Flandry nickte. „Ja. Dann werde ich die gesamten Bemühungen unserer Regierung sabotieren. Wir haben auf Starkad nichts zu suchen und können dann alle nach Hause gehen. Ich wette, daß auch die Merseier nach Hause gehen werden, wenn Sie dem alten Runei erzählen, daß Sie sich mit Ihren Schützlingen entzweit haben und den Planeten räumen.“
Enriques stand auf. „Sie haben Ihr ungeheures Geheimnis noch nicht enthüllt.“
Flandry sagte die Zahlen, doch der Admiral winkte ab. „Diese Zahlen stehen in Ihrem Brief. Ich kenne sie. Ist das alles?“
„Jawohl, Herr Admiral. Mehr ist nicht nötig.“
„Wie ist Ihre Interpretation?“
Flandry sagte es ihm.
Enriques schwieg. Er schob die Unterlippe vor und dachte nach. Er wanderte zum Fenster, blickte auf die Menge hinunter und hob seinen Blick zum Himmel.
„Und Sie glauben das?“ fragte er endlich.
„Ja. Eine andere passende Erklärung konnte ich nicht finden, und ich hatte Zeit genug. Ich würde mein Leben darauf setzen.“
Enriques sah ihn an. „Würden Sie das?“
„Ich tue es bereits, Herr Admiral.“
„Vielleicht. Angenommen, ich schickte einen Aufklärer los. Würden Sie an Bord gehen?“
Flandry glaubte nicht recht zu hören. „W-wieso… ja, jawohl, Herr Admiral!“ Seine Stimme drohte sich zu überschlagen.
„Hm. Soviel Vertrauen bringen Sie mir entgegen? Nun, es wäre ratsam, wenn Sie an Bord des Aufklärers gingen. Als Geisel für Ihre Behauptung, sozusagen.“ Enriques stand sinnend da. Die Stille wuchs.
Auf einmal sagte der Admiraclass="underline" „Gut, Flandry. Die Anklage gegen Sie wird einstweilen ausgesetzt, das gleiche gilt für den Haftbefehl. Sie werden hiermit vorübergehend wieder in den Dienst übernommen und unterstehen meinem Kommando. Sie werden mit meiner Maschine nach Highport zurückkehren und dort auf weitere Befehle warten.“
Flandry salutierte. „Jawohl, Herr Admiral.“
Dragoika erhob sich. „Was hast du gesagt, Dommaneek?“
„Das Mißverständnis ist im Moment aufgeklärt, glaube ich. Ich werde mit dem Admiral zum Stützpunkt fliegen.“
„Und dann?“
„Dann? Nun, äh, dann werden wir ein fliegendes Schiff besteigen und eine Schlacht schlagen, die diesem ganzen Krieg vielleicht ein Ende machen wird.“
„Du hast nur sein Wort“, wendete sie ein.
„Hältst du ihn nicht für ehrenhaft?“
„Doch. Aber ich könnte mich irren. In der Schwesternschaft und unter dem einfachen Volk wird es welche geben, die eine List vermuten. Blut verbindet uns mit dir. Ich glaube, es würde am besten sein, wenn ich mit dir ginge. Dann wärst du sicher.“
„Aber — aber…“
„Außerdem ist dies auch unser Krieg“, fuhr Dragoika fort. „Soll von uns keiner teilnehmen? Ich nehme im Namen der Schwesternschaft und für mich selbst das Recht in Anspruch. Du wirst nicht ohne mich gehen.“
„Schwierigkeiten?“ fragte Enriques ungeduldig.
Flandry erklärte es ihm.
15
Die Flotteneinheiten formierten sich zu einem weit auseinandergezogenen Keil und beschleunigten. Es war keine große Streitmacht; gemessen an der schwarzen Unendlichkeit ringsum war sie ein Nichts, eine kleine Ansammlung winziger Staubteilchen. Ihren Kern stellte die „Sabik“ dar, ein veraltetes Schlachtschiff, für das Saxo die letzte Station vor der Verschrottung war. Niemand hatte damit gerechnet, daß sie noch einmal zum Einsatz käme. Dann waren da noch der Leichte Kreuzer „Umbriel“, ebenso alt und müde, und die Zerstörer „Antarctica“, „Neu-Brasilien“ und „Murdochsland“. Die beiden Aufklärer „Encke“ und „Ikeya-Seki“ zählten nicht als Kampfeinheiten; sie verfügten nur über je ein Energiegeschütz, und ihr einziger wirklicher Wert bestand in Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit. Doch ihnen fiel die eigentliche Arbeit zu, während die anderen nur Hilfsdienste leisten sollten.
Die Flotte lief mit gedrosselten Maschinen. Die zurückzulegende Entfernung betrug nur einige Lichttage, und man wollte die Merseier nicht vorzeitig aufmerksam machen. Kommandant Einarsen wünschte dieses „Wasser“ vorsichtig zu befahren.
Aber als vierundzwanzig Stunden ohne Zwischenfall vergangen waren, befahl er, daß die „Neu-Brasilien“ mit Überlichtgeschwindigkeit ins Zielgebiet vorstoße. Beim ersten Anzeichen feindlicher Aktivität sollte sie sich zurückziehen.
Flandry und Dragoika saßen in der Offiziersmesse der „Sabik“, zusammen mit Leutnant Sergei Karamzin, der gerade Freiwache hatte. Flandry steckte wieder in einer hellblauen Marineuniform, eingefügt in die Disziplin und Routine des Borddienstes. Er war sich selbst nicht klar, ob es ihm gefiel.
Wenigstens war seine Position erfrischend anomal. Kommandant Einarsen war entsetzt gewesen, als Dragoika an Bord gekommen war — ein fremdes, in der frühen Eisenzeit lebendes Wesen in seinem Schiff? Unglaublich! — , aber der Befehl von Enriques hatte für Interpretationen keinen Raum gelassen. Dieses Wesen war eine wichtige Persönlichkeit und konnte Schwierigkeiten machen, wenn man nicht auf ihre Wünsche einging. So war Flandry kurzerhand zum „Verbindungsoffizier“ ernannt worden, freilich nur zu dem Zweck, daß er seine Wilde beaufsichtigte und daran hinderte, überall im Schiff herumzustreunen. Flandry seinerseits hatte durchblicken lassen, daß besagte wichtige Persönlichkeit den Problemen der Astronautik lebhaftes Interesse entgegenbringe und über die Entwicklungen auf dem laufenden gehalten werden müsse. Für einen Neunzehnjährigen eine verzeihliche Lüge, die ihm immerhin zu einer direkten Verbindung mit der Brücke verholfen hatte.
Flandry versuchte dem Leutnant ein Bild von Merseia zu geben, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. Irgendwie blieb seine Darstellung blutleer. Man konnte beschreiben, aber man konnte die Wirklichkeit nicht wieder zum Leben erwecken. Er wechselte das Thema und begann von Starkad zu erzählen, von der grauen Dämmerung über der See, von Segelschiffen im Sturm, von einer alten, stolzen Stadt, von märchenhaften Dingen am Grund des Ozeans und von den beiden tapferen Rassen, die den Planeten bewohnten.
„… und dann ist da noch eine sehr interessante paläolithische Kultur auf einer Insel namens Rayadan…“
Die Alarmsirenen heulten.
Karamzin stürzte hinaus, bevor Flandry seinen Satz vollenden konnte. Die heulenden Signale durcheilten das ganze Schiff. Dragoika zog ihr Schwert. „Was ist geschehen?“ schrie sie erschrocken.
„Alle Mann auf Gefechtsstationen“, sagte Flandry. „Ein Feind ist gesichtet worden.“
„Wo ist er?“
„Draußen. Steck das Schwert weg. Kraft und Mut werden dir dabei nicht helfen. Komm mit.“
Sie schlängelten sich zwischen Männern durch, die in vollem Lauf zu ihren Stationen rannten. Hinter der Navigationsbrücke befand sich ein Kartenraum, der mit Bildschirmen ausgestattet und an die Gegensprechanlage der Brücke angeschlossen war. Diesen Raum hatte Kapitän Einarsen der „wichtigen Persönlichkeit“ und ihrem Begleiter zugedacht. Zwei Raumanzüge hingen bereit, von denen einer für die Luftdruckverhältnisse auf Starkad modifiziert war. Flandry half Dragoika hinein, bevor er sich selbst fertig machte. „Hier, das mußt du so zumachen. Und nun halt den Atem an, während wir die Helme austauschen.“ Er schraubte ihren Helm auf, überprüfte die Anschlüsse und kletterte in seinen eigenen Anzug, ohne die Sichtscheibe zu schließen. Er war noch nicht fertig, als sich in seinem Kopfhörer eine Stimme meldete.
„Achtung, Achtung. Kapitän an alle Offiziere und Mannschaften. ›Neu-Brasilien‹ meldet zwei fremde Einheiten in der Nähe des Zielgebietes. Sie befindet sich auf dem Rückweg, aber der Gegner hat die Verfolgung aufgenommen. Wir beschleunigen. Gefechtsstationen bitte Bereitschaft melden.“
Flandry stellte den Bildschirm auf das Gerät der Brücke ein und sah den sternenbesäten Raum. Sieben grüne Punkte verschiedener Größen bewegten sich langsam vor diesem Hintergrund. „Siehst du“, sagte Flandry und zog Dragoika näher, „das sind unsere Schiffe.“ Zwei rote Punkte erschienen. „Und das ist der Feind, soweit wir seine Position errechnen können. Die Punkte sind groß, das bedeutet, daß wir sehr starke Maschinen festgestellt haben. Ich würde sagen, daß ein Schiff etwa unsere Größe hat, wenn es auch neuer und besser bewaffnet sein wird. Das andere scheint ein Kreuzer zu sein.“