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Eine Stimme antwortete, von kosmischen Störgeräuschen überlagert. „Leutnant Ranjit Singh in Abteilung Zwei. Ich übernehme einstweilen das Kommando. Melden Sie Ihren Zustand und wie viele Leute Sie bei sich haben.“

Flandry tat es. „Sollen wir zu Ihnen kommen, Leutnant?“ endete er.

„Nein. Sehen Sie nach, ob der vordere Geschützturm funktioniert und sagen Sie Bescheid. Wenn ja, besetzen Sie ihn.“

„Aber wir sind bewegungsunfähig. Der Kreuzer ist längst fort. Niemand wird sich mit uns abgeben.“

„Das bleibt abzuwarten, Fähnrich. Gehen Sie an Ihr Geschütz.“

Tote Körper schwebten in der Panzerkuppel des Geschützturms. Sie waren nicht verstümmelt, aber zwei- oder dreitausend Röntgen mußten durch die Panzerung gedrungen sein. Flandry und Dragoika holten sie heraus und ließen sie im freien Raum treiben.

Das Geschütz war noch brauchbar. Das hydraulische Zielsystem wurde von Batterien betrieben. Flandry unterwies Dragoika in der Bedienung der Handräder. Anschließend warteten sie. „Ich hätte nie geglaubt, daß ich an einem solchen Ort sterben würde“, sagte sie. „Aber ich werde im Kampf sterben, und mit einem guten Kameraden an meiner Seite.“

„Vielleicht überleben wir“, sagte er.

„Mach dir nichts vor. Es ist deiner nicht würdig.“

„Nicht würdig? Solange ich noch nicht tot bin, gebe ich nicht auf.“

„Ich verstehe. Vielleicht ist es das, was euch vaz-Terranern so groß gemacht hat.“

Der Merseier kam.

Es war ein Zerstörer, und er schien Schwierigkeiten mit den Triebwerken zu haben. Sein Kapitän mußte erkannt haben, daß er sich während der Reparaturzeit aus dem Gefecht zurückziehen mußte, wenn er nicht leichte Beute für den Gegner sein wollte. Nun näherte er sich langsam der „Sabik“, um das Wrack zu untersuchen und, wenn nötig, den letzten Widerstand zu brechen.

Der Zerstörer hatte seine Raketen verschossen, aber mehrere Geschütze eröffneten das Feuer mit Granaten und Strahlen. Die beiden Wrackteile der „Sabik“ glühten auf, zerbrachen und spuckten weitere Trümmerteile in alle Richtungen.

Flandry hockte auf dem Sattel und kurbelte das Geschütz in Feuerstellung. Der unstabilisierte Rumpf reagierte mit einer Gegendrehung. Flandry mußte warten, bis der Zerstörer mit seinem Heck ins Fadenkreuz kam, dann drückte er ab.

Das Krachen der Detonation war noch nicht verhallt, da sah er, wie sich in der Bordwand des Zerstörers ein Loch öffnete. Luft und weiß kondensierender Wasserdampf strömten aus.

Das langsam um seine Achse rotierende Wrack ließ ihn zu keinem zweiten Schuß kommen. Er wartete und fluchte vor Ungeduld. Als der Zerstörer wieder in Sicht kam, hatte er sich weiter entfernt und das Heckstück der „Sabik“ pulverisiert. Flandry zielte wieder und gab Feuer. Seine Granate riß ein zweites Loch mittschiffs in den Zerstörer. Sein Kapitän hatte genug und drehte ab. Als Flandrys Geschütz zum drittenmal in Schußposition kam, war das Schiff mit bloßem Auge kaum noch auszumachen. Flandry sprang von seinem Sitz und umarmte Dragoika. Beide brachen in Triumphgeschrei aus.

* * *

„Umbriel“ und „Antarctica“: aufgerissen, zerschlagen, lahm, angefüllt mit Verwundeten, aber siegreich — näherten sich dem Planeten. Die Aufklärer hatten ihre Arbeit längst getan und Kurs auf die Grenze des Imperiums genommen. Aber Ranjit Singh wollte seinen Männern einen Blick auf das gewähren, wofür sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten.

Flandry und Dragoika standen neben ihm auf der Brücke der „Umbriel“. Der Planet füllte den ganzen Bildschirm aus. Er war kaum größer als der Erdmond und schien wie er weder eine Atmosphäre noch Wasser oder Leben irgendeiner Art zu besitzen. Kahle und zerklüftete Berge erhoben sich aus aschenfarbenen Ebenen. Öde, leer und blind wie ein Totenschädel zog er seine Bahn.

„Ein Planet“, hauchte der selbsternannte Kapitän. „Ein Irrläufer, ein sonnenloser Planet.“

„Er ist auf Kollisionskurs mit Saxo, Kapitän“, sagte Flandry. Er war zu Tode erschöpft. „In knapp fünf Jahren wird er die Sonne treffen. Soviel Masse entspricht der Energie von drei Jahren Sonnenausstrahlung, und diese Energie wird sich irgendwie entladen, innerhalb weniger Sekunden. Und Saxo ist ein weißer Zwerg, der in einigen Millionen Jahren expandieren wird. Die innere Unstabilität muß jetzt schon im Wachsen sein. Der Aufschlag dieser Masse dürfte genügen. Saxo wird zu einer Nova werden. Explodieren.“

„Und unsere Flotte…“

„Richtig. Die Sache klingt unwahrscheinlich. Die interstellaren Entfernungen sind zu groß. Aber das Universum ist noch größer. Ganz gleich wie unwahrscheinlich es erscheint, alles was möglich ist, muß einmal geschehen. Dies ist so ein Fall. Merseiische Entdecker haben diesen Planeten gefunden und seinen Kurs und seine Geschwindigkeit berechnet. Brechdan erkannte, was es bedeutete. Ich vermute, daß er beabsichtigte, den Konflikt auf Starkad auszuweiten, Schritt für Schritt, wie es ihm sein Fahrplan vorschrieb, bis eines Tages unsere Hauptstreitmacht im Raum Saxo-Starkad versammelt wäre, kurz vor der Explosion. Wahrscheinlich hätten wir den Planeten nicht bemerkt. Er kommt fast senkrecht auf die ekliptische Ebene herunter, und gegen Ende seiner Reise wird er in Saxos Helligkeit untertauchen. Seine Geschwindigkeit beträgt schon jetzt siebenhundert Kilometer pro Sekunde und wird noch wachsen, je mehr sich Saxos Anziehungskraft auswirkt. Wir hätten uns überhaupt nicht in der Richtung umgesehen, sondern unsere Aufmerksamkeit auf Brechdans Streitkräfte konzentriert. Sie aber hätten Bescheid gewußt und sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Unsere Flotte — nun, die Anfangsstrahlung wird sich mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnen. Sie hätte die Mannschaften getötet, bevor sie überhaupt etwas geahnt haben würden. Ein paar Stunden später hätte die erste heiße Gaswelle die Schiffe verdampft. Das Imperium hätte seine Flotte verloren und sich Merseias Expansion nicht länger widersetzen können. Das ist in meinen Augen der Grund, warum auf Starkad Krieg geführt wird.“

Ranjit Singh zupfte an seinem Bart. „Können wir nichts unternehmen? Können wir nicht versuchen, diesen Planeten mit überschweren Nuklearraketen zu sprengen?“

„Das weiß ich nicht. Ich möchte es bezweifeln. Zu viele Bruchstücke würden auf derselben Bahn weiterfliegen. Das müßten Experten prüfen. Natürlich können wir Starkad evakuieren. Es gibt andere Planeten.“

„Willst du es mir jetzt sagen?“ fragte Dragoika.

Flandry erklärte es ihr. Er war bestürzt, als sie weinte.

16

Highport lag still und fast verlassen. Die wenigen noch hier verbliebenen Männer saßen kartenspielend in den häßlichen Baracken oder schlenderten durch die staubigen Straßen und warteten auf Befehle. Kaum einer, der sich nicht nach Hause sehnte. Baustellenlärm und Düsengeheul waren verstummt, und nach den ersten tumultartigen Feiern gab es keine Freudenausbrüche mehr. Das Ende des Krieges hatte die Leute benommen zurückgelassen. Zuerst war die lapidare Ankündigung gekommen, daß Admiral Enriques und Fodaich Runei einen Waffenstillstand vereinbart hätten, während sie mit ihren Regierungen sprachen. Dann, nach tagelanger Ungewißheit, waren die Schiffe eingetroffen, war die Proklamation veröffentlicht worden, daß Imperium und Roidhunat gemeinsam die Evakuierung der Bewohner des zum Untergang verurteilten Planeten Starkad vorbereiten und ihren Konflikt beenden würden. Kurz darauf hatten beide Parteien ihre Streitkräfte bis auf wenige Beobachter abgezogen. An ihrer Stelle waren Zivilisten gekommen, Wissenschaftler und Organisatoren für das neue Evakuierungsprojekt. Und dazu zahllose Gerüchte. Wie konnte man da weiterleben, als sei nichts Besonderes geschehen? Nichts würde jemals wieder ganz normal sein. Nachts sah man die Sterne über sich und erschauerte.