Zwischen Lehm und moderndem Laub zog er etwas Kleines, Glitzerndes hervor - es funkelte weiß und grün zwischen seinen Fingerspitzen.
Es war ein kleines Amulett, wie Frauen es gern am Armband tragen - eine winzige Brillantkatze mit Augen aus leuchtenden Smaragden.
Lehmflecken und Blutflecken
Andere Dinge mögen in ihrer Art ja recht nett sein - aber reines Blut geht über alles ... Wir sagen: »Da! Das ist Blut!« Es ist eine richtige Tatsache. Wir können mit den Fingern darauf zeigen. Es schließt jeden Zweifel aus. Reines Blut muß es sein, nicht?
David Copperfield
»Bis jetzt«, sagte Lord Peter, während sie unter Mühen der Spur von Schuhgröße 45 durch das Wäldchen folgten, »war ich überzeugt, daß diese entgegenkommenden Verbrecher, die ihre Spuren mit lauter kleinen persönlichen Dingen verzieren - hier ist er, auf einem zertretenen Pilz -, eine Erfindung der Detektivliteratur zum Nutzen der Autoren seien. Ich sehe, daß ich in meinem Beruf noch etwas dazulernen kann.«
»Du übst ihn ja auch noch nicht so lange aus«, meinte Parker. »Außerdem wissen wir nicht, ob die Diamantkatze dem Verbrecher gehört. Sie könnte jemandem aus deiner Familie gehören und schon seit Tagen hier herumliegen. Sie könnte diesem Mr. Dingsda in Amerika gehören, oder dem vorletzten Bewohner, und schon seit Jahren hier liegen. Dieser abgebrochene Zweig hier, das könnte unser Freund gewesen sein - ich glaube, er ist es.«
»Ich werde mal in der Familie nachfragen«, sagte Lord Peter, »und im Dorf könnten wir erfahren, ob sich dort schon einmal jemand nach einer verlorenen Katze erkundigt hat. Das sind nämlich echte Steine. So etwas verliert man nicht, ohne einen Riesenwirbel darum zu machen - jetzt hab ich ihn aber ganz verloren.«
»Macht nichts - ich habe ihn. Hier ist er über eine Wurzel gestolpert.«
»Geschieht ihm recht«, meinte Lord Peter giftig, indem er den Rücken streckte. »Weißt du, ich finde, der menschliche Körper ist für dieses Spürhundgeschäft nicht sehr durchdacht konstruiert. Wenn man auf allen vieren laufen könnte oder Augen an den Knien hätte, das wäre viel praktischer.«
»Die teleologische Betrachtungsweise der Schöpfung hat ihre Tücken«, kommentierte Parker gelassen. »Aha! Jetzt kommen wir an den Zaun.«
»Und hier ist er herübergestiegen«, sagte Lord Peter und zeigte auf eine Stelle, wo die Lattenspitze abgebrochen war. »Hier ist er mit den Absätzen aufgekommen, und hier ist er vornüber auf Hände und Knie gefallen. Hm! Hilf mir mal hoch, bitte. Danke. Aha, der Bruch ist alt. Mr. Montague-in-Amerika sollte seinen Zaun besser in Ordnung halten. Schuhgröße 45 hat sich jedenfalls den Mantel an den Spitzen zerrissen; er hat ein Stückchen Burberry zurückgelassen. Welch ein Glück! Hier auf der anderen Seite ist ein tiefer, sumpfiger Graben, in den ich jetzt spornstreichs hineinfallen werde.«
Ein dumpfes Platschen verriet, daß er seine Worte wahrgemacht hatte. Der solchermaßen schnöde allein gelassene Parker blickte sich um, und als er sah, daß es bis zum Tor nur etwa hundert Schritt waren, lief er hin und wurde von Hardraw, dem Wildhüter, der gerade aus seinem Haus kam, zuvorkommend hinausgelassen.
»Übrigens«, sagte Parker zu ihm, »haben Sie Mittwoch nacht überhaupt etwas von Wilderern entdeckt?«
»Nee«, antwortete der Mann, »nicht mal 'n totes Karnickel. Da muß das gnädige Fräulein sich verhört haben, und es war doch der Schuß, den ich gehört habe, der den Hauptmann getötet hat.«
»Schon möglich«, sagte Parker. »Wissen Sie übrigens, wie lange die Spitzen da drüben an den Zaunlatten schon abgebrochen sind?«
»Na, so um 'nen Monat rum. Hätte längst repariert werden müssen, aber der Mann ist krank.«
»Das Tor ist nachts verschlossen, nehme ich an?«
»Ja.«
»Und jeder, der herein will, muß Sie wecken?«
»Ja, allerdings.«
»Sie haben wohl letzten Mittwoch auch keine verdächtige Person draußen um den Zaun herumschleichen sehen?«
»Nee, Sir. Aber vielleicht meine Frau. He, Frau!«
Die so herbeigerufene Mrs. Hardraw erschien mit einem kleinen Jungen am Rockzipfel in der Tür.
»Mittwoch?« meinte sie. »Nein, da hab ich keinen rumlungern sehen. Ich hab nämlich immer ein Auge auf Landstreicher und so, weil das doch hier so einsam ist. Mittwoch. Warte mal, John, das war doch der Tag, wo der junge Mann mit dem Motorrad hier war.«
»Ein junger Mann mit einem Motorrad?«
»Das muß da gewesen sein. Er hat gesagt, daß er 'nen Platten hat und 'nen Eimer Wasser braucht.«
»Hat er sonst nichts gesagt?«
»Er hat noch gefragt, wie der Ort hier heißt und wem das Jagdhaus gehört.«
»Haben Sie ihm gesagt, daß sich der Herzog von Denver hier aufhält?«
»Ja, Sir, und er hat gemeint, da kommen sicher viele feine Leute hierher zum Jagen.«
»Hat er gesagt, wohin er fahren wollte?«
»Er kommt von Weirdale rauf und will nach Cumberland, hat er gesagt.«
»Wie lange hat er sich hier aufgehalten?«
»Vielleicht 'ne halbe Stunde. Und dann hat er versucht, sein Motorrad wieder zum Laufen zu bringen, und ist in Richtung King's Fenton davongeknattert.«
Sie zeigte nach rechts, wo man Lord Peter wild gestikulierend mitten auf der Straße stehen sah.
»Was war das für ein Mann?«
Wie die meisten Leute tat Mrs. Hardraw sich mit Beschreibungen schwer. Ziemlich jung und ziemlich groß sei er gewesen, meinte sie, weder dunkelhaarig noch blond und mit so einem langen Mantel, wie Motorradfahrer ihn trügen, mit einem Gürtel darum.
»War er ein vornehmer Mann?«
Mrs. Hardraw zögerte, und Mr. Parker stufte den Fremden im Geiste als >so-so< ein.
»Sie haben nicht zufällig die Nummer seines Motorrads gesehen?«
Mrs. Hardraw hatte sie nicht gesehen. »Aber ein Beiwagen war dran«, sagte sie.
Lord Peter winkte immer ungeduldiger, und Mr. Parker beeilte sich, ihm wieder Gesellschaft zu leisten.
»Komm schon her, alte Klatschtante«, schalt Lord Peter grundlos. »Ist das nicht ein wunderschöner Graben?
Aus solcher Goss' wie dieser
Da linde Luft die Bäume schmeichelnd küßte
Und sie nicht rauschen ließ, aus solcher Goss'
Erstieg wohl unser Freund die Mauern Trojas Und wetzte sich im Schlamm die Schuhe blank.
Sieh dir mal meine Hose an!«
»Gar nicht so leicht, von dieser Seite über den Zaun zu steigen«, meinte Parker.
»O ja. Er hat im Graben gestanden, einen Fuß hierher gesetzt, wo die Latte weggebrochen ist, mit einer Hand nach oben gegriffen und sich hochgezogen. Schuhgröße 45 muß ungewöhnlich groß, kräftig und gelenkig sein. Ich habe meinen Fuß da nicht hinaufgekriegt, geschweige die Hand bis oben. Ich bin einsfünfundsiebzig groß. Kommst du ran?«
Parker mit seinen einsdreiundachtzig reichte mit der Hand gerade bis oben.
»Ich könnte es schaffen - an einem guten Tag«, sagte er, »und bei entsprechendem Anreiz und gutem Zureden.«
»Eben«, sagte Lord Peter. »Und daraus schließen wir auf seine ungewöhnliche Größe und Kraft.«
»Ja«, meinte Parker. »Unser Pech, daß wir uns vorhin erst genötigt sahen, ihn für ungewöhnlich klein und schwach zu halten.«
»Oh!« machte Peter. »Hm - ja, da hast du recht, das kommt ein wenig ungelegen.«
»Aber es könnte sich recht bald aufklären. Könnte er nicht einen Komplicen gehabt haben, der ihm hier hinaufgeholfen hat?«
»Dann müßte der Komplice ein Wesen ohne Füße und sonstige Fortbewegungswerkzeuge sein«, sagte Lord Peter und zeigte auf die einsamen Abdrücke eines Paars geflickter Schuhe, Größe 45. »Übrigens, wie hat er im Dunkeln sofort die Stelle gefunden, an der die Spitzen fehlten? Anscheinend ist er aus der Gegend oder hat sich vorher umgesehen.«