Brechdan schritt eine Runde durch den Raum, die Hände auf dem Rücken, mit unruhig zuckendem Schwanz und nervösen Kopfschmerzen. „Gut“, sagte er endlich. „Besprechen wir die Einzelheiten unseres Vorgehens.“
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„Oh, nein“, sagte Abrams. „Ich danke der Regierung untertänigst für dieses großzügige Angebot, aber es würde mir nicht im Traum einkommen, soviel Mühe und Ausgaben zu verursachen. Gewiß, die Botschaft hat keine Flugmaschine für mich übrig, aber das Schiff, mit dem wir gekommen sind, die ›Dronning Margrete‹, hat zwei Maschinen an Bord ihrer beiden großen Beiboote. Ich bin überzeugt, daß Graf Hauksberg mir eine dieser im Moment ungenutzten Maschinen für meinen persönlichen Bedarf überlassen wird. Es gibt keinen Grund, Ihre Abteilung zu belästigen.“
Der Merseier am anderen Ende der Leitung warf seine Hände in einer Geste des Entsetzens hoch, daß Abrams sich ein Lachen verbeißen mußte. „Aber gewiß gibt es einen! Der Herr Oberst ist genauso wie Graf Hauksberg Gast unserer Regierung. Wir dürfen uns nicht diskreditieren, indem wir versäumen, Ihnen unsere Gastfreundschaft zu erweisen, soweit es in unseren Kräften steht. Morgen wird eine Maschine für Ihren persönlichen Gebrauch eintreffen. Die Verzögerung ist darauf zurückzuführen, daß sie für Ihren Bedarf mit neuen Sitzen und abgeänderten Bedienungsanlagen ausgerüstet werden mußte. Sie kann sechs Passagiere aufnehmen, besitzt Schlafgelegenheiten und eine kleine Kombüse, die mit allem versehen ist, was wir Ihnen hier bieten können. Sie ist nicht nur für den Luftraum geeignet, sondern Sie können damit auch Planetenumkreisungen machen und, wenn es nötig sein sollte, sogar den entferntesten unserer Monde ansteuern. Ich bitte um Ihr Einverständnis.“
„Verehrter Kollege“, sagte Abrams strahlend, „ich bitte meinerseits darum, daß Sie in Vertretung Ihrer Regierung meinen aufrichtigsten Dank entgegennehmen.“
Sobald er die Verbindung unterbrochen hatte und die Mattscheibe dunkel wurde, platzte er laut heraus. Natürlich konnten die Merseier ihn nicht unbewacht herumfliegen lassen, es sei denn, sie hätten die Möglichkeit, in seinem Transportmittel Abhörgeräte unterzubringen. Und selbstverständlich erwarteten sie, daß er nach solchen Anlagen suchte.
Das tat er denn auch, obgleich er wußte, daß es unnötig war. Nachlässigkeit hätte nur Verdacht erregt. Den Merseiern, die seine schöne neue Maschine ablieferten, erläuterte er die Durchsuchung mit der Notwendigkeit, daß er sich über die Funktionen der Bordanlagen informieren müsse. Die Abhörspezialisten der Botschaft, die er als Helfer angefordert hatte, durchsuchten die Maschine fachgerecht und stellten zu ihrer Verwunderung fest, daß keine Abhöreinrichtung an Bord war. Abrams wußte es besser, und er überzeugte sich auf sehr einfache Weise von der Richtigkeit seiner Annahme: Er wartete, bis er allein an Bord war, dann fragte er. Die Methode, wie man das Ding verborgen hatte, erfüllte ihn mit Bewunderung.
Aber von da an rannte er gegen Wände aus Gummi. Die Tage kamen und gingen, die langen, siebenunddreißigstündigen Tage Merseias. Er verbrachte sie fast alle im Konferenzzimmer des Schlosses Afon, wo Hauksberg und sein Stab mit Brechdans Beamten verhandelten. Gewöhnlich zog man ihn hinzu, weil ein Merseier um Aufklärung irgendwelcher Trivialitäten ersuchte, die mit Starkad zusammenhingen. Hatte er seine Erklärung abgegeben, konnte Abrams nicht wieder gehen. Das Protokoll verbot es. Er mußte dasitzen und zuhören, während die Verhandlung sich fortschleppte, Fragen, Gegenfragen, stundenlanges Gefeilsche um Belanglosigkeiten der Tagesordnung. Die Merseier verstanden es, Verhandlungen endlos in die Länge zu ziehen.
Einmal, als sie zusammen in die Botschaft zurückkehrten, brachte Abrams die Rede auf diese Ermüdungstaktik. „Ich weiß“, entgegnete Hauksberg ungehalten. Er wurde allmählich hager und hohläugig. „Sie sind sehr mißtrauisch gegen uns. Nun, ich muß sagen, nicht ganz ohne Grund. Wir müssen guten Willen zeigen und beharrlich sein. Solange geredet wird, wird nicht geschossen.“
„Auf Starkad wird geschossen“, brummte Abrams. „Unsere Admiralität wird nicht in alle Ewigkeit abwarten, bis Brechdan seine Kommata gezählt hat.“
„Morgen geht ein Kurier ab, dem ich einen Zwischenbericht mitgebe. Wir kommen ja voran, vergessen Sie das nicht. Merseia ist stark an einem Abkommen über regelmäßige gemeinsame Beratungen auf Ministerebene interessiert.“
„Ja. Eine großartige Idee“, knurrte Abrams verstimmt. „Das wird unseren Versöhnungsaposteln zu Hause politisches Oberwasser geben, solange es Brechdan gefällt, das Spiel mitzuspielen. Ich dachte, wir seien hergekommen, um die Sache mit Starkad zu regeln.“
„Und ich dachte, ich sei der Chef dieser Mission“, versetzte Hauksberg. „Überlassen Sie die Wahl der Verhandlungstaktik gefälligst mir, Oberst. Ich habe Ihnen bereits auseinandergesetzt, daß die erste und wichtigste Aufgabe der Abbau des Mißtrauens sein muß. Nur so kann man Meinungsverschiedenheiten beilegen.“
An Tagen, da er nicht einer Konferenz beiwohnen mußte, ging Abrams in Bibliotheken und führte Gespräche mit Einheimischen. Die Merseier zeigten sich äußerst höflich und hilfsbereit. Sie überhäuften ihn mit Büchern und Zeitschriften. Beamte, Offiziere und Wissenschaftler gewährten ihm stundenlange Interviews. Aber er erfuhr praktisch nichts von dem, was er wissen wollte.
Auch das war eine Art Hinweis. Das Fehlen genauer Informationen über die frühen Reisen der Merseier in die Region Saxo mochte an einer gewissen Schlamperei bei der Archivierung oder der Aufzeichnung liegen, wie Brechdan angedeutet hatte. Aber Stichproben zeigten Abrams, daß die Dokumentation bei anderen Planeten besser war. Starkad schien irgendeine geheime Bedeutung zu haben.
Anfangs hatte Abrams sich bei seiner mühseligen Arbeit von Flandry helfen lassen. Dann kam eine Einladung. Ob Fähnrich Flandry geneigt sei, den Planeten in Gesellschaft einiger junger Merseier seines Alters und Ranges zu bereisen, um diese Welt besser kennenzulernen und um der Verständigung zwischen den beiden Rassen zu dienen?
„Würde Ihnen das gefallen?“ fragte Abrams.
Flandry richtete sich hinter dem Schreibtisch auf und hielt sein schmerzendes Kreuz. „Und ob. Im Moment ist mir so zumute, daß ich am liebsten jede Bibliothek des Universums bombardieren möchte. Aber Sie brauchen mich hier, nehme ich an.“
„Das stimmt. Das Ganze kommt mir wie ein Trick vor, mit dem man mich noch mehr lahmlegen will. Aber Sie können trotzdem gehen.“
Flandry gaffte. „Ist das Ihr Ernst?“
„Klar. Wir sind hier kaltgestellt. Vielleicht können Sie etwas entdecken.“
„Danke, Chef!“ Flandry sprang auf. Seine Augen leuchteten.
„Langsam, junger Freund. Das wird kein Erholungsurlaub für Sie. Sie müssen den dekadenten Taugenichts spielen. Halten Sie Augen und Ohren offen, aber plappern Sie ruhig drauflos. Stellen Sie Fragen, hauptsächlich dumme. Und bohren Sie nicht, damit man nicht denkt, Sie spielten den Spion.“
Flandry furchte die Stirn. „Uh… ich glaube, es würde komisch aussehen, wenn ich nicht hinter Informationen her wäre. Besser wäre es vielleicht, wenn ich mich dabei ungeschickt und tölpelhaft anstellte.“
„Gut. Sie lernen schnell. Ich wünschte, Sie hätten mehr Erfahrung, aber jeder muß mal anfangen, und ich fürchte, Sie werden sowieso nichts von Bedeutung herausbringen. Also verschaffen Sie sich Erfahrung.“
Abrams sah den Jungen davonstürzen. Mochte die Reise auch zu sonst nichts gut sein, würde sie doch die Fähigkeiten des Fähnrichs weiter unter Beweis stellen. Wenn Flandry sich bewährte, würde Abrams ihn wahrscheinlich eigenhändig den Wölfen vorwerfen müssen.
Denn die Dinge durften nicht so lange in der Schwebe gehalten werden, wie es Brechdan gefiel. Gerade jetzt lagen potentielle Möglichkeiten in der Luft, die nur ein Verräter ungenutzt lassen würde. Nun, da die Dinge sich so entwickelt hatten, daß die Delegation für unbestimmte Zeit auf Merseia festgehalten wurde, konnte Abrams seine Chancen nicht so wahrnehmen, wie er es geplant hatte. Die klassisch-saubere Operation mußte in eine Explosion umgewandelt werden.