„Was ist das für eine Möglichkeit?“ fragte Flandry unbehaglich.
„Unser Problem ist dies“, sagte Abrams. „Ich glaube, wir können unbemerkt an die Geheimakten herankommen. Besonders jetzt, wo Brechdan und die drei anderen, von denen ich weiß, daß sie Zutritt in diesen bestimmten Raum haben, nicht in der Stadt sind. Aber auch so würde es merkwürdig aussehen, wenn jemand von uns kurz darauf ohne einen plausiblen Grund abreiste. Ich wüßte einen.“
Flandry fragte: „Welchen?“
„Nun… wenn Graf Hauksberg Sie mit seiner hübschen Reisegefährtin in flagranti ertappen würde…“
Flandry sprang auf. „Nie!“
„Bleiben Sie sitzen, Junge. Machen Sie mir nicht weis, die Mäuse hätten nicht gespielt, während die Katze anderswo war. Ich verurteile Sie nicht. Wenn ich nicht ein alter Mann mit besonders festen Vorstellungen von meiner Ehe wäre, hätte ich es vielleicht selbst probiert. Aber dies gibt uns unseren Vorwand. Wir brauchen nur dafür zu sorgen, daß Persis über das Datum der Rückkehr ihres Herrn und Meisters im unklaren bleibt. Was den Rest angeht, so brauchen wir nur der Natur ihren Lauf zu lassen.“
„Nein!“
„Machen Sie sich keine Sorgen um Persis“, meinte Abrams. „Sie wird Schelte bekommen, nicht mehr. Graf Hauksberg ist sehr tolerant. Und sollte sie wirklich hinausgeworfen werden, nun, der Nachrichtendienst hat einen großen Sonderfonds. Aus dem können wir sie auf der Erde ihrem Lebensstil gemäß unterstützen, bis sie sich wieder jemand geangelt hat. Ich habe wirklich nicht den Eindruck, daß ihr das Herz brechen würde, wenn sie Graf Hauksberg gegen ein neueres Modell eintauschen müßte.“
Flandry errötete bis über die Ohren. Verzweifelt schlug er sich mit den Fäusten auf die Knie. „Ich kann es nicht. Sie vertraut mir.“
„Ich sagte schon, daß es ein Trick ist. Schmeicheln Sie sich mit der Vorstellung, das Mädchen sei in Sie verliebt?“
„Ah — hm…“
„Sie tun es also. Ich würde es nicht tun. Selbst wenn sie in Sie verliebt sein sollte, eine psychoanalytische Behandlung ist billig, und Persis ist der Typ, der sich nicht unnötig quält. Ich habe mehr Zeit mit Sorgen um Sie verbracht.“
„Und was ist mit mir?“ fragte Flandry elend.
„Graf Hauksberg muß an Ihnen Vergeltung üben. Was auch seine Gefühle sein mögen, er kann so etwas nicht ungestraft durchgehen lassen, denn die ganze Botschaft wird davon erfahren, und vielleicht noch Leute auf der Erde, wenn Sie die Szene richtig aufziehen. Nach seiner Rückkehr von Dhangodhan will er einen Kurier nach Hause schicken. Sie werden dann mit demselben Schiff abgeschoben, in Unehren natürlich.
Irgendwie — die Details müssen noch geklärt werden — wird mein Agent mir die Informationen zuspielen. Ich werde sie Ihnen weitergeben. Auf der Erde werden Sie sich dann mit einem Mann in Verbindung setzen, dessen Tür und Ohr sich Ihnen auf ein Kennwort hin öffnen werden, das Sie von mir bekommen. Anschließend — nun, dann wird es einige überraschte Gesichter geben. Sie sollten mir für eine solche Gelegenheit, von wichtigen Männern bemerkt zu werden, die Stiefel küssen.“
Flandry bewegte sich unruhig und schaute weg, aus dem Fenster, wo Wolken über Merseias grünes und braunes Gesicht zogen.
„Und was machen Sie und die anderen?“ fragte er.
„Wir bleiben hier, bis die Farce vorüber ist.“
„Aber — aber es könnte vieles schiefgehen.“
„Ich weiß. Das ist unser Risiko.“
„Ich weiß nicht“, murmelte Flandry zweifelnd. „Ich könnte ungeschoren davonkommen. Aber später, wenn ein Verdacht aufkommt…“
„Persis werden sie nichts tun“, sagte Abrams. „Sie ist nicht der Mühe wert. Auch Hauksberg nicht. Er ist Diplomat.“
„Aber Sie. Sie genießen keine diplomatische Immunität.“
„Keine Sorge“, erwiderte Abrams lächelnd. „Ich habe vor, an fortgeschrittenem senilen Verfall zu sterben. Wenn dieses Ziel in Gefahr kommen sollte, habe ich meine Strahlpistole. Lebendig lasse ich mich nicht fangen, und ich werde auch nicht allein aus dem Kosmos gehen. Wie ist es, sind Sie dabei?“ Es kostete Flandry seine ganze Kraft, um zu nicken.
11
Zwei Tage später verließ Abrams die Botschaft wieder mit der Maschine. Am Rand des Ozeans schwelte ein Rest Abendrot. Die Dämmerung verhängte Ardaigs Straßen mit ihren Schleiern. Der Luftverkehr war stark und der Robotpilot mußte ständig signalisieren, um seine Flugbahn freizuhalten. Ein dichtes Netz aus Positionsmeldungen und anderen ausgetauschten Daten verband unsichtbar alle Maschinen untereinander und mit den Bodenstationen.
„Erster Beobachter an Nachrichtendienst, Abteilung dreizehn.“ Eine Reihe von Kodeworte folgte. „Bitte melden.“
Einige Kilometer entfernt fuhr ein dösender Merseier an seinem Schreibtisch auf. Er gehörte zu den wenigen, die von Dwyr wußten. Bisher hatten sie noch nichts Interessantes erfahren, aber das war gut. Es bewies, daß der Agent der Terraner, über dessen Gefährlichkeit man sie unterrichtet hatte, erfolglos geblieben war. „Abteilung dreizehn an B 1. Dhech am Apparat. Bitte melden.“
„Abrams hat die Botschaft allein verlassen und ist unterwegs zu Fodaich Qwyns Haus.“
„Richtig“, sagte Dhech. „Wir wissen bereits, daß er heute abend dort eingeladen ist.“
„Ich könnte die Maschine verlassen und die Gespräche abhören“, erbot sich Dwyr.
„Nicht notwendig. Qwyn wird uns selbst Meldung machen. Wenn Abrams hofft, nützliche Informationen zu erhalten, wird er enttäuscht werden. Aber möglicherweise ist sein Interesse nur akademischer Natur. Er scheint alle Pläne, Spionage zu treiben, aufgegeben zu haben.“
„Unter meiner Beobachtung hat er jedenfalls nichts Verdächtiges unternommen.“ Ein Krachen im Empfänger machte seine letzten Worte fast unhörbar. Dhech erschrak. „Was ist das?“
„Der Sender scheint defekt zu sein“, antwortete Dwyr, der die Störung selbst hervorgerufen hatte. „Müßte bald überprüft werden, sonst verlieren wir die Verbindung.“
„Wir schicken morgen oder übermorgen einen Techniker. Gute Jagd.“
„Gute Jagd.“ Dwyr unterbrach die Verbindung, dann schaltete er die Gegensprechanlage an Bord ein. „Ich habe mit Abteilung Dreizehn gesprochen“, sagte er. „Sie sind ahnungslos. Ich habe den Eindruck erweckt, daß mein Sender defekt sei, falls sie mich aus irgendeinem Grund während meiner Abwesenheit sprechen wollen.“
„Sehr gut.“ Abrams sprach ruhig, aber er tat einen letzten nervösen Zug aus seiner Zigarre und drückte sie mit unnötiger Heftigkeit aus. „Ich werde mehrere Stunden hierbleiben. Das gibt Ihnen genug Zeit, Ihre Arbeit zu tun und wieder an Bord zu gehen. Aber wenn etwas schiefgeht, kommt es allein auf die Information an. Im Notfall suchen Sie Fähnrich Flandry auf und geben sie ihm. Er wird in Graf Hauksbergs Suite oder in seinem Zimmer sein; Sie haben den Plan der Botschaft. Sorgen Sie dafür, daß das Bordtelefon mit dem Robotpiloten verbunden ist, damit Sie oder er die Maschine jederzeit zurückholen können. Er kennt Sie nicht, aber ich habe ihm gesagt, daß er demjenigen vertrauen soll, der ihm das Kennwort nennt. Haben Sie es behalten?“
„Ja, natürlich. Meschugge. Was bedeutet es?“
„Ist egal.“ Abrams grinste. „Ich kann Sie nicht sehen, Dwyr, und ich kann Ihnen nicht die Hand drücken, aber ich täte es gern. Und eines Tages werde ich hoffentlich Gelegenheit dazu haben.“ Die Maschine setzte auf. „Viel Glück.“
Dwyrs elektronischer Blick folgte der gedrungenen Gestalt über den Landestreifen und durch den Garten. Zwei Bedienstete empfingen Abrams und führten ihn zum Haus. Kurz darauf verschwanden sie hinter der Baumkulisse. Niemand sonst war in Sicht. Die Maschine stand verlassen.