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»Ist das der Grund, warum Sie Detective Inspector Hannaford über Ihre Route nach Cornwall belogen haben?«, fragte Lynley.

Daidre antwortete nicht. Sie öffnete die Tür, und Lynley tat es ihr gleich. Sie stiegen aus und betrachteten einen Moment das Heim, das sie vor achtzehn Jahren verlassen hatte. Außer dem Wohnwagen — der unvorstellbarerweise einmal fünf Menschen als Behausung gedient hatte — gab es nur einen windschiefen Schuppen, der die Geräte enthielt, die man brauchte, um Zinn zu gewinnen. Drei antike Schubkarren lehnten an der Wand, daneben zwei verrostete Fahrräder mit alten Satteltaschen. Irgendwann hatte jemand einmal ein paar Geranien in Tontöpfe gepflanzt, doch sie waren nicht sonderlich gediehen. Zwei der Töpfe waren umgestürzt und zerbrochen, und die Pflanzen lagen am Boden wie arme Seelen, die um ein gnädiges Ende flehten.

»Mein Name war Edrek Udy«, sagte Daidre. »Wissen Sie, was Edrek bedeutet, Thomas?«

Er musste verneinen. Er stellte fest, dass er nicht wollte, dass sie fortfuhr. Und es erfüllte ihn mit unendlicher Traurigkeit, dass er so gedankenlos in ein Leben eingebrochen war, das sie um jeden Preis hatte vergessen wollen.

»Edrek ist das kornische Wort für Reue«, sagte Daidre. »Kommen Sie, und lernen Sie meine Familie kennen.«

Jago Reeth schien nicht im Mindesten überrascht. Und ebenso wenig schien er beunruhigt. Er sah genauso aus wie beim ersten Mal, als Bea ihm bei LiquidEarth begegnet war: hilfsbereit. Sie fragte sich, ob sie sich im Irrtum befanden, was ihn betraf.

Natürlich könnten sie ihn sprechen, versicherte er. Sie sollten sich entweder zu ihm und seinem Freund in der Kaminecke gesellen, oder sie würden den Wirt um einen separaten Raum bitten müssen.

Bea erwiderte, sie würden die Unterhaltung lieber in der Polizeiwache in Casvelyn führen, wenn er nichts dagegen hätte.

Höflich entgegnete er: »Ich fürchte, dagegen habe ich in der Tat etwas. Nehmen Sie mich fest, Madam?«

Das "Madam" brachte sie ins Stocken. Es lag an der Art, wie er es sagte, so als glaube er, er habe hier die Oberhand.

»Denn wenn ich mich nicht irre, muss ich Ihre Einladung nicht annehmen«, fuhr er fort.

»Gibt es irgendeinen Grund, warum Sie lieber nicht mit uns sprechen wollen, Mr. Reeth?«

»Absolut nicht«, versicherte er. »Aber wenn wir uns unterhalten, muss es irgendwo sein, wo ich mich wohlfühle, und das wäre in einer Polizeiwache eher nicht der Fall, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Sein liebenswürdiges Lächeln entblößte Zähne, die von Tee und Kaffee verfärbt waren. »In mir schnürt sich alles zu, wenn ich zu lange drinnen bin. Und zugeschnürt kann ich gar nicht viel sagen. Und eines weiß ich: In einer Polizeiwache wäre ich wahrscheinlich ganz und gar zugeschnürt. Wenn Sie wissen, was ich meine.«

Bea verengte die Augen. »Tatsächlich?«

»Habe ein bisschen mit Platzangst zu tun.«

Reeths Gefährte sah gespannt von einem zum anderen und fragte schließlich dazwischen: »Was hat das zu bedeuten, Jago?«

»Möchten Sie Ihren Freund ins Bild setzen?«, schlug Bea vor.

Reeth antwortete: »Sie wollen mit mir über Santo Kerne reden. Schon wieder. Sie waren seinetwegen ja schon mal bei mir.« Und an Bea gewandt: »Aber ich bin gerne bereit, noch einmal über ihn zu sprechen. Sooft Sie wollen. Lassen Sie uns einfach nach draußen gehen… Da können wir entscheiden, wann und wo wir reden.«

Sergeant Havers wollte etwas sagen, aber Bea hielt sie mit einem Blick zurück. Noch nicht. Bea wollte abwarten, was Jago Reeth im Schilde führte. Entweder war er vollkommen ahnungslos oder erstaunlich gerissen. Bea glaubte zu wissen, was von beidem der Fall war.

Sie folgten ihm in den Windfang des Hotels; die Tür zur Bar fiel hinter ihnen zu, und der Wirt, der seine Gläser poliert und ihnen dabei neugierig nachgesehen hatte, verschwand aus ihrem Blickfeld. Selevan Penrule rief seinem Freund noch nach: »Sei vorsichtig, Kumpel.« Dann waren sie allein und ungestört.

Mit plötzlich veränderter Stimme nicht nur anders als noch vor einem Augenblick, sondern auch verändert gegenüber der Stimme, die er bei jeder ihrer früheren Begegnungen gehabt hatte, sagte Jago Reeth: »Ich fürchte, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Nehmen Sie mich fest, Inspector?«

»Sollte ich das?«, konterte Bea. »Und danke, dass Sie das Theaterspielen eingestellt haben.«

»Bitte, Inspector. Halten Sie mich nicht für einen Dummkopf. Sie werden feststellen, dass ich meine Rechte besser kenne als die meisten. Man könnte tatsächlich sagen, ich habe meine Rechte eingehend studiert. Sie können mich also festnehmen, wenn Sie möchten, und beten, dass Sie genug in der Hand haben, um mich für sechs Stunden festzuhalten. Oder maximal neun, da Sie die Überprüfung erst nach den sechs Stunden vornehmen würden, richtig? Aber danach… Welcher Superintendent der Welt würde eine Befragung von vierundzwanzig Stunden genehmigen nach dem, was Ihre Ermittlungen bislang erbracht haben? Sie müssen sich also entscheiden, was Sie von mir wollen: Wenn Sie eine Unterhaltung wünschen, dann muss ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass solch eine Unterhaltung nicht in einem geschlossenen Raum stattfinden wird. Wenn Sie mich hingegen einsperren wollen, muss ich auf der Anwesenheit eines Anwalts bestehen. Und ich würde vermutlich von meinem obersten Recht Gebrauch machen, das so viele derer vergessen, die hilfsbereit sein wollen.«

»Und das wäre?«

»Bitte stellen Sie sich nicht dumm. Sie wissen so gut wie ich, dass ich kein weiteres Wort zu Ihnen sagen müsste…«

»Ganz gleich wie das aussähe?«

»Offen gestanden, mir ist vollkommen egal, wie das aussähe. Also, was ziehen Sie und Ihre Assistentin hier vor? Eine offene Aussprache oder meinen wohlwollenden, aber schweigenden Blick auf Sie, den Fußboden oder die Wand des Verhörzimmers gerichtet? Und wenn es die Aussprache sein soll, werde ich bestimmen, wo sie stattfindet, nicht Sie.«

»Sie scheinen sich Ihrer selbst sehr sicher, Mr. Reeth. Oder soll ich Sie Mr. Parsons nennen?«

»Sie dürfen mich nennen, wie Sie wollen, Inspector.« Er rieb sich die Hände wie jemand, der sie nach dem Backen von Mehl oder nach der Gartenarbeit von überschüssiger Erde befreite. »Also. Was soll es sein?«

Wenigstens hatte sie die Antwort auf die Frage, ob unwissend oder gerissen, dachte Bea. »Wie Sie wünschen, Mr. Reeth. Sollen wir hier im Hotel nach einem separaten Raum fragen?«

»Ich weiß einen besseren Ort«, erwiderte er. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen, ich muss noch meine Jacke holen. Die Bar hat übrigens einen zweiten Ausgang, falls Sie also befürchten sollten, dass ich davonlaufen könnte, sollten Sie mitkommen.«

Bea nickte Sergeant Havers zu. Diese schien nur zu gewillt, sich an Jago Reeths Fersen zu heften. Die beiden verschwanden für den kurzen Moment, den er brauchte, um seine Sachen zu holen und seinem Freund in der Kaminecke zu sagen, was immer er für angebracht hielt. Dann kamen sie zurück, und Jago führte sie ins Freie. Sie werden das Auto nehmen müssen, um dorthinzugelangen, sagte er und fragte, ob eine der Beamtinnen ein Handy bei sich trage. Die Frage war ausgenommen höflich formuliert. Er schien genau zu wissen, dass sie Handys hatten. Sicher würde er als Nächstes verlangen, dass sie die Handys zurückließen, vermutete Bea, was unter keinen Umständen infrage kam. Aber dann äußerte er eine unerwartete Bitte.

»Ich hätte Mr. Kerne gerne dabei.«