Выбрать главу

Um von ihrer Partnersuche abzulenken, hatte sie angefangen, über die Vorteile zu sprechen, die eine Einsatzzentrale in Casvelyn böte. Mit Bodmin wäre natürlich wesentlich weniger Aufwand verbunden. Aber Bodmin war eben auch meilenweit von Casvelyn entfernt, und nur schmale, gewundene Landsträßchen, auf denen man so gut wie nicht von der Stelle kam, verbanden die beiden Orte miteinander. Bea brauchte eine Einsatzzentrale, die näher am Tatort lag.

»Du weißt doch nicht einmal, ob es sich um einen Tatort handelt«, gab er zu bedenken. »Vielleicht war es wirklich nur ein tragischer Unfall. Was um aller Welt lässt dich annehmen, dass es ein Verbrechen war? Doch nicht etwa eines deiner Gefühle?«

Sie wollte schon erwidern: Ich habe keine Gefühle, wie du vielleicht noch weißt aber sie hielt sich zurück. Im Laufe der Jahre war sie ein wenig besser darin geworden, die Dinge loszulassen, über die sie keine Kontrolle hatte. Und die Meinung, die ihr Exmann sich von ihr machte, gehörte dazu.

»Die Blessuren. Der Junge hatte ein blaues Auge, das schon am Abheilen war. Wahrscheinlich war er letzte Woche oder vielleicht noch früher in eine Schlägerei verwickelt. Und dann ist da noch diese Schlinge: dieses Netz, das Kletterer benutzen, um es um einen Baumstamm oder ein anderes unbewegliches Objekt zu schlingen.«

»Daher der Name«, murmelte Ray.

»Hab Nachsicht mit mir, Ray. Ich weiß absolut nichts über Klettersport.« Bea versuchte, sich nicht zur Unsachlichkeit hinreißen zu lassen.

»Tut mir leid.«

»Wie auch immer. Diese Schlinge ist gerissen, und deswegen ist er abgestürzt, aber sie könnte sehr wohl auch manipuliert worden sein. Constable McNulty, der übrigens keinerlei Zukunft in der Verbrechensaufklärung hat, hat darauf hingewiesen, dass ein Riss in der Schlinge mit Isolierband überklebt gewesen und es da ja kein Wunder wäre, dass der arme Junge abgeschmiert ist. Aber dieses Isolierband klebte an jedem einzelnen Teil seiner Ausrüstung, und ich gehe davon aus, dass er es einfach dazu benutzt hatte, seine Sachen zu markieren. Wenn das der Fall ist, wie schwierig wäre es dann gewesen, das Klebeband zu entfernen, die Schlinge auf welche Art auch immer zu sabotieren und das Band wieder anzubringen, ohne dass der Junge etwas davon bemerkte?«

»Hast du dir das restliche Equipment denn schon angesehen?«

»Es ist alles bei der Kriminaltechnik, aber ich kann mir schon vorstellen, was die mir sagen werden. Und das ist der Grund, warum ich hier eine Einsatzzentrale brauche.«

»Aber es muss doch nicht direkt in Casvelyn sein.«

Bea leerte ihren Kaffeebecher und stellte ihn zu der Schale in der Spüle — ein weiterer Vorteil am Leben ohne Ehemann: Wenn ihr nicht nach Abwasch zumute war, machte sie ihn eben auch nicht, nur um Rays zwanghafte Persönlichkeit zufriedenzustellen.

»Dort sind einfach alle Beteiligten, Ray: in Casvelyn, nicht in Bodmin, nicht einmal hier in Holsworthy. Und in Casvelyn gibt es eine Polizeidienststelle — klein, aber vollkommen ausreichend, mit einem Konferenzraum in der ersten Etage, der ebenfalls ausreichen würde.«

»Du hast dich schlaugemacht.«

»Ich versuche, es für dich einfacher zu machen. Ich liefere dir Argumente, um meinen Antrag zu unterstützen. Ich weiß, dass du das kannst.«

Er betrachtete sie. Sie vermied es, ihrerseits das Gleiche mit ihm zu tun. Ray war attraktiv. Sein Haar wurde allmählich ein bisschen dünn, aber das störte nicht weiter. Sie wollte ihn lieber erst gar nicht mit  MotorMaulWichser und all den anderen vergleichen. Er sollte einfach kooperieren oder verschwinden. Oder noch besser: kooperieren und verschwinden.

»Und wenn ich das für dich arrangiere, Beatrice?«, fragte er schließlich.

»Was dann?«

»Was kriege ich dafür?« Er streifte den Kalender mit einem schnellen Blick. »ProblemBärWichser«, las er vor. »MotorMaulWichser. Komm schon, Beatrice!«

»Danke, dass du Petes Fußballschuhe vorbeigebracht hast«, antwortete sie. »Hast du ausgetrunken?«

Er ließ einen Moment verstreichen. Dann nahm er den letzten Schluck, streckte ihr den Becher hin und sagte: »Es muss doch preiswertere Schuhe gegeben haben.«

»Er hat einen teuren Geschmack. Da fällt mir ein, wie läuft der Porsche?«

»Der Porsche ist ein Traum«, erwiderte er.

»Ein Porsche ist ein Auto«, rief sie ihm in Erinnerung. Sie hob die Hand, um seine Einwände abzuwehren. »Was mich zum Auto des Opfers bringt.«

»Was soll damit sein?«

»Was fällt dir zu einer ungeöffneten Schachtel Kondome im Wagen eines Achtzehnjährigen ein?«

»Ist das eine rhetorische Frage?«

»Die Schachtel war in seinem Auto. Zusammen mit einer Bluegrass-CD, einem Blanko-Rechnungsformular einer Firma namens LiquidEarth und einem zusammengerollten Poster von einem Musikfestival in Cheltenham letztes Jahr. Und zwei eselsohrigen Surfzeitschriften. Das werde ich alles genau unter die Lupe nehmen bis auf die Kondome…«

»Na, Gott sei Dank«, entgegnete Ray grinsend.

»… und ich frage mich, ob er anschließend noch eine Verabredung hatte oder vielleicht auch nur hoffte, später noch ein Mädchen abzuschleppen.«

»Oder sich vielleicht nur wie ein ganz normaler Achtzehnjähriger verhielt«, warf Ray ein. »Ich wünschte, alle Jungen in dem Alter wären für den Fall der Fälle mit Kondomen ausgerüstet. Was war mit Lynley?«

»Kondome? Lynley? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«

»Wie war euer Gespräch?«

»Man kann kaum erwarten, dass er sich durch die Anwesenheit einer Polizistin einschüchtern lässt, also würde ich sagen, das Gespräch verlief zufriedenstellend. Ganz gleich wie ich die Fragen gestellt habe, seine Antworten hatten Hand und Fuß. Ich glaube, er sagt die Wahrheit.«

»Aber…?«, hackte Ray nach. Er kannte sie viel zu gut, ihren Tonfall und den Ausdruck, den sie offenbar vergebens von ihrem Gesicht fernzuhalten versuchte.

»Die andere Zeugin macht mir Sorgen.«

»Ah, die Frau im Cottage. Wie hieß sie doch gleich?«

»Daidre Trahair. Veterinärin aus Bristol.«

»Und was genau macht dir Sorgen an der Veterinärin aus Bristol?«

»Ich hab ein Gespür für solche Sachen.«

»Das weiß ich nur zu gut. Und was sagt dein Gespür dir dieses Mal?«

»Dass sie an irgendeinem Punkt gelogen hat. Ich will wissen, wo genau.«

Daidre parkte ihren Vauxhall ordentlich an der stadtzugewandten Seite des Parkplatzes am St. Mevan Crescent, der in einer langen Kurve am alten King-George-Hotel vorbei zum St. Mevan Beach hinab verlief. Jenseits des Hotels stand eine Reihe baufälliger blauer Strandhütten. Als sie Thomas Lynley am unteren Ende der Belle Vue Lane abgesetzt und ihm den Weg zu den Geschäften gewiesen hatte, hatten sie sich auf zwei Stunden verständigt.

»Ich hoffe, ich mache Ihnen nicht zu viele Umstände«, hatte er ein wenig verlegen gesagt.

Keineswegs, hatte sie versichert. Sie habe selber allerhand in der Stadt zu erledigen. Er solle sich Zeit lassen und all das kaufen, was er benötigte.

Zuerst hatte er gegen diesen Vorschlag protestiert, als sie ihn am Salthouse Inn abgeholt hatte. Obwohl er wesentlich besser duftete als am Tag zuvor, trug er immer noch den grässlichen Overall und hatte nichts als Socken an den Füßen. Diese hatte er in weiser Voraussicht ausgezogen, ehe er den schlammigen Pfad zu ihrem Wagen eingeschlagen hatte, und als sie ihm zweihundert Pfund aufzwingen wollte, hatte er versucht, ihr weiszumachen, die Anschaffung neuer Kleidung könnte warten.