Runei sagte nichts.
„Unsere Informationen über die Meeresbewohner sind nicht sehr reichhaltig“, fuhr Hauksberg fort, „und natürlich werden wir nicht gleich mit dem kindlichen Vertrauen unserer Verhandlungspartner rechnen können. Darum wäre es sehr hilfreich, wenn Sie den — wie sagten Sie — Sechspunkt von Zletovar drängen würden, daß er unsere Delegation empfängt und sie anhört.“
„Eine gemischte Kommission…“
„Noch nicht, Kommandant, noch nicht, bitte. Es wird sich um nichts als einleitende Gespräche handeln, Gespräche rein informeller Art.“
„Was Sie meinen“, sagte Runei unbewegt, „ist, daß Admiral Enriques keine Leute zu Verhandlungen schicken will, an denen Merseier teilnehmen.“
„Nein, nein. Nichts so Unfreundliches. Nichts als der Wunsch, Komplikationen zu vermeiden. Wir haben nichts dagegen, wenn Sie sich vom Seevolk über unsere Verhandlungen auf dem laufenden halten lassen. Aber wir müssen wissen, woran wir bei ihnen stehen; tatsächlich müssen wir sie viel besser kennenlernen, bevor wir vernünftige Lösungsvorschläge machen können. Und Sie weigern sich bedauerlicherweise, uns in Ihre Unterlagen Einblick zu gewähren.“
„Ich bin an meine Befehle gebunden“, sagte Runei.
„Gewiß. Auf beiden Seiten wird man die Politik ändern müssen, wenn man eine nennenswerte Zusammenarbeit anstrebt oder sogar gemischte Kommissionen einrichten will. Das ist ein grundsätzliches Problem, und es gehört zu den Gründen meiner Reise nach Merseia. Keine der beiden Regierungen kann diesen Konflikt über Nacht aus der Welt schaffen. Aber wir können einen Anfang machen, Sie und wir. Wir halten das Landvolk zurück, Sie das Seevolk. Bis auf weiteres werden in der Zletovarsee und dem dazugehörigen Luftraum keine militärischen Operationen durchgeführt. Ich bin überzeugt, daß soviel in Ihrer Macht steht.“
„Richtig“, erwiderte Runei. „Aber die Eingeborenen könnten anderer Meinung sein. Wenn eine der beiden Parteien sich für militärische Aktionen entscheidet, bin ich dem Seevolk zur Hilfeleistung verpflichtet.“
Hauksberg betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. Er mußte von der Annahme ausgehen, daß der andere es ehrlich meinte, daß auch er eine friedliche Regelung suchte, bevor die Entwicklung beiden Parteien aus der Hand geriet und Eigengesetzlichkeit gewann. Er mußte das annehmen. Andernfalls, so gestand er sich ein, täte er besser daran, nach Hause zu fahren und bei der Vorbereitung eines interstellaren Krieges zu helfen.
„Sie bekommen diese Vorschläge schriftlich in Form eines offiziellen Memorandums“, sagte er. „Dies sollte nur ein Vorgespräch sein. Aber ich werde selbst hierbleiben, bis sich übersehen läßt, welche Aufnahme unsere Friedensfühler finden und wie sich die Kontakte entwickeln werden. Rufen Sie mich jederzeit an, wenn es Ihnen nützlich oder wichtig erscheint.“
„Ich danke Ihnen. Guten Tag, Graf Hauksberg.“
„Guten Tag, Fodaich.“
Auf dem Bildschirm wurde es dunkel. Hauksberg zündete sich eine Zigarette an. Was nun? Nun kannst du sitzen und warten, mein Junge. Du kannst Meldungen sammeln, Interviews geben, Inspektionsrundgänge machen und diese ebenso einseitigen wie dickschädeligen Militaristen ärgern, die dich für einen Störenfried und Schnüffler halten. Du wirst manch leere Stunde erleben. Kein Amüsement hier, und ein scheußliches Klima. Gut, daß du so vorausschauend warst, Persis mitzunehmen.
Er stand auf und schlenderte aus dem Büro ins Wohnzimmer. Sie sah sich wieder einmal den alten Fernsehfilm „Undine“ an. Armes Mädchen. Die hiesige Bibliothek hatte keine große Auswahl. Er setzte sich auf die Armlehne ihres Sessels und legte ihr seine Hand auf die Schulter. Persis trug eine ausgeschnittene ärmellose Bluse, und ihre Haut fühlte sich glatt und warm an. Er roch den Veilchenduft ihres Parfüms.
„Hast du den Streifen noch nicht satt?“ fragte er.
„Nein.“ Sie wendete ihre Augen nicht vom Gerät ab. „Aber manchmal wünschte ich, es wäre so.“
„Warum?“
„Er ängstigt mich. Er erinnert mich daran, wie weit wir von der Heimat entfernt sind. Wie fremdartig alles ist… Und wir reisen noch weiter.“
„Nun, nun“, murmelte er und strich ihr über die Haare. „Du wirst Gesellschaft haben.“
„Deinen Stab. Deine Diener. Routiniers, Jasager, Karrieristen, die ihre Zukunft auf Schienen ausgelegt haben. Mir bedeuten sie nichts, und ich kann sie nicht mehr sehen.“
„Du hast mich“, sagte er.
Sie lächelte pflichtschuldigst. „Deine Gesellschaft akzeptiere ich. Aber du bist so oft beschäftigt.“
„Wir werden zwei oder drei Marineleute mitnehmen, vielleicht interessieren dich die. Es sind andere Typen als unsere Juristen und Wirtschaftsexperten, rauher, männlicher und so.“
Ihre Miene hellte sich weiter auf. „Wer ist es?“
„Nun, Oberst Abrams und ich haben uns unterhalten, und auf einmal schlug er sich selbst für die Reise vor, als unser Experte für das Seevolk. Ich konnte schlecht nein sagen, denn wir brauchen einen. Ridenour wäre mir natürlich lieber gewesen; er ist Wissenschaftler und eine Autorität auf dem Gebiet, wenn wir überhaupt eine haben, aber er ist hier nicht abkömmlich und will auch nicht weg.“ Hauksberg inhalierte den Rauch und stieß ihn mit einem Seufzer aus. „Abrams würde seinen Posten natürlich nicht verlassen, wenn er hier keine Chance sähe, Informationen zu sammeln, die er auf Starkad nicht bekommt. Sein auf Wühlarbeit gerichteter Ehrgeiz könnte unsere Mission kompromittieren. Ich weiß immer noch nicht, in was ich mich da habe hineinmanövrieren lassen.“
„Der alte Bär und dich manipulieren?“ Persis kicherte.
„Ein schlauer Bär. Und rücksichtslos. Beinahe fanatisch. Der Mann geht über Leichen, laß es dir gesagt sein. Und er will den Krieg, was immer er sich davon versprechen mag. Aber er kann auch nützlich sein, und wenn er mit uns geht, wird er keine Gelegenheit haben, hier auf Starkad querzuschießen. Ich behalte ihn im Auge. Vermutlich wird er einen oder zwei von seinen Helfern mitbringen. Wie wäre es mit einem hübschen jungen Offizier, hm?“
„Du bist mir hübsch und jung genug, Markus.“ Persis rieb ihren Kopf an ihm.
Hauksberg drückte seine Zigarette aus. „Und so sehr beschäftigt bin ich auch nicht.“
Der Tag war bedeckt und windig, mit Schaumkronen auf der schiefergrauen See. Der Wind kreischte in der Takelage. Die „Archer“ stampfte in den schweren Heckseen. Ihre hölzernen Spanten, Planken und Masten ächzten und knarrten, daß Flandry an das Gejammer verdammter Seelen denken mußte. Achteraus lagen die drei Begleitschiffe im Kampf mit den Wellen. Dragoikas Schiff beförderte nur einen großen Wassertank und eine Handvoll Menschen. Sie und ihre Mannschaft sahen mit gemischten Gefühlen zu, wie Ridenour, der für xenologische Forschung zuständige Wissenschaftler, an die Arbeit ging. Er war ein hagerer, leicht gebeugter Mann mit aschblondem Haar. Stockend sprach er in ein Mikrophon, und aus dem Verstärker dröhnten Geräusche, wie sie der Stimmblase eines Meeresbewohners entstammen mochten.
Der lange, dunkle Körper im Wassertank bewegte sich und öffnete die Lippen. Man hörte eine Antwort. Ridenour nickte. „Sehr gut“, sagte er. „Lassen wir ihn frei.“
Flandry half ihm beim Abnehmen der Plexiglashaube. Der Gefangene krümmte seinen Rücken. Mit einem mächtigen Schlag seiner Schwanzflossen sprang er aus dem Becken und in hohem Bogen über Bord. Wasser spritzte umher und durchnäßte die Männer. Ridenour trat an die Reling und blickte ihm nach.
„Wird er sich wieder blicken lassen?“ fragte Flandry.