„Denken Sie dabei an irgendwelche speziellen Probleme? Ich helfe Ihnen gern, wenn ich kann.“
„Sehr liebenswürdig von Ihnen. Ich möchte mich auf die Erwähnung eines typischen Punktes beschränken. Über den habe ich mir oft Gedanken gemacht, unsere Unterlagen durchsucht und unsere Xenologen wie auch die Einheimischen befragt, bin aber noch nicht auf eine Antwort gekommen. Wie ist Merseia auf Starkad gestoßen?“
Brechdans Haltung versteifte sich sichtbar. „Bei der Erforschung der Region“, sagte er kurz. „Von niemandem beanspruchter Raum ist für alle Schiffe frei.“
„Aber plötzlich waren Sie da und entfalteten rege Aktivität auf dem verwünschten Planeten. Wie ist es dazu gekommen, daß Sie sich für Starkad interessierten?“
„In früheren Zeiten haben Ihre Leute diese Region ziemlich oberflächlich erkundet“, erwiderte Brechdan gelassen. „Wir waren weniger auf kommerziellen Profit aus, dafür lag uns mehr an objektivem Wissen, also machten wir uns an die systematische Erforschung. Die Eintragung, die wir in Ihrem alten Pilotenhandbuch unter Saxo fanden, ließ Starkad einer eingehenden Untersuchung würdig erscheinen. Auch wir fühlen uns von Planeten mit freiem Sauerstoff und flüssigem Wasser angezogen, so unwohnlich sie sonst auch sein mögen. Wir fanden eine Situation vor, die der Korrektur bedurfte, und sorgten für die Entsendung einer Mission. Es konnte nicht ausbleiben, daß Handelsschiffe auf dem Weg in die Region Beteigeuze häufig unsere Bugwellen in der Nähe von Saxo bemerkten. Einheiten Ihrer Flotte erschienen, und so kam es zu der gegenwärtigen unglückseligen Situation.“
„Hm.“ Abrams schaute in sein Glas. „Ich danke Ihnen. Aber es wäre hübsch, noch mehr Details zu erfahren. Vielleicht ist unter ihnen irgendwo ein Hinweis vergraben, daß von unserer Seite ein Mißverständnis vorlag — schließlich gibt es zwischen uns eine semantische und kulturelle Barriere, nicht?“
„Das bezweifle ich“, versetzte Brechdan unmutig. „Sie können Nachforschungen anstellen, aber bei diesem Gegenstand werden Sie nur Ihre Zeit und Energie verschwenden. Es kann gut sein, daß von unseren ersten Expeditionen in die Nachbarschaft Saxos nicht einmal Aufzeichnungen existieren. Wir sind nicht so besorgt wie Sie, alles auf Band aufzunehmen.“
Hauksberg, der Brechdans Kälte und Ablehnung spürte, leitete geschickt auf ein anderes Thema über. Die Konversation verflachte zu einem Austausch von Banalitäten. Brechdan brachte seine Entschuldigungen vor und verließ den Empfang vor Mitternacht.
Ein böser Gegenspieler, dieser Abrams, dachte er. Einer, der nicht an Verständigung denkt, und darum gefährlich ist. Ihn müssen wir beobachten.
Brechdan lächelte. Sein Geschäft war es nicht, den Bewacher zu spielen. Jeder Schritt, den ein Terraner außerhalb des Botschaftsgeländes tat, wurde von Beamten des Sicherheitsdienstes überwacht.
Immerhin traf es sich gut, daß er im Begriff war, mit einem Geheimagenten zu sprechen, der auf Starkad gewesen war. Vielleicht hatte Dwyr Informationen, die näheren Aufschluß über die Tätigkeit dieses Abrams' gaben. Und der Mann konnte neue Befehle entgegennehmen…
Im leeren Büro wartete das Ding. Früher war es einmal ein Merseier gewesen, und jung. Das Gesicht war noch bis zur Stirnrundung da, eine chirurgische Maske. Dann ein Teil des Rumpfes, der linke Arm und vom rechten ein Stumpf. Der Rest war Maschine.
Die Gestalt salutierte mit überraschend weichen und präzisen Bewegungen. Obwohl er nur zwei Schritte vor ihm stand, konnte Brechdan, der über ein gutes Gehör verfügte, kaum das Summen hören, das aus dem Innern Dwyrs kam. „Ich stehe meinem Oberherrn zu Diensten.“ Die Stimme hatte einen metallischen Beiklang.
Brechdan erwiderte den Gruß. Er wußte nicht, ob er den Mut gehabt hätte, so amputiert am Leben zu bleiben. „Gut, daß Sie gekommen sind, Arlech Dwyr. Stehen Sie bequem.“
„Die Hand des Vach Ynvory hat meine Anwesenheit gewünscht?“
„Ja, ja.“ Brechdan winkte ungeduldig ab. „Lassen Sie die Etikette beiseite. Ich habe genug davon. Verzeihen Sie, daß ich Sie warten ließ; ich mußte mich um die Terraner kümmern. Sie haben also im Stab von Fodaich Runeis Nachrichtendienst gearbeitet, nicht wahr? Und Sie sind auch selbst im Feld gewesen? Gut. Erzählen Sie, warum man Sie zurückgeschickt hat.“
„Ich war nützlich, aber nicht unentbehrlich. Die einzige Mission, die nur ich und kein anderer hätte erfüllen können, scheiterte. Ich sollte mir Zutritt ins Büro des Geheimdienstchefs der Terraner verschaffen.“
„Hatten Sie einen Erfolg erwartet?“ Brechdan hatte nicht gewußt, daß dieser Dwyr so gut war.
„Selbstverständlich. Ich kann mit elektromagnetischen Sensoren und Meßgeräten ausgerüstet werden, um Stromkreise aufzuspüren. Außerdem habe ich ein gewisses Einfühlungsvermögen für Maschinen entwickelt. Auf einer Ebene unterhalb meines Bewußtseins kann ich erfühlen, was sie zu tun im Begriff sind, und mein Verhalten darauf einstellen. So hätte ich die Tür öffnen können, ohne einen Alarm auszulösen. Unglücklicherweise und wider Erwarten waren lebende Wächter postiert. In körperlicher Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit ist dieser Körper dem unterlegen, den ich früher hatte. Ich hätte sie nicht geräuschlos und unauffällig töten können.“
„Glauben Sie, daß Abrams von Ihnen weiß?“ fragte Brechdan.
„Nein. Alles deutet darauf hin, daß er aus Gewohnheit übervorsichtig ist. Die Terraner, auf die ich später im Dschungel stieß, konnten mich nicht deutlich sehen. Aber während meines Aufenthaltes im Stützpunkt der Terraner beobachtete ich Abrams in vertrautem Gespräch mit dem anderen, Hauksberg. Dies brachte uns auf den Verdacht, daß er die Delegation nach Merseia begleiten würde, zweifellos in der Hoffnung, Agenten anzuwerben oder auf eigene Faust Spionage zu treiben. Wegen meiner speziellen Fähigkeiten und meiner Bekanntschaft mit Abrams' Arbeitsmethoden glaubte Fodaich Runei, ich sollte den Terranern vorausreisen und ihre Ankunft hier erwarten.“
„Ja, richtig.“ Brechdan zwang sich, Dwyr so anzusehen, wie wenn er ein völlig normales Geschöpf wäre, mit einem richtigen Herzen und Lungen. „Sie können in Maschinen eingebaut werden, nicht wahr?“
„Jawohl“, kam es aus dem starren Gesicht. „In Fahrzeuge, Waffen, Detektoren, Werkzeugmaschinen, in alles, was geeignet ist, meine organische Komponente und meine Prothesen aufzunehmen. Ich brauche nicht lange, um mich auf ihre Bedienung einzustellen.“
„Sie werden Arbeit bekommen“, sagte Brechdan. „Ich weiß noch nicht genau, was es sein wird. Ich glaube, wir müssen uns etwas zu Bewachung unseres Freundes Abrams einfallen lassen. Er wird mit den üblichen Vorrichtungen rechnen; mit Ihnen wird er eine Überraschung erleben. Wenn Sie Ihre Arbeit gut machen, sollen Sie nicht ungeehrt bleiben.“
Dwyr verneigte sich und wartete. Brechdan konnte sich nicht enthalten, einen kameradschaftlichen und mitfühlenden Ton anzuschlagen. „Wie sind Sie zu Ihrer Verletzung gekommen?“ fragte er.
„Bei der Eroberung von Janair, Herr. Eine Nuklearexplosion. Das Feldlazarett erhielt mich am Leben und schickte mich zum Hauptstützpunkt zurück. Aber dort fanden die Chirurgen, daß die radioaktive Strahlung einen großen Teil meiner Körperzellen zerstört hatte. Daraufhin verlangte ich, daß man mir den Tod gebe. Sie erklärten mir, daß neue Techniken, die man von Gorrazan übernommen habe, mir ein Überleben sichern und meine Dienste dem Vaterland erhalten könnten. Sie hatten recht.“
Brechdan war verdutzt. Irgendwie klang das nicht richtig. Nun, er war kein Biochemiker. Seine Stimmung verdüsterte sich. Warum Mitleid vortäuschen? Mit Toten kann man nicht Freund sein. Und Dwyr war tot. Er hatte kein Herz, keine Organe, keine Eingeweide, Drüsen und Knochen. Er war nur noch ein Gehirn, das mit der Eingleisigkeit einer Maschine dachte. Man mußte ihn gebrauchen. Dafür waren Maschinen gemacht.