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Ich weiß auch nicht, mit Dieter, der hat ja früher auch gesoffen,»oh, ich war n Schlimmer«, hat er mal gesagt und gegrinst. Wir sind ja zusammen zur Schule gegangen, aber er war in der a. Ich fand ihn immer so hässlich, mit seinen Glubschaugen, ich weiß, ich darf so nicht denken. Er hat auch spät geheiratet, aber die schöne Christine. Da ist er stolz drauf. Bloß, die sind wie zwei alte Pötter, und sie noch wesentlich jünger als ich. Sie schläft nur, ihr ist alles egal. Ihre Schlüpper, ihre Strumpfhosen, das kauft alles Dieter. Und was für Dinger. Omas Steinschlöpen waren gar nix dagegen. Als ich die das erste Mal auf der Leine gesehen hab, hab ich gedacht, die gehören der alten Frau Niedergesäß, die heißt wirklich so, Romy will sich immer totlachen. Und ich denk, was fummelt denn Dieter an die ihre Schlüpper rum. Er macht ja auch die Wäsche. Er ist nicht schlecht. Aber was die eigentlich mit dem Kind wollten, weiß ich nicht. Die sind total überfordert. Nur für seine religiösen Videos und seine Kassetten, so Aufnahmen von irgendwelchen Christentreffen und Predigten und Lieder, hat er immer Zeit. Er schleppt uns auch massenweise all dieses Zeug an, auch Rundbriefe und diese kleinen Heftchen. Ich weiß schon nicht mehr wohin mit dem ganzen Kram, ich stopf das überall zwischen und krieg zweimal im Monat einen Anfall deswegen. Und dann immer seine Kontrollfragen:»Hast du das schon gelesen?«

Er kommt aber auch ständig mit irgendwas. Öfter, wenn ich vormittags zu Hause bin, lass ich die Rollos runter, damit er mich hier nicht rumlaufen sieht. Ich schließ inzwischen auch die Tür ab. Einmal stand er schon im Wohnzimmer, hab ich n Schreck gekriegt!

Und wir sind inzwischen einiges gewohnt. Ich dachte eigentlich, mich kann in der Hinsicht nix mehr schocken. Aber vor paar Wochen, das war echt die Krönung. Seitdem ist ja Funkstille. Klopft das doch eines Morgens bei uns an der Tür, um halb acht! Ich noch im Morgenmantel. Ich hab erst überlegt, ob ich aufmachen soll. Aber er hatte mich ja sicher schon gehört. Stand nämlich Dieter vor der Tür. Ich sag erschrocken:»Was is denn?«

Er streckt mir die Hand hin und sagt:»Nimm meine Hand!«

Ich nehm seine Hand, da sagt er:»Du bist ein Königskind! Benimm dich auch so!«

Ich glaub, ich hab ihn nur angestarrt.

«Du musst das jetzt auch zu mir sagen!«, fährt er mich an, als hätt ich da schon längst von alleine draufkommen müssen.

«Du bist ein Königskind. — Verhalt dich auch so«, hab ich vor mich hingestottert.

«Benimm dich auch so«, sagt er.

«Was?«

«Na, so heißt das.«

Da hatt ich mich denn langsam n bisschen berappelt.»Wo hast du das denn — «wieder aufgeschnappt, wollt ich sagen.»Wo hast’n du das her?«

Er druckste aber bloß rum und nuschelte wieder irgendwas.

«Wie bitte?«

«Ach — das hat mir neulich ma einer gesagt. Das is gut.«

Mehr war aus ihm nicht rauszukriegen. Ich musste auch aufs Klo. Blöderweise war das auch mein erster Gedanke gewesen, als er das gesagt hat,»Königskind«. Mir kamen sofort die kleinen Königstiger in Kopp, wie das jetzt so der Spruch ist: Ich muss mal für kleine Königstiger. Bei meinen Jugendlichen hab ich das gehört. Da stand ich auch erst n bisschen aufm Schlauch, ich dachte, hä, was ist das jetzt wieder. Und was war das jetzt wieder bei Dieter? Da sag noch einer, das wär langweilig hier. Aber das war beileibe noch nicht das Ende der Fahnenstange. Hätt ich das geahnt. Ich hätt ihm gleich den Marsch blasen sollen.

Als ich den Nachmittag mit Romy vom Einkaufen komm, stürzt uns Dieter entgegen. Man kann das nicht anders nennen. Romy rollte auch wie immer gleich mit den Augen. Ich hätte sie vorwarnen müssen. Aber anscheinend hatt ich das sofort wieder verdrängt. Ich konnt bloß noch sagen, oh nee, und:»Sei freundlich. «Romy guckt mich an, aber da war er auch schon bei ihr. Mich hat er gar nicht beachtet. Er hat ihr die Hand entgegengestreckt, genau wie bei mir, aber Romy hatte an jedem Arm ne Einkaufstüte hängen und machte gar keine Anstalten, die abzusetzen. Da hat er seine Hand dann wieder fallen lassen und bloß gesagt:»Du bist ein Königskind, benimm dich auch so!«

Ich hatte schon Angst, dass sie lacht. Aber sie war wohl genauso verdattert wie ich, oder, nein, anders. Zwar hat sie ihn auch bloß angeguckt, aber sie ist ja nun ein Stück größer als ich. Zwar auch nicht größer als er, aber trotzdem, ich hätt schwören können, dass das für einen Moment so aussah, als wenn sie auf ihn runterguckt. Vielleicht kam ihm das auch so vor. Jedenfalls sagte er erst nix, und ich war schon drauf und dran, zu Romy zu sagen: Du musst das jetzt auch sagen.

Aber dann fing er sich, Dieter:»Du musst das jetzt auch zu mir sagen«, und griente Romy an.

Sie verzog keine Miene. Sie sagte:»Muss ich?«Und hat ihn einfach da stehen lassen. Sie ist einfach an ihm vorbeigegangen, und weil er nicht beiseitetrat, ist noch die eine Einkaufstüte gegen sein Knie geschlenkert, da waren die Wasserflaschen drin.

«Tach, Dieter«, sag ich bloß. Obwohl wir uns ja schon gesehen hatten, morgens.

Ich wollt ihr nun keine Vorwürfe machen, Romy. Aber ich dachte, Friedhelm muss ich das vorher sagen, das endet sonst in einem Fiasko, das gibt den totalen Knatsch. Gabs dann sowieso. Aber da dacht ich noch, wenn Friedhelm das nun kurz und schmerzlos hinter sich bringt und er uns dann alle durchhat, dann gibt er Ruhe. Als Friedhelm abends kam, hab ich ihn schnell reingewinkt.»Du, ich muss dir was sagen …«

Und prompt, beim Abendbrot, klopft es.»Geh hin«, sag ich zu Friedhelm. War auch Dieter. Ich hab meine Lauscher aufgesperrt. Dieter wollte wohl erst gar keine Missverständnisse mehr aufkommen lassen.

«Pass auf, Friedhelm, ich sag dir jetzt was, und du musst mir das denn wiedersagen.«

«Na gut«, sagt Friedhelm. Ich hab ihn kaum gehört.

«Ja, aber du musst mir das denn auch wirklich sagen, ne!«

Ich glaub, er wollte nett sein, Friedhelm. Aber da hat ihm dass denn schon wieder gereicht.

«Nu schieß los!«

«Ja — ja. Du bist ein Königskind, benimm dich auch so.«

Und Friedhelm, wieder ganz leise:»Du bist ein Königskind benimm dich auch so.«

«Na, also denn.«

Tür zu.

«Musstest du auch seine Hand nehmen?«, frag ich Friedhelm.

«Wie? — Na, ganz zum Schluss, da hat er mir die Hand gegeben, als er ging.«

Nächsten Nachmittag war ich im Garten. Mit Hannah, die mir immerzu zwischen den Beeten rumsprang und mir unbedingt» helfen «wollte. Ich versuch, ihr kleine Aufgaben zu geben, aber so komm ich natürlich auch nicht voran. Dann hat Dieter sich endlich blicken lassen, und ich denk, na, nu kann Papa sich kümmern. Ich geb ihm die Hand und sag:»Na, Dieter«, und guck so auf Hannah,»hast du aber ne fleißige Tochter!«Reagiert der gar nicht drauf. Lässt aber auch meine Hand nicht los. Ich guck ihn fragend an.