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Mr. Murbles rang hilflos die Hände, während Sir Impey sich eher zu amüsieren schien. »Nützt nichts, Murbles«, sagte er. »Zeit und Mühen werden eine moderne junge Frau schon zähmen, aber eine moderne alte Frau ist von keiner irdischen Macht zu zügeln.«

Und so ergab es sich, daß Lady Mary vom Stadthaus der Herzoginwitwe aus Mr. Charles Parker anrief, um ihm die Neuigkeiten zu berichten.

Die beredten Toten

»Je connaissais Manon; pourquoi m’affliger tant d’un malheur que j'avais dû prévoir.«

Manon Lescaut

Der Sturm hatte sich ausgetobt, und es folgte ein wunderbar frischer Tag mit Flecken freien Himmels zwischen dicken Kumuluswolken, die sich lawinengleich in großer Höhe über luftige blaue Hänge wälzten.

Der Angeklagte hatte eine Stunde lang mit seinen Beratern gerungen, und als sie endlich in den Gerichtssaal traten, war Sir Impeys klassisches Gesicht zwischen den Locken seiner Perücke leicht gerötet.

»Und ich werde nichts sagen«, blieb der Herzog störrisch bei seiner Weigerung. »Das wäre eine Gemeinheit. Ich kann Sie wohl nicht hindern, sie aufzurufen, wenn sie selbst darauf besteht - ist ja hochanständig von ihr -, ich komme mir richtig erbärmlich vor.«

»Lassen Sie's lieber dabei«, sagte Mr. Murbles. »Macht einen guten Eindruck, wissen Sie? Lassen Sie ihn ruhig in den Zeugenstand treten und sich als vollkommener Gentleman gebärden. Das gefällt.«

Sir Impey, der bis in die frühen Morgenstunden an seinem Plädoyer herumgefeilt hatte, nickte.

Die erste Zeugin dieses Tages war eine gelinde Überraschung. Sie gab ihren Namen mit Eliza Briggs an, bekannt als Madame Brigette aus der New Bond Street, und als Beruf Schönheitsspezialistin. Sie hatte einen großen, aristokratischen Kundenkreis beiderlei Geschlechts und eine Filiale in Paris.

Der Verstorbene sei in beiden Städten seit Jahren ihr Kunde gewesen - Massage und Maniküre. Nach dem Krieg sei er wegen ein paar kleiner Narben zu ihr gekommen, die von Schrapnellsplittern stammten. Er habe überaus großen Wert auf sein Äußeres gelegt, und wenn man das bei einem Mann Eitelkeit nennen wolle, so sei er mit Sicherheit eitel gewesen. Vielen Dank. Sir Wigmore Wrinching nahm diese Zeugin erst gar nicht ins Kreuzverhör, und die edlen Lords fragten einander verwundert, was ihr Auftritt überhaupt sollte.

An diesem Punkt beugte Sir Impey Biggs sich vor, klopfte vielsagend auf seine Akte und sprach:

»Meine Lords, die Verteidigung ist sich ihrer Sache so sicher, daß wir es bisher nicht für nötig erachtet haben, ein Alibi -« als an der Tür ein kleiner Tumult entstand und ein Gerichtsdiener angerannt kam, um ihm aufgeregt einen Zettel in die Hand zu drücken. Sir Impey las ihn, errötete, schaute sich um, legte seine Akte hin, faltete die Hände darüber und sagte mit plötzlich lauter Stimme, die sogar in die tauben Ohren des Herzogs von Wiltshire drang:

»Meine Lords, ich freue mich, Ihnen sagen zu dürfen, daß unser bisher fehlender Zeuge eingetroffen ist. Ich rufe auf -Lord Peter Wimsey!«

Alle Hälse verdrehten sich auf einmal, und aller Augen richteten sich auf die von Schmutz und Öl starrende Gestalt, die mit liebenswürdigem Lächeln durch den langgestreckten Saal nach vorn schritt. Sir Impey Biggs schob den Zettel weiter zu Mr. Murbles, wandte sich an den Zeugen, der fürchterlich gähnte, wenn er nicht gerade einen seiner vielen Bekannten angrinste, und verlangte seine Vereidigung.

Der Zeuge sagte wie folgt aus:

»Ich bin Peter Death Bredon Wimsey, der Bruder des Angeklagten. Ich wohne 110 A Piccadilly. Auf Grund dessen, was ich auf diesem Löschblatt gelesen habe, das ich hiermit identifiziere, bin ich nach Paris geflogen, um eine bestimmte Dame ausfindig zu machen. Ihr Name ist Mademoiselle Simone Vonderaa. Wie ich feststellen mußte, hatte sie Paris in Begleitung eines Herrn namens van Humperdinck verlassen. Ich bin ihr gefolgt und habe sie schließlich in New York gefunden. Ich bat sie, mir den Brief zu geben, den Cathcart ihr am Abend seines Todes geschrieben hatte. (Aufsehen.) Ich lege diesen Brief hier vor, von Mademoiselle Vonderaa in einer Ecke signiert, damit er identifiziert werden kann, falls Wiggy uns damit aufs Kreuz zu legen versucht. (Allgemeine Heiterkeit, in der die erzürnten Proteste des Anklägers untergingen.) Es tut mir ja leid, daß ich so kurzfristig damit ankomme, altes Haus, aber ich hab ihn selbst erst vorgestern bekommen. Wir sind so schnell hergekommen, wie es ging, aber wir mußten bei Whitehaven mit einem Motorschaden notlanden, und wenn das eine halbe Meile früher passiert wäre, stände ich jetzt nicht hier.« (Applaus, der vom Großhofmeister eilig unterdrückt wurde.)

»Meine Lords«, sagte Sir Impey, »Sie alle sind Zeugen, daß ich diesen Brief nie zuvor gesehen habe. Sein Inhalt ist mir völlig unbekannt; und doch glaube ich so fest an seine entlastende Wirkung für meinen Mandanten, daß ich bereit bin - nein, daß ich sogar großen Wert darauf lege, dieses Dokument unverzüglich, und ohne es auch nur flüchtig gelesen zu haben, so wie es ist, als Beweisstück vorzulegen und mit seinem Inhalt zu stehen oder zu fallen.«

»Zuerst muß die Handschrift als die des Verstorbenen identifiziert werden«, wandte der Großhofmeister ein.

Die gierigen Bleistifte der Reporter rasten übers Papier. Der schmächtige junge Mann, der für die Daily Trumpet arbeitete, witterte einen Skandal bei den Oberen Zehntausend und leckte sich die Lippen, ohne zu ahnen, ein wieviel saftigerer Skandal ihm wegen einer knappen Minute entgangen war.

Miss Lydia Cathcart wurde erneut aufgerufen, um die Handschrift zu identifizieren, und der Brief wurde dem Großhofmeister überreicht, der erklärte:

»Der Brief ist französisch geschrieben. Wir müssen einen Dolmetscher vereidigen.«

»Sie werden sehen«, sagte der Zeuge plötzlich, »daß die beiden Wortfragmente auf dem Löschblatt sich im Brief wiederfinden. Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.«

»Steht dieser Zeuge als Sachverständiger hier?« fragte Sir Wigmore grämlich.

»Ganz recht«, sagte Lord Peter. »Nur sehen Sie, es kam doch für den guten Biggy sozusagen alles etwas plötzlich.

Biggy und Wiggy, zwei schöne Männer, gingen zum Kadi mitten im -«

»Sir Impey, ich muß Sie wirklich bitten, Ihren Zeugen zur Ordnung zu rufen!«

Lord Peter grinste, und es trat eine Pause ein, in der ein Dolmetscher herbeigeholt und vereidigt wurde. Dann endlich wurde inmitten atemloser Stille der Brief verlesen:

»Riddlesdale Lodge Stapley, N. E. Yorks. le 13 Octobre, 1923

Simone - Je viens de recevoir ta lettre. Que dire? Inutiles, les prières ou les reproches. Tu ne comprendras - tu ne liras même pas.

N'ai-je pas toujours su, d'ailleurs, que tu devais infailliblement me trahir? Depuis dix ans déjà je souffre tous les tourments que puisse infliger la Jalousie. Je comprends bien que tu n'as jamais voulu me faire de la peine. C'est tout justement cette insouciance, cette légèreté, cette façon séduisante d'être malhonnête, que j'adorais en toi. J'ai tout su, et je t'ai aimée.

Ma foi, non, ma chère, jamais je n'ai eu la moindre illusion. Te rappelles-tu cette première rencontre, un soir au Casino? Tu avais dix-sept ans, et tu étais jolie à ravir. Le lendemain tu fus à moi. Tu m'as dit, si gentiment, que tu m'aimais bien, et que j'étais, moi, le premier. Ma pauvre enfant, tu en as menti. Tu riais, toute seule, de ma naiveté - il y avait bien de quoi rire! Dès notre premier baiser, j'ai prévu ce moment.

Mais écoute, Simone. J'ai la faiblesse de vouloir te montrer exactement ce que tu as fait de moi. Tu regretteras peut-être en peu. Mais, non - si tu pouvais regretter quoi que ce fût, tu ne serais plus Simone.

Il y a dix ans, la veille de la guerre, j'étais riche - moins riche que ton Américain, mais assez riche pour te donner l'établissement qu'il te fallait. Tu étais moins exigeante avant la guerre, Simone - qui est-ce qui, pendant mon absence, t'a enseigné le goût du luxe? Charmante discrétion de ma part de ne jamais te le demander! Eh bien, une grande partie de ma fortune se trouvant placée en Russie et en Allemagne, j'en ai perdu plus de trois-quarts. Ce que m'en restait en France a beaucoup diminué en valeur. Il est vrai que j'avais mon traitement de capitaine dans l'armée britannique, mais c'est peu de chose, tu sais. Avant même la fin de la guerre, tu m'avais mange toutes mes économies. C'était idiot, quoi? Un jeune homme qui a perdu les trois-quarts de ses rentes ne se permet plus une maîtresse et un appartement Avenue Kléber. Ou il congédie madame, ou bien il lui demande quelques sacrifices. Je n'ai rien osé demander. Si j'étais venu un jour te dire, >Simone, je suis pauvre« - que m'aurais-tu répondu?