Zug auszutrinken. Ich schaffe es nicht ganz, ein Rest bleibt drin. Ein Rest bleibt immer, denke ich. Wieso? Ich grüble, ob mir ein Beispiel einfällt. Es fällt mir keins ein. Im Moment.

Als ich schon Anstalten machen will aufzustehen, denn ich gehe jetzt, jawohl, mit oder ohne Paul, knufft mich auf einmal Sabrina in die Seite. Meine Hand wird kurz gegen die von Paul gedrückt, er reagiert nicht.

«Eh«, sagt Sabrina, ich sehe sie erschrocken an.»Eh, sag ma, du bist doch uch uffm Gymnasium.«

Ich weiß nicht so recht, ob das eine Frage sein soll, vorsichtig nicke ich.

«Wie isset’n da so?«

«Wieso?«Was Besseres fällt mir auch nicht mehr ein. Wie solls da schon sein. Normal eben, irgendwas zwischen Stress und Langeweile. Ein Jahr noch, denke ich schon wieder, und dann?

«War ja nur ne Frage«, sagt Sabrina eingeschnappt, und zu Anne:»Und du halt gefälligst dein Maul!«

Anne kichert unbeeindruckt weiter und vertraut mir dann an:»Sabrina will nämlich uch ufft Güm-na-si-um!«, worauf sie sich halbtot lacht.

Es geht so schnell, dass ich nur noch ein Klatschen höre und dann sehe, wie die eine sich halb heulend die Wange reibt, die andere ihre Hand.

«Haste nu davon«, sagt Sabrina und wendet sich wieder mir zu. Sie spricht so leise, als wolle sie mir ein Geheimnis offenbaren.

«Meine Klassenlehrerin sagt nämlich, ick soll zum Gymnasium, ick hätte dat Zeug dazu, ick hab uch ziemlich gute Zensurn …«

«Streberin!«, nuschelt Börner.

«Siehste«, sagt Sabrina.»Ick hätt ja schon dieset Jahr hinsollen, aber wie die Schule letzten Monat wieder losging, bin ick erst ma, als wenn nix wär, wieder nach Schmalditz. Da ham die mich denn ganz groß angeguckt. Ick hab so getan, als wüsst ick von nix. Durft ick denn uch erst ma paar Tage bleiben, bis die vom Gymnasium bei meine Alten angerufen haben, wo ick denn bleiben würd und so …«

Ecki lacht vor sich hin, viel zu laut, und blickt sich um, ein paar machen mit. Sabrina wirft ihm nur einen kurzen desinteressierten Blick zu.

«Na, und denn bin ick erst ma krank geworden.«

Ich schaue sie verblüfft an. Sie kann das also. In Ohnmacht fallen.

«Aber nu muss ick mich bis nächste Woche entscheiden. Scheiße, Mann!«

Ich stelle die blöde Frage nun trotzdem:»Und warum willst du nich? Ich mein, aufs Gymnasium? — Es is ganz okay da. «Das klingt so was von gelogen.

«Na ja, weil … ick kenn doch da keinen. «Sie druckst ein bisschen herum. Dann sagt sie sehr schnelclass="underline" »Na und weil die dat hier nich wolln, die denken denn ja, ick … ick will wat Bessres sein. «Sie heult ganz unvermittelt los, damit habe ich nicht gerechnet.