Das Schwein biss gern in die Hand, die sich ihm entgegenstreckte; also ließ Daidre Vorsicht walten. Und sie schaute sich im Hof um, um zu sehen, ob jemand sie beobachtete. Es konnte nicht schaden, wachsam zu sein. Aber es war weit und breit niemand in Sicht was auch nicht weiter verwunderlich war, denn der Tag neigte sich unübersehbar dem Ende zu, und die Farmarbeiter waren längst nach Hause gegangen.
»Das sieht perfekt aus«, versicherte sie dem Schwein, und dann durchquerte sie den Hof und gelangte durch einen Torbogen in einen kleinen, regendurchtränkten Gemüsegarten. Hier folgte sie einem Ziegelpfad uneben, überwuchert und voller Pfützen zu einem gepflegten weißen Cottage. Klassische Gitarrenklänge empfingen sie. Aldara übte also. Das war gut, denn es bedeutete, dass sie höchstwahrscheinlich allein war.
Das Spiel verstummte augenblicklich, als Daidre an der Tür klopfte. Eilige Schritte näherten sich auf dem Dielenboden im Innern.
»Daidre! Was in aller Welt…?« Aldara Pappas wurde durch das Licht aus dem Cottage von hinten angestrahlt, sodass Daidre ihr Gesicht kaum erkennen konnte. Aber sie wusste: Trotz des Tonfalls drückten die großen, dunklen Augen vermutlich eher Neugier als Erstaunen aus.
Aldara trat von der Tür zurück. »Komm rein! Schön, dass du da bist. Was für eine wunderbare Überraschung, dass du kommst, um mir den langweiligen Abend zu versüßen. Warum hast du mich nicht von Bristol aus angerufen? Bleibst du länger hier?«
»Es war eine spontane Entscheidung.«
Im Cottage war es warm, so wie Aldara es gernhatte. Die Wände waren weiß gestrichen und mit farbenfrohen Gemälden behängt, die schroffe, karge Landschaften zeigten, durchbrochen von Ansammlungen kleiner, ziegelrot gedeckter weißer Häuschen mit Blumenkästen vor den Fenstern, in denen die Blütenpracht geradezu zu explodieren schien. Esel standen duldsam im Schatten der Häuser, und braunäugige Kinder spielten vor den Türen.
Aldaras Mobiliar hingegen war schlicht und spärlich. Doch die wenigen Sitzgelegenheiten waren in leuchtendem Blau und Gold bezogen, und ein roter Teppich bedeckte einen Teil des Holzbodens. Nur die Geckos fehlten, deren winzige Körper sich an jedwede Oberfläche schmiegten, wo ihre Saugnapffüße Halt finden konnten.
Auf dem Sofatisch standen eine Obstschale und ein Teller mit gebratenen Paprikaschoten, Oliven und Käse zweifellos Feta. Eine Flasche Rotwein wartete darauf, geöffnet zu werden. Zwei Weingläser, zwei Servietten, zwei Teller und zwei Gabeln waren mit Sorgfalt arrangiert. Sie straften Aldara Lügen. Daidre sah zu ihr hinüber und zog eine Braue in die Höhe.
»Nur eine kleine Höflichkeitslüge.« Aldara zeigte wie üblich nicht das geringste Anzeichen von Scham, dass sie überführt worden war. »Wärst du hereingekommen und hättest das hier gesehen, hättest du dich unwillkommen gefühlt, oder? Aber du bist in meinem Haus immer willkommen.«
»So wie heute Abend offenbar auch noch jemand anderes.«
»Du bist viel wichtiger als jemand anderes.« Als wolle sie ihrer Behauptung Nachdruck verleihen, ging Aldara zum Kamin, wo Holz aufgeschichtet war und Streichhölzer bereitlagen. Sie riss eines an der Unterseite des Kaminsimses an und hielt die Flamme in das zusammengedrückte Papier unter dem Holz. Es war Apfelholz, das nach dem Rückschnitt der Bäume für diesen Zweck aufgehoben und getrocknet worden war.
Aldaras Bewegungen waren sinnlich, aber nicht einstudiert. Daidre hatte schon lange erkannt, dass Aldara sinnlich war, weil sie eben einfach Aldara war. »Es liegt mir im Blut«, hatte sie einmal lachend erklärt, als bedeutete Griechin zu sein automatisch, verführerisch zu sein. Aber es lag nicht allein in ihrem Blut. Ihre Ausstrahlung kam von ihrer Selbstsicherheit, Intelligenz und der völligen Furchtlosigkeit. Diese letzte Eigenschaft bewunderte Daidre am meisten an dieser Frau abgesehen von ihrer Schönheit. Denn Aldara war fünfundvierzig, sah jedoch zehn Jahre jünger aus. Daidre war einunddreißig, aber nicht der südländische Typ wie ihre Freundin, und sie wusste, dass ihr in vierzehn Jahren solch ein Glück ganz sicher nicht beschieden sein würde.
Sobald das Feuer brannte, öffnete Aldara die Weinflasche, als wollte sie damit unterstreichen, dass Daidre ebenso geschätzt und wichtig war wie der Gast, den sie tatsächlich erwartete. Sie schenkte ihnen beiden ein und bemerkte: »Er wird ein bisschen beißen. Nicht wie dieses weiche französische Gesöff. Du weißt, ich schätze Weine, die den Gaumen herausfordern. Iss ein bisschen Käse dazu, sonst wird der Wein dir vermutlich den Zahnschmelz wegätzen.«
Sie streckte ihr ein Glas entgegen und griff mit der anderen Hand nach einem Stück Käse, das sie sich in den Mund warf. Dann leckte sie sich langsam über die Finger und zwinkerte Daidre zu, als wollte sie sich über sich selbst lustig machen. »Köstlich«, erklärte sie. »Mama hat ihn aus London geschickt.«
»Wie geht es ihr?«
»Sie ist immer noch auf der Suche nach jemanden, den sie mit Stackmos' Ermordung beauftragen kann. Niemand kann eine solche Wut entwickeln wie meine Mama, und dabei ist sie schon siebenundsechzig! Neulich sagt sie zu mir: "Feigen. Ich schicke diesem Teufel Feigen. Denkst du, er wird sie essen, Aldara? Ich fülle sie mit Arsen. Was hältst du davon?" Ich sage ihr immer, sie soll ihn einfach vergessen, so wie ich es getan habe. Verschwende deine Energie nicht auf diesen Mann", sage ich ihr. "Es sind jetzt neun Jahre, Mama, und das ist lange genug, um jemandem die Pest an den Hals zu wünschen." Und dann sagt sie, als hätte sie mich überhaupt nicht gehört: "Ich schicke deine Brüder hin, um ihn umzubringen." Und dann verflucht sie ihn ausgiebig auf Griechisch, und ich muss das natürlich alles bezahlen, denn ich bin ja diejenige, die sie anruft. Viermal pro Woche, wie man es von der pflichtschuldigen Tochter, die ich seit jeher bin, erwarten kann. Und wenn sie fertig ist, sage ich ihr, sie möge wenigstens Nikko schicken, wenn sie wirklich die Absicht hat, Stamos umbringen zu lassen, denn Nikko ist der Einzige meiner Brüder, der einigermaßen mit einem Messer und einer Schusswaffe umgehen kann. Und dann lacht sie. Sie fängt mit einer Geschichte über eines von Nikkos Kindern an, und damit ist die Sache erledigt.«
Daidre lächelte. Aldara ließ sich aufs Sofa fallen, streifte die Schuhe ab und schlug die Beine unter. Sie trug ein mahagonifarbenes Kleid mit spitzenbesetztem Saum und einem großzügigen V-Ausschnitt. Es war ärmellos, und der Stoff schien eher für den kretischen Sommer geeignet als für den Frühling in Cornwall. Kein Wunder, dass der Raum so überheizt war.
Wie angewiesen, kostete Daidre Wein und Käse. Aldara hatte recht: Der Wein war sauer.
»Sie ist von jetzt auf gleich alt geworden«, fuhr Aldara fort. »Du kennst ja die Griechen.«
»Um ehrlich zu sein, bist du die einzige Griechin, die ich kenne«, bekannte Daidre.
»Das ist schade. Aber griechische Frauen sind wesentlich interessanter als griechische Männer, also hast du mit mir ohnehin das richtige Los gezogen. Aber du bist nicht wegen Stamos gekommen, oder? Ich meine Stamos, das tierische Schwein, nicht Stamos, das menschliche Schwein.«
»Ich habe bei ihm vorbeigeschaut. Seine Ohren sind wieder frei.«
»Natürlich. Ich hab schließlich getan, was du gesagt hast. Er ist fit wie ein Turnschuh. Er will eine Freundin, aber das Letzte, was ich derzeit brauchen kann, sind Dutzende kleiner Ferkel zwischen den Füßen. Du hast mir übrigens nicht geantwortet.«
»Nein?«
»Nein. Ich freue mich wie immer, dich zu sehen, aber irgendetwas in deinem Gesichtsausdruck verrät mir, dass du aus einem bestimmten Grund gekommen bist.« Sie griff nach einem weiteren Stück Käse.
»Wen erwartest du?«, fragte Daidre.
Aldaras Hand mit dem Käse verharrte in der Bewegung. Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte Daidre. »So eine Frage sieht dir überhaupt nicht ähnlich«, sagte sie schließlich.
»Tut mir leid. Aber…«
»Was?«