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„Was ist los?“ schnarrte Dwyr. Für Angst oder Bestürzung war kein Raum in ihm.

Schweißperlen standen dem Wächter auf der Stirn. „Sie waren in seinem Geheimkabinett!“ flüsterte er.

So furchtbar mußte das Geheimnis dieser Zahlenreihe sein, daß sie im Datenspeicher durch eine Extrasperre gesichert war. Wurden die Zahlen angefordert, rief sie um Hilfe.

„Ich bin autorisiert“, erklärte Dwyr barsch. „Wie hätte ich sonst hineinkommen sollen?“ Er hob seine Stimme. „Die Angelegenheit unterliegt der Geheimhaltung. Der wachhabende Offizier ist im Bilde. Er kann Ihnen die Bedeutung erklären. Jetzt lassen Sie mich durch.“

„Nein.“ Die Strahlpistole in der Hand zitterte stark.

„Wollen Sie wegen Insubordination belangt werden?“

„Ich-ich muß das Risiko auf mich nehmen, Herr. Wir alle müssen es. Sie sind unter Arrest, bis Brechdan Ironrede Ihre Freilassung verfügt.“

Dwyr warf sich zur Seite und feuerte. Der Wächter brach zusammen, ein versengter Klumpen. Aber er hatte zuerst geschossen. Dwyrs lebender Arm war von seinem Körper abgetrennt.

Er verspürte keinen Schock. So lebendig war er nicht. Aber der Schmerz war da, und er taumelte einen Moment wie trunken. Dann reagierten die Homöostaten in seinen Prothesen. Chemische Stimulantia wurden in seine Adern gespritzt. Elektronische Impulse flossen in die Nervenströme ein, unterdrückten den Schmerz und stoppten die Blutung. Dwyr raste davon.

Die anderen ließen nicht locker, feuerten hinter ihm her und schrien durcheinander. Er fühlte, daß er getroffen wurde, sah im Rennen an sich herunter und bemerkte ein Loch, das seinen Körper vom Rücken zur Brust durchbohrte.

Dann stürzte er auf die Landefläche hinaus. Ein neuer Feuerstrahl traf sein linkes Bein, lähmte es. Er fiel. Die Verfolger kamen näher, und auch die Wachen auf dem Landeplatz schwärmten aus. Er schaltete seinen Flugapparat an. Hinaus… über die Kante… hinunter in die Nacht!

Und die Schatten hüllten ihn ein. Seine Maschinerie mußte in lebenswichtigen Teilen getroffen sein. Es wäre gut zu sterben. Nein, noch nicht. Er mußte noch eine Weile aushalten, irgendwie zur Botschaft der Terraner gelangen. Abrams war zu weit, und man würde ihn auf jeden Fall gefangennehmen. Zur Botschaft… nicht schlappmachen, dröhnte es in seinem Kopf. Nicht ohnmächtig werden… du mußt diesen Flandry finden… vielleicht kann er dich retten… Wenn nicht, wirst du dich wenigstens gerächt haben… Dunkelheit und stürzende Wasser…

Dwyr flog über die nächtliche Stadt.

12

„Persis? Wo… Was-was ist das?“ Hauksberg blieb starr vor Schreck in der Türöffnung stehen. Persis stieß einen halberstickten kleinen Schrei aus und griff mit einer sinnlosen Geste nach ihren Kleidern. Flandry sprang auf.

In seiner grünen Jagdkleidung sah der Graf verändert aus, jugendlicher. Sonne und Wind hatten sein Gesicht gebeizt. Seine Starre löste sich. Das Gesicht wurde hart, und die blauen Augen blitzten kalt und zornig. „Soso“, sagte er.

Persis raffte ihre Kleidungsstücke an sich. „Markus…“

Er beachtete sie nicht. „Sie sind also das Unwohlsein, das sie hatte.“

Flandry stand mit rotem Gesicht da. Er sagte nichts.

„Wie lange geht das schon so?“

„Es ist meine Schuld, Markus“, rief Persis. Sie fing an zu schluchzen.

„Nein, das stimmt nicht“, sagte Flandry. Er hatte sich gefangen und brachte es sogar fertig, Hauksberg anzugrinsen. „Ich muß sagen, es war nicht nett von Ihnen, unangemeldet zurückzukommen. Was nun?“

„Nun stehen Sie unter Arrest, Sie Welpe“, sagte Hauksberg. „Gehen Sie in Ihr Zimmer und bleiben Sie dort.“

Flandry beeilte sich zu gehorchen. Alles schien glatt gegangen zu sein, besser als erwartet. Hauksberg war eben ein Gentleman; seine Stimme klang nicht übermäßig erregt, eher geistesabwesend.

Persis streckte ihre Arme nach ihm aus. „Ich sage dir, Markus, es ist meine Schuld“, schluchzte sie. „Laß ihn in Frieden. Tue mit mir, was du willst, aber laß ihn in Ruhe!“

Er brachte sie mit einer Handbewegung zum Verstummen. „Hör auf zu flennen“, sagte er ärgerlich. „Meinst du, mich interessieren deine Seitensprünge, wenn alles kopfsteht?“

„Was ist geschehen?“ fragte Flandry scharf.

Hauksberg drehte den Kopf, musterte ihn schweigend von oben bis unten. „Ich frage mich, ob Sie es wirklich nicht wissen“, sagte er zuletzt. „Das frage ich mich allen Ernstes.“

„Ich weiß absolut nichts!“ Flandry traf es wie ein Schlag. Irgend etwas war schiefgegangen.

„Als die Nachricht in Dhangodar eintraf, sind wir natürlich sofort hergeflogen“, sagte Hauksberg. „Im Moment sind sie hinter Abrams her, mit meiner Ermächtigung. Aber Sie — was für eine Rolle haben Sie dabei gespielt?“

Ich muß mal 'raus, dachte Flandry fiebrig. Abrams' Agent muß mich finden. „Ich weiß wirklich nichts, Exzellenz. Ich werde mich in mein Zimmer begeben.“

„Halt!“

Persis saß auf ihrem Bett, das Gesicht in den Händen vergraben, und weinte leise.

„Hiergeblieben“, sagte Hauksberg. „Kein Schritt, verstanden?“ Er nahm eine Strahlpistole aus der Tasche und ging rückwärts zum Telefon. „Hm. Abgestellt, wie?“ Er drehte den Schalter. „Graf Oliveira, bitte.“

Bleiern lastete die Stille im Raum. Der Bildschirm flackerte auf, und das Gesicht des Botschafters wurde sichtbar. „Hauksberg! Sie hier? Was ist?“

„Eben zurückgekommen“, sagte Hauksberg. „Wir erfuhren von einem Einbruch in Premierminister Brechdans Geheimarchiv. Der Agent scheint entkommen zu sein. Brechdan beschuldigte mich der Mitwisserschaft. Ein naheliegender Gedanke. Jemand versucht meine Mission zu sabotieren. Um das Schlimmste abzuwenden, habe ich die Merseier bevollmächtigt, Oberst Abrams festzunehmen. Man wird ihn hierher bringen. Halten Sie ihn unter Bewachung.“

„Aber Graf Hauksberg! Er ist Offizier der kaiserlichen…“

„Wir werden ihn inhaftieren, nicht die Merseier. Auf Grund meiner Vollmachten übernehme ich das Kommando. Keine Einwände, bitte, wenn Sie nicht von Ihrem Posten abberufen werden wollen.“

Oliveira erbleichte. „Ich verstehe. Aber ich muß Sie bitten, mir das in schriftlicher Form zuzustellen.“

„Das wird geschehen, sobald ich dazu komme. Als nächstes haben wir da den jungen Flandry, Abrams' Assistenten. Ich werde ihn selbst verhören, da er gerade hier ist. Aber halten Sie ein paar Männer bereit, daß sie ihn in einen ausbruchsicheren Raum überfuhren, wenn ich fertig bin. Unterrichten Sie inzwischen Ihren Stab von dem Vorfall, bereiten Sie Erklärungen und Dementis vor und halten Sie sich für einen Besuch von Leuten aus Brechdans Außenamt zur Verfügung.“ Hauksberg unterbrach die Verbindung. „Genug“, sagte er. „Nun erzählen Sie. Heraus mit der Sprache.“

Flandry war es, als durchlebte er einen Alptraum. Wirre Gedanken kreisten in seinem Kopf. Was wird aus Abrams? Aus mir? Aus Persis?

„Setzen Sie sich hin.“ Hauksberg zeigte mit der Pistole auf einen der Sessel. Mit der freien Hand zog er ein silbernes Etui aus der Brusttasche, ließ es aufschnappen und steckte sich eine schwarze Zigarre zwischen die Zähne. Er wirkte beinahe entspannt.

Flandry setzte sich. Ein psychologischer Nachteil, zu ihm aufblicken zu müssen. Ja, wir haben ihn sehr unterschätzt. Persis stand mit geröteten Augen an der Wand, hatte fröstelnd die Arme über der Brust gekreuzt und schluckte. „Welches war Ihre Rolle in diesem Spiel?“ fragte Hauksberg.

„Keine. Ich weiß nicht — ich meine, wenn… wenn ich damit zu tun hätte, wäre ich dann hier gewesen?“ stammelte Flandry.

„Vielleicht.“ Hauksberg steckte das Etui ein und zog sein Feuerzeug. Ein Seitenblick traf Persis. „Und was ist mit dir, mein Kind?“