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»Sergeant Havers hat mir gesagt… Ich habe sie auf dem Parkplatz getroffen. Sie sagte, Sie föhnen Ihre Socken trocken.«

Wie zum Beweis hielt er eine Socke in einer Hand, den Föhn in der anderen. »Ich musste beim Frühstück feststellen, dass feuchte Socken ausgesprochen unangenehm zu tragen sind. Vermutlich erinnern sie zu sehr an den Ersten Weltkrieg und das Leben in den Schützengräben. Möchten Sie vielleicht hereinkommen?« Er trat von der Tür zurück, und Daidre trat an ihm vorbei. Das Bett war nicht gemacht. Ein Handtuch lag am Boden. Ein mit Bleistift vollgekritzeltes Notizbuch lag offen auf dem Tisch, ein Autoschlüssel darauf. »Ich hatte angenommen, dass sie über Nacht trocknen würden«, sagte er. »Unklugerweise habe ich beide Paare gewaschen und dann ans Fenster gehängt. Ich habe sogar daran gedacht, es zu öffnen — vergebens. Sergeant Havers vertritt die Auffassung, ich hätte ein Mindestmaß an gesundem Menschenverstand beweisen und sie auf die Heizung legen sollen. Sie haben doch nichts dagegen…?«

Sie schüttelte den Kopf. Er setzte seine Bemühungen mit dem Föhn fort, und Daidre beobachtete ihn dabei. Er hatte sich beim Rasieren geschnitten, und es war ihm offenbar nicht aufgefallen, denn ein dünner Blutsfaden lief ihm seitlich übers Kinn. Das war etwas, was seine Frau gesehen und ihm gesagt hätte, bevor er morgens das Haus verließ.

»Das scheint mir aber keine typische Beschäftigung für den Gutsherrn zu sein«, bemerkte sie.

»Was? Die eigenen Socken zu trocknen?«

»Hat man für so etwas nicht… seine Leute?«

»Nun, ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Schwester sich darum reißen würde. Mein Bruder wäre so hoffnungslos wie ich, und meine Mutter würde sie mir vermutlich an den Kopf werfen.«

»Ich meinte nicht die Familie. Ich meine die Dienerschaft.«

»Ich schätze, das hängt davon ab, was Sie sich unter Dienerschaft vorstellen. Wir haben Personal in Howenstow — das ist der Familiensitz, falls ich den Namen noch nicht erwähnt haben sollte, und es gibt jemanden, der in meinem Haus in London nach dem Rechten sieht. Ich würde ihn aber nicht als Diener bezeichnen, und kann man einen einzelnen Angestellten Personal nennen? Davon abgesehen, kommt und geht Charlie Denton mehr oder minder, wie es ihm gefällt. Er ist ein Theaterliebhaber mit gewissen… Ambitionen.«

»Welcher Art?«

»Von der Art, die Theaterschminke und ein großes Publikum beinhaltet. Er träumt davon, eines Tages selbst auf der Bühne zu stehen, aber ich fürchte, er hat wenig Chancen, entdeckt zu werden, solange er sein Repertoire auf das beschränkt, was es derzeit umfasst: Er schwankt zwischen Algernon Moncrieff und dem Pförtner aus Macbeth.«

Daidre musste unwillkürlich lächeln. Sie wollte wütend auf ihn sein, und ein Teil von ihr war das auch, aber er machte es ihr schwer. Sie nahm all ihre Courage zusammen. »Warum haben Sie mich angelogen, Thomas?«

»Sie angelogen?«

»Sie haben gesagt, Sie wären nicht nach Falmouth gefahren, um Fragen über mich zu stellen.«

Er schaltete den Haartrockner aus und legte ihn auf dem Waschbeckenrand ab. Einen Augenblick lang betrachtete er ihn versonnen. »Ah«, sagte er schließlich.

»Genau. Ah. Streng genommen haben Sie die Wahrheit gesagt, das ist mir klar. Sie sind nicht persönlich hingefahren. Aber Sie haben sie hingeschickt, nicht wahr? Es war nicht ihre Idee dorthinzufahren.«

»Streng genommen, nein. Ich hatte keine Ahnung, dass sie in der Gegend war. Ich glaubte sie in London. Aber ich habe sie tatsächlich gebeten, Ihre Herkunft zu recherchieren, also nehme ich an…« Er vollführte eine kleine Handbewegung, die besagte, den Rest könne sie sich wohl denken.

Das tat sie nur zu gern. »Sie haben gelogen. Das gefällt mir nicht. Sie hätten mir einfach ein paar Fragen stellen können.«

»Das habe ich getan. Sie haben vermutlich nur nicht damit gerechnet, dass ich Ihre Antworten überprüfen würde.«

»Um sie zu verifizieren. Um sicherzugehen…«

»… dass Sie Ihrerseits nicht lügen.«

»Erscheine ich Ihnen denn so fragwürdig? Halten Sie mich wirklich für eine Mörderin?«

Er schüttelte den Kopf. »Ich traue Ihnen einen Mord so wenig zu wie den meisten Menschen, die ich kenne. Aber es gehört nun mal zu meiner Arbeit. Und je mehr ich gefragt habe, umso öfter musste ich feststellen, dass es Bereiche in Ihrer Biografie gibt…«

»Und ich habe mir eingebildet, wir wären dabei, einander kennenzulernen. Ich Dummkopf!«

»Aber so war es doch auch, Daidre. Das war ein Teil davon. Aber von Anfang an gab es Unstimmigkeiten in dem, was Sie über sich erzählt haben, die man nicht ignorieren konnte.«

»Sie meinen, Sie konnten sie nicht ignorieren.«

Er schaute sie an. Sein Ausdruck war offen. »Ich konnte sie nicht ignorieren, das ist richtig«, räumte er ein. »Jemand ist ermordet worden. Und ich bin Polizist.«

»Verstehe. Und werden Sie mir verraten, was Sie enthüllt haben?«

»Wenn Sie wollen.«

»Allerdings.«

»Der Zoo in Bristol.«

»Ich arbeite dort. Hat irgendjemand das bestritten?«

»Es gibt dort keinen Affenpfleger namens Paul. Und es gibt auch keine Daidre Trahair, die in Falmouth geboren wurde, ob nun zu Hause oder andernorts. Wollen Sie mir das erklären?«

»Nehmen Sie mich fest?«

»Nein.«

»Dann kommen Sie mit. Holen Sie Ihre Sachen! Ich will Ihnen etwas zeigen.« Sie ging zur Tür, hielt aber noch einmal inne. Sie lächelte ihm zu, aber sie wusste, ihr Lächeln war brüchig. »Oder wollen Sie zuerst Detective Inspector Hannaford und Sergeant Havers anrufen und ihnen Bescheid geben, dass Sie mit mir unterwegs sind? Es wäre ja immerhin möglich, dass ich Sie von einer Klippe stoße, und sie wollen doch bestimmt wissen, wo sie beizeiten Ihren Leichnam finden können.«

Sie wartete keine Antwort ab, blieb auch nicht, um zu sehen, ob er ihren Vorschlag aufgriff. Stattdessen ging sie die Treppe hinunter und hinaus zu ihrem Auto. Sie versicherte sich, es sei im Grunde gleich, ob er ihr folgte oder nicht. Sie beglückwünschte sich, weil sie absolut nichts fühlte. Sie hatte es weit gebracht, fand sie.

Lynley rief weder Hannaford noch Barbara Havers an. Er war schließlich ein freier Mann, nicht ausgeliehen, nicht einmal im Dienst. Trotzdem steckte er das Handy ein, nachdem er die Socken angezogen hatte, die glücklicherweise wesentlich trockener waren als beim Frühstück, und griff dann nach seiner Jacke. Er fand Daidre in ihrem Wagen auf dem Parkplatz, den Motor im Leerlauf. Sie war während ihres Gesprächs blass geworden, doch inzwischen war die Farbe in ihre Wangen zurückgekehrt.

Er stieg ein. Auf dem engen Raum konnte er ihr Parfüm riechen. Es erinnerte ihn an Helen, nicht das Parfüm selbst, sondern die Tatsache an sich. Helens Duft war der von Zitrusblüten gewesen, wie ein sonniger Tag am Mittelmeer. Daidres war… wie frische Luft nach einem Gewitter. Für einen flüchtigen Moment vermisste er Helen so sehr, dass er glaubte, sein Herz würde einfach stehen bleiben. Doch natürlich tat es das nicht. Was blieb, war der Sicherheitsgurt, den er mit ungeschickten Fingern einrasten ließ.

»Wir fahren nach Redruth«, teilte Daidre ihm mit. »Wollen Sie Detective Inspector Hannaford vielleicht jetzt anrufen, falls Sie das nicht bereits getan haben? Nur um auf Nummer sicher zu gehen? Obwohl… Da ich Sergeant Havers ja bereits begegnet bin, kann sie den Behörden ja sagen, dass ich die Letzte war, die Sie lebend gesehen hat.«

»Ich halte Sie nicht für eine Mörderin«, sagte er. »Das habe ich nie getan.«

»Wirklich nicht?«

»Nein.«

Sie legte den Gang ein. »Vielleicht kann ich Sie eines Besseren belehren.«