Выбрать главу

»Lassen Sie mich wissen, was Sie sonst noch herausbekommen«, bat sie Duke Clarence Washoe. »An diesem Auto muss sich doch irgendetwas finden lassen, was uns weiterhilft.«

»Wir haben ein paar Haare an der Kletterausrüstung gefunden. Vielleicht sind die ja brauchbar.«

»Mit Gewebe daran?«, fragte sie hoffnungsvoll.

»Allerdings.«

»Dann verwahren Sie sie gut! Weiter so, Mr. Washoe!«

»Duke Clarence«, erinnerte er sie.

»Ach, richtig. Das hatte ich ganz vergessen.« Und damit legte sie auf.

Sie ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen und sah Constable McNulty auf der anderen Seite des Raums einen Augenblick lang wie hypnotisiert dabei zu, wie er seinen Bericht tippte bis ihr auffiel, dass er überhaupt nicht tippen konnte. Mit dem Zeigefinger kreiste er suchend über den Tasten, sodass nach jedem Buchstaben großzügige Pausen entstanden. Sie wusste, wenn sie ihm länger als dreißig Sekunden zusah, würde sie anfangen müssen zu schreien, also erhob sie sich und ging zur Tür.

Dort kam Sergeant Collins auf sie zu. »Telefon…«

»Gott sei Dank! Wo sind sie?«

»Wer?«

»British Telecom.«

»British Telecom? Die sind noch nicht hier.«

»Aber was…«

»Telefon. Unten. Ein Anruf für Sie. Es ist ein Kollege aus…«

»Middlemore«, beendete sie den Satz für ihn. »Das ist mein Exmann. Assistant Chief Constable Hannaford. Wimmeln Sie ihn ab! Ich habe jetzt keine Zeit.« Sie nahm an, dass Ray es in der Zwischenzeit auf ihrem Handy versucht hatte, und jetzt kam er übers Festnetz. Er hatte reichlich Zeit gehabt, sich in Rage zu bringen, und dem wollte sie sich nicht unbedingt aussetzen. »Sagen Sie ihm, ich bin gerade in einer wichtigen Sache unterwegs«, bat sie. »Er soll mich morgen zurückrufen. Oder später zu Hause.« Das war sie ihm wohl schuldig.

»Es ist nicht ACC Hannaford«, wandte Collins ein.

»Sie sagten, ein Kollege…«

»Jemand namens Sir David…«

»Was ist bloß los mit den Menschen?«, seufzte Bea. »Ich habe gerade mit einem Duke Clarence oben in Chepstow telefoniert, und jetzt haben wir einen Sir David?«

»Hillier heißt er«, erklärte Collins. »Sir David Hillier. Assistant Commissioner bei Scotland Yard.«

»Scotland Yard?«, fragte Bea. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«

Als seine übliche Zeit für ein Gläschen im Salthouse Inn gekommen war, hatte Selevan Penrule es bitter nötig. Und er fand, er hatte es sich überdies verdient. Irgendetwas Starkes von den Sixteen Men of Tain oder wie viele es auch immer waren, die bei Glenmorangie den Whisky machten. Sich an einem einzigen Tag mit der Sturheit seiner Enkelin und der Hysterie seiner Schwiegertochter herumplagen zu müssen, hätte wohl jedem Kerl einiges abverlangt. Kein Wunder, dass David sie alle nach Rhodesien verfrachtet hatte. Er hatte sich wahrscheinlich gedacht, eine anständige Portion Hitze, Cholera, TB, Schlangen und Tsetsefliegen, was immer sie in diesem grauenhaften Klima auch haben mochten, würde die beiden schon zur Räson bringen. Aber nach Tammys Benehmen und Sally Joys Stimme am Telefon zu urteilen, war sein Plan nicht einmal ansatzweise aufgegangen.

»Isst sie denn vernünftig?«, hatte Sally Joy aus den Tiefen Afrikas gefragt, wo eine stabile Telefonverbindung anscheinend ähnlich wundersam gewesen wäre wie die spontane Verwandlung einer Katze in einen zweiköpfigen Löwen. »Betet sie immer noch, Vater Penrule?«

»Sie…«

»Hat sie endlich zugenommen? Wie viel Zeit verbringt sie auf den Knien? Was ist mit der Bibel? Hat sie eine Bibel?«

 Quatschender, latschender Jesus!, dachte Selevan und verdrehte die Augen. Sally Joy machte ihn schon ganz schwindelig. »Ich hab euch doch gesagt, ich pass auf sie auf. Und das tu ich. Sonst noch was?«

»Ja, ich bin eine Nervensäge. Ich weiß. Aber du ahnst ja nicht, wie es ist, eine Tochter zu haben.«

»Ich hatte eine, erinnerst du dich? Und vier Söhne, falls du's vergessen haben solltest.«

»Ich weiß. Ich weiß. Aber in Tammys Fall…«

»Entweder überlässt du sie mir, oder ich schicke sie euch zurück.«

Damit war er durchgedrungen. Das Letzte, was Sally Joy und David wünschten, war, ihre Tochter zurück in Afrika zu haben, all dem Elend ausgesetzt und in der Überzeugung, sie könnte allen Ernstes irgendetwas tun, um es zu lindern.

»In Ordnung. Schon verstanden. Du tust, was du kannst.«

Und ich mache meine Sache besser als ihr, dachte Selevan. Aber das war, bevor er Tammy auf Knien erwischt hatte. Sie hatte sich etwas gebaut, was er als Gebetsbank identifiziert hatte — sie bezeichnete es als ein Prie-Dingsbums, aber Selevan hielt nichts von derart hochgestochenen Ausdrücken. Es stand in ihrer winzigen Schlafecke im Caravan, und zuerst hatte er gedacht, sie wollte ihre Kleidung darüber hängen, so wie es Geschäftsreisende in schicken Hotels mit ihren Anzügen taten. Kurz nach dem Frühstück hatte er sich auf die Suche nach ihr begeben, um sie zur Arbeit zu fahren, und da hatte er sie vor dem Bänkchen kniend vorgefunden, vertieft in ein Buch, das aufgeschlagen auf dem schmalen Bord vor ihr lag. Zu spät hatte er gesehen, dass sie nur las, denn zuerst hatte er gedacht, das Mädchen wäre schon wieder mit irgendeinem vermaledeiten Rosenkranz zugange, und das, obwohl er Tammy schon zwei von den Dingern weggenommen hatte. Er hatte sie bei den Schultern gepackt und zurückgerissen. »Schluss mit dem Unsinn«, hatte er befohlen, und erst da hatte er das Buch gesehen.

Es war nicht einmal eine Bibel. Aber viel besser war es auch nicht. Sie studierte die Schriften irgendeiner Heiligen. »Die heilige Theresa von Avila«, eröffnete sie ihm. »Granddad, das ist Philosophie.«

»Wenn es das Geschreibsel irgendeiner Heiligen ist, ist es religiöser Quatsch«, hatte er erklärt und ihr das Buch aus den Händen gerissen. »Du stopfst dir den Kopf voll Unsinn.«

»Das ist nicht fair«, hatte sie erwidert, und ihre Augen waren feucht geworden.

Schweigend waren sie anschließend nach Casvelyn gefahren. Tammy hatte sich von ihm abgewandt, sodass alles, was er von ihr sehen konnte, ihre trotzige, schmale Kinnlinie war und ihr glanzloses Haar. Sie schniefte. Ihm war klar, dass sie weinte, und er fühlte… Er wusste nicht so recht, was er fühlte. Er verfluchte ihre Eltern, dass sie sie ihm geschickt hatten. Er versuchte doch nur, dem Mädchen zu helfen, es zu dem bisschen Verstand zu bringen, das es noch hatte, ihm klarzumachen, dass es sein Leben leben sollte, statt sich zu vergraben und immer nur über die Taten von Heiligen und Sündern zu lesen.

Es war Verärgerung, die er fühlte. Mit Trotz konnte er umgehen. Er konnte brüllen und streng sein. Aber Tränen…

»Das waren alles Lesben, weißt du das eigentlich?«

»Red doch kein dummes Zeug«, erwiderte sie leise und weinte noch ein bisschen heftiger.

Das erinnerte ihn an seine Tochter, Nan. An eine Autofahrt und Nan in genau dieser Position, abgewandt von ihm. »Es ist doch nur Exeter«, hatte sie gejammert. »Es ist nur eine Disco, Dad.« Und seine Antwort: »Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst, gibt es solchen Unfug nicht. Also wisch dir die Tränen weg, oder es setzt was.«

War er wirklich so streng mit ihr gewesen, wo sie doch einzig und allein mit ihren Freundinnen hatte ausgehen wollen? Doch, das war er. Das hatte er sein müssen. Denn damit fing es immer an: ein Zug um die Häuser mit ein paar Freundinnen, und es endete in Schande.

All das kam ihm jetzt so unschuldig vor. Was hatte er sich nur dabei gedacht, Nan ein paar Stunden Spaß zu verwehren, nur weil er selbst keinen gehabt hatte, als er jung gewesen war?

Der Tag schleppte sich unerträglich langsam dahin, und Selevans Stimmungsbarometer fiel auf ein Rekordtief. Er war mehr als bereit für die sechzehn Männer von Tain, als endlich die Zeit kam, da er für gewöhnlich im Salthouse Inn einkehrte. Ebenso bereit war er für eine unkomplizierte Unterhaltung unter Männern, und genau die gedachte er mit seinem üblichen Trinkgefährten zu führen, der in der verräucherten Kaminecke im Schankraum des Salthouse Inn schon auf ihn wartete, als er am späten Nachmittag dort eintraf.