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»Ich glaube, dass es hier um Sex und Rache geht«, sagte Bea, nachdem das Haar versandfertig war.

Havers zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr, während sie sich mit sichtlichem Genuss über den Rest ihrer Pastete hermachte. Sie schob sich einen Bissen in die Backentasche und fragte: »Sex und Rache? Was hat sich denn Ihrer Meinung nach abgespielt?«

»Ich habe mehr oder minder die ganze Nacht darüber nachgegrübelt, und immer wieder bin ich bei diesem Betrug gelandet.«

»Santo Kerne und Dr. Trahair?«

»Wofür entweder Madlyn selbst Rache geübt hat, und zwar hiermit.« Sie hielt Klemmkeil und Bolzenschneider hoch. »Oder einer der Männer hat es getan, nachdem sie ihm aus Santos Kofferraum zwei Klemmkeile besorgt hatte. Die Schlinge hat sie vermutlich selbst manipuliert; nichts leichter als das. Aber für einen Klemmkeil braucht man mehr Kraft, als sie sie hätte. Also suchte sie sich einen Helfer. Sie muss gewusst haben, wo Santo seine Ausrüstung verwahrte. Alles, was sie brauchte, war ein williger Komplize.«

»Und zwar am besten jemanden, der ebenfalls eine Rechnung mit Santo Kerne zu begleichen hatte.«

»Oder jemanden, der hoffte, auf diese Weise Madlyns Sympathie zu gewinnen.«

»Klingt nach Will Mendick. Santo hat Madlyn schlecht behandelt, und Will beschließt, ihm um ihretwillen eine Lektion zu erteilen. Vielleicht kann er ja so bei Madlyn punkten.«

»Genau so stelle ich es mir vor.« Bea legte den Klemmkeil beiseite. »Haben Sie Ihren Superintendent Lynley heute Morgen eigentlich schon gesehen?«

»Er ist nicht mein…«

»Ja, ja. Das hatten wir alles schon. Er sagt das Gleiche von Ihnen.«

»Wirklich?« Havers runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob mir das gefällt.«

»Zerbrechen Sie sich später den Kopf darüber. Also, was ist mit ihm?«

»Er ist nach Exeter gefahren. Um fortzusetzen, was immer er gestern getan hat, sagte er. Aber…«

Bea verengte die Augen. »Aber?«

Havers schien zu bedauern, dass sie fortfahren musste. »Dr. Trahair hat ihn aufgesucht. Gestern am späten Nachmittag.«

»Und Sie haben sie nicht hierhergebracht?«

»Ich wusste nichts davon, Inspector. Ich selbst habe sie nicht gesehen. Und da ich sie überhaupt noch nie gesehen habe, würde ich sie nicht einmal erkennen, wenn sie mir auf einem Besen vor die Windschutzscheibe flöge. Er hat es mir erst heute Morgen gesagt.«

»Haben Sie ihn gestern Abend beim Essen getroffen?«

Havers nickte unglücklich und sagte: »Ja, ich fürchte, das habe ich.«

»Und er hat Ihnen gegenüber nichts von ihrem Besuch erwähnt?«

»So sieht's aus, ja. Aber es gibt im Moment so viel, was ihn beschäftigt. Vielleicht hat er einfach nicht daran gedacht, es mir zu sagen.«

»Seien Sie nicht albern, Barbara! Er wusste ganz genau, dass wir sie sprechen wollten. Er hätte es Ihnen sagen müssen. Er hätte mich anrufen sollen. Er hätte praktisch alles tun können, nur nicht das, was er getan hat. Dieser Mann bewegt sich auf sehr dünnem Eis.«

Havers nickte. »Darum erzähle ich es Ihnen ja. Ich meine, nicht weil er sich auf dünnem Eis bewegt, sondern weil ich weiß, dass es wichtig ist. Also, es ist nicht wichtig, weil er es Ihnen nicht gesagt hat, sondern weil… auch nicht dass sie zu ihm gegangen ist. Was ich meine, ist… dass sie überhaupt wieder aufgetaucht ist, und ich dachte…«

»Schon gut, schon gut! Lieber Himmel, Schluss damit! Ich sehe, ich kann nicht von Ihnen erwarten, dass Sie Seine Lordschaft ans Messer liefern, ganz gleich wie die Situation sich darstellt. Also werde ich jemanden finden müssen, der bereit ist, sie ans Messer zu liefern. Nun ist es aber ja nicht so, als hätten wir Personal für so etwas, nicht wahr, Sergeant? Was ist denn jetzt schon wieder, Herrgott noch mal?«

Letzteres galt Paddy Collins, der an die Tür der Einsatzzentrale gekommen war. Er bemannte unten die Telefone auch wenn der Nutzen dieser Tätigkeit höchst fragwürdig war, während das restliche Team mit den Aufgaben beschäftigt war, die Bea zuteilte und die großteils darin bestanden, die bisherigen Ermittlungen nochmals durchzugehen.

»Dr. Trahair ist hier, Chef«, meldete Collins. »Sie sagt, Sie wollten sie sprechen?«

Bea schob ihren Stuhl zurück und erwiderte: »Gott sei Dank. Lassen Sie uns hoffen, dass wir endlich einmal weiterkommen.«

Nach einer geschlagenen Stunde Recherche in Exeter hatte Lynley den Namen der Immobilienverwaltungsfirma eruiert, die jedoch, wie er ebenfalls herausfand, nicht mehr im Besitz von Jonathan Parsons war, dem Vater des vor so langer Zeit in Pengelly Cove ertrunkenen Opfers. Früher einmal Parsons, Larson & Waterfield, hieß sie nun R. Larson Immobilienverwaltung, und sie lag in der Nähe der mittelalterlichen Kathedrale in einem Viertel, das so aussah, als sei es eine gefragte Geschäftsadresse. Der Inhaber war ein graubärtiger, sonnenbankgebräunter Mittsechziger. Er schien eine Vorliebe für Bluejeans, kostspieligen Zahnersatz und blendend weiße Hemden ohne Krawatte zu haben. Das "R" stand für den ungewöhnlichen und äußerst unbritischen Namen Rocco. Seine Mutter, vor langer Zeit verschieden, habe eine Vorliebe für die eher obskuren katholischen Heiligen besessen, erklärte Larson, und zudem sei es eine Frage der Gleichberechtigung gewesen; seine Schwester heiße nämlich Perpetua. Er selbst führe den Namen Rocco nicht, sondern ziehe Rock vor, und so dürfe Lynley ihn gern nennen.

Lynley dankte ihm und erwiderte, wenn es recht sei, ziehe er Mr. Larson vor. Er zeigte ihm seinen Dienstausweis von New Scotland Yard, und Larson schien dankbar, dass Lynley beschlossen hatte, eine gewisse Förmlichkeit zu wahren. »Ich nehme nicht an, dass Sie mir eine Immobilie zur Betreuung anbieten möchten.«

»Völlig richtig«, bestätigte Lynley. »Ich würde gerne mit Ihnen über Jonathan Parsons reden. Sie waren einmal sein Partner, wenn ich recht informiert bin.«

Larson war durchaus gewillt, über den "armen Jon" zu reden, wie er ihn nannte, und führte Lynley in sein Büro. Der Raum war spärlich eingerichtet und maskulin. Leder und Metall und Familienfotos in nüchternen schwarzen Rahmen. Eine wesentlich jüngere blonde Gattin, zwei Kinder in adretten Schuluniformen, ein Pferd, ein Hund, eine Katze und eine Ente, allesamt ein bisschen zu glatt und statisch, sodass Lynley sich fragte, ob sie wirklich echt waren oder ob Larson die Fotos, die man in solchen Bilderrahmen vorfand, wenn man sie kaufte, einfach darin hatte stecken lassen.

Larson brauchte wenig Ermunterung. Noch bevor Lynley seine erste Frage gestellt hatte, hob sein Gegenüber bereits zu seiner Geschichte an. Larson war eine Firmenpartnerschaft mit Jonathan Parsons und einem Mann namens Henry Waterfield eingegangen, der inzwischen verstorben war. Beide seien rund zehn Jahre älter gewesen als er, und deswegen habe Larson zunächst die Rolle des Juniorpartners innegehabt. Aber er sei nun mal ein Gewinnertyp, auch wenn es unbescheiden klingen mochte, wenn er selbst dies von sich behaupte. In kürzester Zeit sei er zum vollwertigen Partner aufgestiegen. Von da an seien sie zu dritt gewesen, bis zu Waterfields Tod. Übrig geblieben seien Parsons und Larson, aber das habe wie ein Zungenbrecher geklungen, und so hätten sie den ursprünglichen Firmennamen weitergeführt.

Alles sei glatt verlaufen bis der Parsons-Junge starb, erzählte Larson. Von da an sei es bergab gegangen. »Der arme Jon konnte seinen Teil der Arbeit nicht mehr leisten, aber wer wollte ihm daraus schon einen Vorwurf machen? Er verbrachte immer mehr Zeit unten in Pengelly Cove. Dort ist der Unfall… der Todesfall…«