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Die Informationen, die wir brauchen, dürften uns in Paris erwarten. Ich habe an die Sûreté und an Crédit Lyonnais geschrieben und um seine Papiere, vor allem um sein Kontobuch und sein Scheckheft, gebeten.

Ich bin von der gestrigen und heutigen Arbeit todmüde. Nach so einer Reise auch noch die ganze Nacht auf den Beinen zu sein ist kein Vergnügen. Falls Du mich nicht brauchst, warte ich hier auf die Papiere, oder ich fahre vielleicht selbst nach Paris.

Unter den Büchern, die Cathcart hier hatte, befinden sich ein paar moderne französische Romane und noch eine Ausgabe von Manon, mit >zierlichen< Illustrationen, wie es in den Katalogen immer heißt. Aber er muß doch irgendwo ein Leben geführt haben, oder nicht?

Die beiliegende Rechnung von einem Schönheitssalon in der Bond Street interessiert Dich vielleicht. Ich war da. Die Inhaberin sagt, er sei regelmäßig jede Woche einmal gekommen, wenn er in England war.

Eine völlige Niete habe ich am Sonntag in King's Fenton gezogen - aber das habe ich Dir ja schon erzählt. Ich glaube nicht, daß der Kerl durch diesen Ort gekommen ist. Mich würde es nicht wundern, wenn er sich durchs Moor davongemacht hätte. Meinst Du, es könnte sich lohnen, in dieser Richtung zu suchen? Aber das dürfte wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen sein. Merkwürdig ist ja nach wie vor die Sache mit der Brillantkatze. Du hast im Haus nichts Näheres darüber erfahren, oder? Irgendwie scheint sie mir zu Schuhgröße 45 nicht zu passen - aber man sollte doch meinen, daß man im Dorf etwas davon wüßte, wenn jemand sie verloren hätte. Also bis bald!

Stets Dein Charles Parker«

- und die Tochter, in großer Angst

»Auch die Frauen sahen blaß und krank aus.«

Des Pilgers Wanderschaft

Mr. Bunter brachte Lord Peter am Mittwochmorgen Parkers Brief ans Bett. Das Haus war fast leer, denn alle waren nach Northallerton gefahren, um dem Haftprüfungstermin beizuwohnen. Dieser würde natürlich eine reine Formsache sein, aber es gehörte sich nun einmal, daß die Familie dabei voll repräsentiert war. Sogar die Herzoginwitwe war gekommen - sie war sofort zu ihrem Sohn geeilt und wohnte tapfer in einem möblierten Zimmer, doch die jüngere Herzogin fand das von ihrer Schwiegermutter mehr couragiert als würdevoll. Man wußte außerdem nie, was sie anstellen würde, wenn man sie sich selbst überließ. Womöglich gab sie noch einem Zeitungsreporter ein Interview. Überdies gehörte in so einem Augenblick die Frau an die Seite ihres Mannes.

Lady Mary war krank, wogegen man nichts sagen konnte, und wenn Lord Peter es vorzog, im Pyjama herumzusitzen und Zigaretten zu rauchen, während sein einziger Bruder einer öffentlichen Demütigung unterzogen wurde, so war von ihm ja nichts anderes zu erwarten. Peter schlug nach seiner Mutter. Wie dieser exzentrische Zug in die Familie geraten war, konnte Ihre Gnaden leicht erraten; die Herzoginwitwe entstammte zwar einer guten Familie aus Hampshire, aber an den Wurzeln des Stammbaums war fremdländisches Blut. Ihre eigene Pflicht war klar, und sie würde sie tun.

Lord Peter war wach und sah ziemlich mitgenommen aus, als ob er auch nachts noch den Spürhund gespielt hätte. Mr. Bunter hüllte ihn fürsorglich in einen prächtigen orientalischen Morgenmantel und stellte ihm das Tablett auf die Knie.

»Bunter«, sagte Lord Peter leicht verdrießlich, »Ihr café au lait ist das einzig Erträgliche in diesem gräßlichen Haus.«

»Vielen Dank, Mylord. Es ist heute wieder sehr kühl, Mylord, aber es regnet nicht direkt.«

Lord Peter las stirnrunzelnd den Brief.

»Steht was in der Zeitung, Bunter?«

»Nichts Wichtiges, Mylord. Eine Versteigerung nächste Woche in der Northbury Hall - Mr. Fleetwhites Bibliothek -, eine Caxton-Ausgabe der Confessio Amantis —«

»Wozu sagen Sie mir das überhaupt, wenn wir hier noch Gott weiß wie lange festsitzen werden? Wäre ich doch nur bei meinen Büchern geblieben und hätte die Finger von der Kriminalistik gelassen! Haben Sie die Proben an Lubbock geschickt?«

»Ja, Mylord«, sagte Bunter sanft. Dr. Lubbock war der >berühmte Wissenschaftler«

»Wir brauchen Fakten«, sagte Lord Peter. »Fakten. Als kleiner Junge habe ich Fakten immer gehaßt. Ich fand sie häßlich - hart und unhandlich. Und so kompromißlos.«

»Sehr wohl, Mylord. Meine alte Mutter -«

»Ihre Mutter, Bunter? Wußte gar nicht, daß Sie eine haben. Hab mir immer eingebildet, Sie seien fix und fertig auf die Welt gekommen. Pardon. Sehr ungezogen von mir. Entschuldigung!«

»Keine Ursache, Mylord. Meine Mutter wohnt in Kent, Mylord, nicht weit von Maidstone. Fünfundsiebzig ist sie, Mylord, und eine überaus aktive Frau für ihr Alter, wenn Sie mir die Erwähnung gestatten. Ich war einer von sieben.«

»Das ist eine Erfindung, Bunter. Ich weiß es besser. Sie sind einzig. Aber ich habe Sie unterbrochen. Sie wollten mir von Ihrer Mutter erzählen.«

»Sie sagt immer, Tatsachen seien wie Kühe, Mylord. Wenn man ihnen nur fest genug in die Augen sieht, laufen sie meist weg. Sie ist eine sehr energische Frau, Mylord.«

Lord Peter streckte impulsiv die Hand aus, aber Mr. Bunter war viel zu gut erzogen, um sie zu sehen. Er hatte bereits begonnen, das Rasiermesser abzustreichen. Lord Peter sprang plötzlich mit einem Satz aus dem Bett und rannte über den Flur ins Bad.

Hier fand er so weit wieder zu sich, daß er die Stimme heben und »Come unto these Yellow Sands« anstimmen konnte, woraufhin er, da ihm gerade so recht nach Purcell zumute war, »I attempt from Love's Sickness to Fly« folgen ließ, was seine Laune so verbesserte, daß er gegen alle Gewohnheit etliche Liter kaltes Wasser in die Wanne laufen ließ und sich mit dem Schwamm von oben bis unten abrieb. Dann stürzte er, nachdem er sich kräftig trockengerubbelt hatte, aus dem Bad und stieß dabei recht unsanft mit dem Schienbein gegen den Deckel einer großen Eichentruhe, die neben dem Treppenaufgang stand - so unsanft, daß der Deckel dabei hochsprang und mit einem protestierenden Knall wieder zufiel.

Lord Peter ließ ein paar kräftige Ausdrücke hören und rieb sich das schmerzende Bein. Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er legte Handtücher, Seife, Schwamm, Bürste und die übrigen Utensilien ab und hob ruhig den Deckel der Truhe hoch.

Ob er nun, wie die Heldin in Jane Austens Northanger Abbey, etwas Grausiges darin zu finden erwartete, war nicht ersichtlich. Sicher ist hingegen, daß er gleich ihr nichts weiter Aufregendes fand als ein paar säuberlich zusammengelegte Laken und Decken auf dem Truhenboden. Unzufrieden nahm er das oberste Laken behutsam heraus und betrachtete es eine Weile im Licht des Treppenfensters. Eben wollte er es leise pfeifend wieder an seinen Platz legen, als ein leises Zischen von heftig eingeatmeter Luft ihn erschrocken aufblicken ließ.

Neben ihm stand seine Schwester. Er hatte sie nicht kommen hören, aber da stand sie in ihrem Morgenmantel, die Hände ängstlich vor der Brust ineinander verschlungen. Ihre Pupillen waren so geweitet, daß ihre blauen Augen fast schwarz wirkten, und ihre Haut hatte fast die gleiche Farbe wie ihr aschblondes Haar. Wimsey starrte sie über das Laken in seinen Armen an, und das Entsetzen in ihrem Gesicht griff auf ihn über, prägte sie beide plötzlich mit der geheimnisvollen Ähnlichkeit der Blutsverwandtschaft.