C'est Venus tout entière à sa proie attaché.
Und Shakespeare hat den verzweifelten Starrsinn des Liebenden in den zwei rührenden Zeilen wiedergegeben:
Wenn sie mir schwört, aus Wahrheit zu bestehen,
So glaub ich ihr, wiewohl ich weiß, sie lügt.
Meine Lords, Denis Cathcart ist tot; es steht uns nicht an, ihn zu verurteilen, sondern nur, ihn zu verstehen und zu bedauern.
Meine Lords, ich brauche Ihnen nicht noch einmal alle die Gemeinheiten im einzelnen zu erklären, zu denen dieser Offizier und Gentleman sich erniedrigte. Sie haben die Geschichte in all ihren kalten, häßlichen Details aus dem Munde von Monsieur du Bois-Gobey Houdin vernommen, sowie auch, begleitet von vergeblichen Worten der Scham und Reue, aus den letzten Äußerungen des Verstorbenen selbst. Sie wissen, wie er gespielt hat, ehrlich zuerst - dann unehrlich. Sie wissen, woher er diese großen Geldsummen bezog, die in unregelmäßigen Abständen auf geheimnisvolle Weise und in bar eingingen, um ein Konto aufzufüllen, das stets gefährlich nah am Rande der Leere war. Meine Lords, wir brauchen auch nicht zu hart über diese Frau zu urteilen. Nach ihren Begriffen hat sie ihn nicht unfair behandelt. Sie mußte ihre eigenen Interessen wahren. Solange er für sie bezahlen konnte, gab sie ihm Schönheit und Leidenschaft und Spaß und - in Grenzen -sogar Treue dafür. Als er nicht mehr bezahlen konnte, fand sie es nur vernünftig, sich nach etwas anderem umzusehen. Das hat Cathcart verstanden. Er brauchte Geld, auf Biegen oder Brechen. Und so fand er sich am Ende dieses unaufhaltsamen Niedergangs im tiefsten Sumpf der Ehrlosigkeit wieder.
An diesem Punkt, meine Lords, treten nun Denis Cathcart und sein unglückliches Geschick in das Leben meines edlen Mandanten und seiner Schwester. Von da an beginnen alle jene Verwicklungen, die zu der Tragödie vom 14. Oktober führen, und die zu entwirren wir hier an dieser erhabenen historischen Stätte zusammengekommen sind.
Vor ungefähr achtzehn Monaten begegnete Cathcart, immer noch auf der verzweifelten Suche nach einer sicheren Einnahmequelle, dem Herzog von Denver, dessen Vater vor langer Zeit mit seinem, Cathcarts, Vater befreundet gewesen war. Die Bekanntschaft vertiefte sich, und Cathcart wurde Lady Mary Wimsey vorgestellt, die gerade (wie sie uns sehr offen berichtet hat) >in der Luft hing<, >die Nase voll hatte< und unter der Trennung von ihrem Verlobten, Mr. Goyles, litt. Lady Mary empfand das Bedürfnis, auf eigenen Füßen zu stehen, und so akzeptierte sie Denis Cathcart unter der Bedingung, daß sie ein freier Mensch sein und ihr eigenes Leben führen dürfe, ohne daß er sich mehr als nötig einmische. Welches Ziel Cathcart dabei verfolgte, hat er uns mit seinen eigenen bitteren Worten gesagt, und ich könnte es nicht besser ausdrücken: Ein schöner Plan - meine Maitresse mit dem Geld meiner Frau auszuhalten.
So geht es weiter bis letzten Oktober. Cathcart ist jetzt genötigt, recht lange Zeit bei seiner Verlobten in England zu verbringen, und muß Simone Vonderaa unbeaufsichtigt in der Avenue Kleber zurücklassen. Er scheint sich soweit ganz sicher gefühlt zu haben; der einzige Fehler war, daß Lady Mary, die eine natürliche Scheu hatte, sich einem Mann in die Hände zu geben, den sie nicht wirklich lieben konnte, bisher der Festsetzung eines Heiratsdatums immer ausgewichen war. In der Avenue Kleber wird das Geld knapper denn je, und die Kosten für Kleider, Putz, Amüsements und so weiter werden derweil nicht kleiner. Und inzwischen hat Mr. Cornelius van Humperdinck, der amerikanische Millionär, Simone im Bois de Boulogne, beim Rennen, in der Oper - und in Denis Cathcarts Wohnung gesehen.
Aber Lady Mary bekommt wegen ihrer Verlobung mehr und mehr Bedenken. In diesem kritischen Augenblick sieht Mr. Goyles plötzlich die Chance, eine bescheidene, aber sichere Stellung zu bekommen, von der er eine Frau ernähren könnte. Lady Mary trifft ihre Wahl. Sie ist bereit, mit Mr. Goyles zu fliehen, und ein unglückseliger Zufall will es, daß sie den Zeitpunkt ihrer Flucht auf den 14. Oktober um drei Uhr morgens legen.
Am Mittwochabend, dem 13. Oktober, begibt sich die Jagdgesellschaft gegen halb zehn nach und nach zu Bett. Der Herzog von Denver ist noch in der Waffenkammer, die anderen Männer sind im Billardzimmer, die Damen haben sich schon zurückgezogen, als Fleming, der Diener, mit der Abendpost aus dem Dorf kommt. Dem Herzog von Denver bringt er einen Brief, in dem etwas sehr Bestürzendes und Unangenehmes steht. Denis Cathcart bringt er ebenfalls einen Brief - einen, den wir nie zu sehen bekommen werden, dessen Inhalt jedoch leicht zu erraten ist.
Sie haben Mr. Arbuthnots Aussage gehört, daß Cathcart, bevor er den Brief las, guter Dinge und hoffnungsvoll nach oben ging und erwähnte, er gedenke bald den Hochzeitstermin festsetzen zu können. Kurz nach zehn, als der Herzog von Denver zu ihm hinaufging, traf er ihn sehr verändert an. Noch ehe Seine Gnaden auf den Grund seines Besuchs zu sprechen kommen konnte, fuhr Cathcart ihn grob und rüde an, schien mit den Nerven am Ende zu sein und verlangte in Ruhe gelassen zu werden. Meine Lords, ist es angesichts dessen, was wir heute hier vernommen haben - angesichts unseres Wissens, daß Mademoiselle Vonderaa am 15. Oktober mit der Berengaria nach New York übergesetzt ist -, wirklich schwer zu erraten, welche Nachricht Denis Cathcart in der Zwischenzeit erhalten hatte, die seinen Ausblick auf das Leben so völlig veränderte?
In diesem unglücklichen Augenblick, als Cathcart sich gerade vor die vernichtende Tatsache gestellt sieht, daß seine Geliebte ihn verlassen hat, kommt der Herzog von Denver und erhebt einen furchtbaren Vorwurf gegen ihn. Er konfrontiert Cathcart mit der häßlichen Wahrheit - daß der Mann, der an seinem Tisch gegessen und unter seinem Dach gewohnt hat, der im Begriff steht, seine Schwester zu heiraten, nichts mehr und nichts weniger ist als ein Falschspieler. Und als Cathcart den Vorwurf nicht einmal abstreitet - als er, in höchst unverschämter Weise, wie es aussieht, auch noch erklärt, daß er die edle Dame, mit der er verlobt ist, nicht mehr zu heiraten gedenkt - ist es da zu verwundern, daß der Herzog diesem Hochstapler die Meinung sagt und ihm verbietet, Lady Mary Wimsey jemals wieder anzurühren oder anzusprechen? Ich sage Ihnen, meine Lords, daß ein Mann mit einem Funken Ehrgefühl nicht anders hätte handeln können. Mein Mandant begnügt sich damit, Cathcart zu sagen, daß er am nächsten Tag sein Haus zu verlassen habe; und als Cathcart in seiner Wut ins Unwetter hinausrennt, ruft er ihm nach, er solle zurückkommen, ja er weist sogar den Diener an, die Tür des Wintergartens für Cathcart offen zu lassen. Es ist wahr, daß er Cathcart einen gemeinen Halunken geheißen und gesagt hat, er gehöre aus seinem Regiment ausgestoßen, aber da war er ja im Recht; und als er Cathcart aus dem Fenster nachrief - >Komm zurück, du Idiot<, oder sogar, wie ein Zeuge aussagte, >du verdammter Idiot<, da hatten seine Worte doch fast schon wieder etwas Versöhnliches. (Heiterkeit.)
Und nun möchte ich Euren Lordschaften aufzeigen, auf wie ungemein schwachen Füßen die Anklage gegen meinen edlen Mandanten hinsichtlich des Motivs steht. Es wurde angedeutet, der Grund für den Streit zwischen beiden sei nicht der, den der Herzog von Denver in seiner Aussage genannt hat, sondern etwas, das die beiden persönlicher betraf. Für diese Unterstellung wurde nicht die Spur, nicht ein Hauch, nicht der Schatten eines Beweises vorgebracht, abgesehen von der Aussage dieses merkwürdigen Zeugen Pettigrew-Robinson, der einen Groll gegen seinen ganzen Bekanntenkreis zu hegen scheint und eine nichtige Anspielung zu etwas ungeheuer Bedeutendem aufbläht. Eure Lordschaften haben diese Person im Zeugenstand erlebt und können sich selbst ein Urteil darüber bilden, wieviel Gewicht seinen Beobachtungen beizumessen ist. Dagegen haben wir seitens der Verteidigung nachweisen können, daß der vom Herzog behauptete Streitgrund sich sehr wohl auf Tatsachen gründet.