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»Hängt vom Wetter ab«, antwortete Jago. »Manchmal so hoch wie… ein Bürohaus. Oder noch höher.«

»Wo? Wann?« Und als Entschuldigung fügte er, an Bea gewandt, hinzu: »Will ich auch mal sehen, wissen Sie. Mit meiner Frau und den Kindern… ist ein Traum… Und wenn wir fahren, will ich sicher sein, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, verstehen Sie…«

»Ach, Sie surfen?«, fragte Jago.

»Bisschen. Nicht so wie ihr hier. Aber ich…«

»Das reicht, Constable«, beschied Bea.

Er wirkte kreuzunglücklich, als hätte sie ihn einer einmaligen Gelegenheit beraubt. »Ich wollte doch nur wissen…«

»Wo können wir Ihre Tochter finden?«, fragte sie Angarrack und brachte McNulty mit einer ungeduldigen Geste endgültig zum Schweigen.

Lew leerte seinen Becher und stellte ihn zurück auf den Klapptisch. »Was wollen Sie von Madlyn?«, fragte er.

»Ich denke, das liegt auf der Hand.«

»Das finde ich nicht.«

»Sie ist Santo Kernes Exfreundin, Mr. Angarrack. Sie muss wie jeder andere auch befragt werden.«

Es war offensichtlich, dass Lew Angarrack die Richtung nicht behagte, in die Bea ermittelte, aber er verriet ihr nichtsdestotrotz, wo seine Tochter arbeitete. Bea gab ihm ihre Karte und kreiste ihre Handynummer ein. Falls ihm noch irgendetwas einfalle…

Er nickte, kehrte an seine Arbeit zurück und schloss die Tür zu seinem Werkraum hinter sich. Sekunden später war erneut das Heulen der Schleifmaschine zu hören.

Jago Reeth blieb bei Bea und dem Constable. Nach einem Blick über die Schulter sagte er: »Eine Sache noch… Mir liegt was auf der Seele, also, wenn Sie noch einen Moment Zeit hätten…« Und auf Beas Nicken hin fuhr er fort: »Ich wär dankbar, wenn Lew das nicht erfährt, versteh'n Sie? Er wär stinksauer, wenn er's wüsste.«

»Worum geht es denn?«

Jago verlagerte nervös das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Ich hab's ihnen ermöglicht. Ich weiß, ich hätte das vermutlich nicht tun sollen. Nachher war mir das klar, aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Da konnt' ich's ja nicht mehr rausfischen…«

»So sehr ich Ihren virtuosen Umgang mit der Metapher auch bewundere, aber könnten Sie bitte etwas deutlicher werden?«, fragte Bea.

»Santo und Madlyn. Ich gehe fast jeden Nachmittag ins Salthouse Inn. Treff mich da mit 'nem Bekannten. Santo und Madlyn sind dann immer zu mir gegangen.«

»Um Sex zu haben?«

Er schien nicht gerade glücklich darüber, das einräumen zu müssen. »Ich hätte es ihnen selbst überlassen können, sich was zu suchen, aber es schien… Ich wollte, dass sie einen sicheren Ort haben, versteh'n Sie? Nicht irgendwo auf dem Rücksitz eines Autos. Nicht in… Was weiß ich.«

»Wenn man allerdings bedenkt, dass seinem Vater ein Hotel gehört…«, entgegnete Bea.

Jago fuhr sich mit dem Unterarm über den Mund. »Ja sicher. Schön. Sie hätten vielleicht eines der Zimmer im King George nehmen können. Aber das hieß ja nicht… Die beiden… Ich wollte nur… Oh, Mist. Wie hätte ich denn sonst sicher sein können, dass er benutzt, was er benutzen musste, um das Mädchen nicht in Gefahr zu bringen? Also hab ich sie für ihn liegen lassen. Gleich neben dem Bett.«

»Kondome.«

Er schien ein bisschen verlegen — ein alter Knabe, der eine so unverblümte Unterhaltung mit einer Frau führte, die er unter anderen Umständen vielleicht eine Dame genannt hätte. Eine Vertreterin des schönen Geschlechts, dachte Bea. Sie las diesen Gedanken in seinem Gesichtsausdruck.

»Er hat sie benutzt, aber nicht jedes Mal, versteh'n Sie?«

»Und woher wussten Sie, wann er sie benutzt hatte?«, bohrte Bea weiter.

Er wirkte aufrichtig entsetzt. »Du lieber Gott, Inspector!«

»Ich bin nicht sicher, ob Gott hiermit irgendetwas zu tun hat, Mr. Reeth. Wenn Sie mir bitte die Frage beantworten würden. Haben Sie die Kondome vorher und nachher gezählt? Im Müll nachgeschaut? Was?«

Seine Miene verriet sein Unbehagen. »Beides«, gestand er. »Verflucht noch mal, ich hab dieses Mädchen gern! Sie hat ein gutes Herz. Vielleicht geh'n ihr manchmal die Gäule durch, aber sie hat ein gutes Herz. Ich hab mir gedacht, es passiert sowieso mit den beiden, also kann ich auch dafür sorgen, dass es eine gute Erfahrung für sie wird.«

»Und wo wäre das? Ihr Haus, meine ich?«

»Ich wohne in einem Caravan drüben in Sea Dreams.«

Bea warf Constable McNulty einen Blick zu, und er nickte. Er wusste, wo das war. Gut.

»Möglicherweise werden wir ihn uns anschauen wollen«, sagte sie.

»Hab ich mir schon gedacht.« Jago schüttelte den Kopf. »Junge Leute. Wer denkt denn schon an die Folgen, wenn man jung ist?«

»Tja. Nun ja. Wer denkt im Eifer des Gefechts an die Folgen?«, wiederholte Bea.

»Manchmal sind es ja nicht einfach nur Folgen. Ich meine, sehen Sie sich das da an.« Er sprach jetzt anscheinend von einem der Poster an der Wand. Es zeigte ein Surfboard, das in die Luft schoss. Der Surfer hing wie gekreuzigt inmitten eines einzigartigen, monströsen Wipeouts in der Luft, vor dem Hintergrund einer massiven Wasserwand. »Sie denken nicht über den Moment selbst nach, geschweige denn über die Folgen… dieses Moments. Und dann passiert so was.«

»Wer ist das?«, fragte McNulty und trat näher an das Poster heran.

»Ein Kerl namens Mark Foo. Eine Minute wenn überhaupt vor seinem Tod.«

McNultys Mund formte ein ehrfürchtiges »Oh«, und er wollte schon antworten. Bea sah, dass er sich auf einen ausführlichen Surf-Plausch einrichtete, und sie konnte sich vorstellen, wohin das führen würde. »Das sieht ein bisschen gefährlicher aus als Klettern«, ging sie dazwischen. »Vielleicht hatte Santos Vater ja doch recht, seinem Sohn das Surfen ausreden zu wollen.«

»Und den Jungen von dem fernzuhalten, was er liebte? Was sollte daran richtig sein?«

»Vielleicht wollte er einfach nur sicherstellen, dass ihm nichts zustößt.«

»Hat ja prima geklappt«, wandte Jago Reeth ein und räusperte sich. »Vielleicht ist das eine Sache, die wir für andere einfach nicht sicherstellen können.«

Daidre Trahair bat darum, wieder den Internetzugang in Max Priestleys Büro in der Watchman-Redaktion benutzen zu dürfen, aber dieses Mal musste sie dafür bezahlen. Max verlangte allerdings kein Geld. Der Preis war ein Interview mit einem seiner Reporter. Steve Teller sei zufällig im Haus und arbeite an der Story über die Ermordung von Santo Kerne, erklärte er. Und sie, Daidre, sei das fehlende Puzzleteilchen. Das Verbrechen verlange nach einem Augenzeugenbericht.

»Ermordung?«, wiederholte Daidre, denn sie ahnte, dass dies die von ihr erwartete Reaktion war. Sie hatte den Leichnam gesehen und die Netzschlinge, was Max zwar nicht sicher wusste, aber womöglich vermutete.

»Die Cops haben uns heute Morgen informiert«, erklärte er. »Steve ist im Layout. Da ich den Computer im Moment selber brauche, kannst du dort mit ihm sprechen.«

Daidre glaubte nicht, dass Max seinen Computer gerade wirklich benötigte, aber sie erhob keine Einwände. Sie wollte mit der Sache nichts zu tun haben, wollte auch nicht, dass ihr Name, ihr Foto, die Lage ihres Cottages oder irgendwelche anderen persönlichen Informationen über sie in der Zeitung standen, aber sie sah keinen Weg, das zu verhindern, ohne Max' Argwohn zu wecken. Also willigte sie ein. Sie brauchte den Internetzugang, und hier hatte sie mehr Zeit und war ungestörter als an dem einzigen Computerarbeitsplatz in der Bücherei. Sie gestand sich ein, in dieser Hinsicht fast schon paranoid zu sein, aber ihrer Verfolgungsangst nachzugeben, schien ihr die klügste Vorgehensweise zu sein.

Sie begleitete Max also ins Layout und nutzte die Gelegenheit, ihm einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. Sie wollte ergründen, was sich hinter seiner gelassenen Miene verbarg. Genau wie sie ging auch er gern auf dem Küstenpfad spazieren. Mehr als einmal war sie ihm auf dieser oder jener Klippe begegnet, der Hund seine einzige Begleitung. Beim vierten oder fünften Mal hatten sie darüber gewitzelt und vereinbart: »Wir sollten uns auch mal woanders treffen.« Und sie hatte ihn gefragt, warum er so oft die Küste entlangwanderte. Er hatte geantwortet, Lily habe Spaß daran, und er selbst sei gern allein. »Einzelkind«, hatte er erklärt. »Ich bin das Alleinsein gewöhnt.« Aber sie hatte nie geglaubt, dass das die ganze Wahrheit war.