„Soviel ich gehört habe, sind Sie übereingekommen, das Gefecht als einen Irrtum der beiden Flottenkommandeure anzusehen, die ihre Befehle mißverstanden haben.“
„Richtig.“ Er packte Flandrys Arm mit unerwarteter Heftigkeit. „Jede andersgeartete Schilderung des Hergangs verstößt gegen das Interesse des Staates. Ist das klar?“
„Jawohl. Ich bin bereits unterrichtet.“
„Sie können von Glück sagen, daß es so gekommen ist“, fuhr Hauksberg milder fort. „Die Notwendigkeit der Geheimhaltung bringt es notwendigerweise mit sich, daß die gegen Sie erhobenen Anklagen zurückgezogen werden. Was nach unserer Ankunft auf Merseia geschehen und aktenkundig geworden ist, wird in das geheime Staatsarchiv eingehen. Sie sind frei, junger Mann.“
Flandry nahm die Hände auf den Rücken, wo er sie zu Fäusten ballte. Mühsam sagte er: „Wollen Sie so gütig sein und Ihre persönliche Vergebung hinzufügen?“
„Oh, richtig — aber ja!“ Hauksberg lachte und schlug ihm auf die Schulter. „Sie haben absolut richtig gehandelt. Für eine absolut falsche Sache, um es genau zu sagen, aber durch eine glückliche Fügung haben Sie meinen Zweck für mich erreicht, Frieden mit Merseia. Warum sollte ich Ihnen grollen?“ Er gab ihm ein Augenzwinkern. „Was eine bestimmte Dame angeht, so wollen wir die Sache nicht dramatisieren. Schwamm drüber.“
Flandry konnte nicht mitspielen. „Aber wir haben keinen Frieden!“ brach es aus ihm heraus. „Sie hatten unsere Vernichtung geplant. Wie können wir sie ungestraft lassen?“
„Beruhigen Sie sich. Ich bin überzeugt, daß sie keine solche Absicht hatten. Wenn man diese kosmische Kollision überhaupt als Waffe ansehen kann, so hätten sie sie nur gegen uns zur Auswirkung kommen lassen, falls wir sie dazu gezwungen hätten. Vergessen Sie nicht, daß wir für Merseia ebenso eine Bedrohung darstellen wie sie für uns. Hätten wir einen aufrichtigen Willen zur Zusammenarbeit und Verständigung gezeigt, so wäre kein Grund gewesen, uns unbenachrichtigt zu lassen.“
„Wie können Sie das sagen?“ entgegnete Flandry mit erstickter Stimme. „Die Merseier wollen uns aus dem Universum vertreiben!“
„Das ist genug, Fähnrich. Ersparen Sie mir diese abgedroschene Propaganda. Die Geschichte dieses Zwischenfalls wird von der Regierung eben deshalb unterdrückt, weil sie zu leicht zum Gegenstand Ihrer Art von Fehlinterpretation gemacht werden und die künftigen Beziehungen zwischen den Regierungen belasten könnte. Brechdan hat seinen Friedenswillen durch den Abzug seiner Streitkräfte von Starkad bereits unter Beweis gestellt. Ich glaube, Sie sind noch nicht alt genug, Fähnrich, um die Außenpolitik des Imperiums festzulegen.“
Flandry schluckte. „Ich bitte um Entschuldigung.“
Hauksberg betrachtete ihn aufmerksam, dann lächelte er. „Nein, keine Ursache. Wirklich, ich bin ein Mensch, mit dem man reden kann. Und Sie meinen es auch gut. Eines Tages werden Sie klüger sein. Hier ist meine Hand.“
Flandry blieb keine Wahl. „Wenn Sie sich von Persis verabschieden wollen“, ergänzte Hauksberg, „dann können Sie sie im Gästezimmer antreffen.“
Flandry marschierte mit langen Schritten davon. Als er beim Hauptquartier angelangt war und sich bei den Posten ausgewiesen hatte, war sein Zorn vergangen, und Leere war an seine Stelle getreten. Er ging durch die Suite der Gästezimmer und blieb stehen. Warum weitergehen? Warum noch etwas tun?
Persis kam auf ihn zu. Sie trug ein grünseidenes Kleid und Brillanten am Hals und an den Ohren. „Oh, Nicky, Nicky!“ Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und schluchzte.
Er tröstete sie mechanisch. Sie hatten einander nicht oft gesehen, seit er vom Gefecht zurückgekehrt war. Er war für Ridenour in Ujanka gewesen und hatte von früh bis spät gearbeitet, und diese Arbeit hatte ihn so gefesselt, daß er nur ungern Besuche in Highport gemacht hatte. Sie war tapfer und intelligent, und das Zusammensein mit ihr hatte ihm Spaß gemacht, und zweimal hatte sie ihn vor Katastrophen bewahrt, aber sie sah sich nicht dem Ende ihrer Welt gegenüber. Und überdies war ihre Welt nicht die seine, konnte es niemals werden.
Sie setzten sich auf einen Diwan. Er hatte einen Arm um ihre Taille gelegt, in der freien Hand eine Zigarette. Sie blickte auf den Boden. „Werde ich dich auf der Erde wiedersehen?“ fragte sie.
„Ich weiß nicht. In absehbarer Zeit wohl kaum, fürchte ich. Mein Marschbefehl ist durchgekommen. Ich bin zur Akademie für das Nachrichtenkorps abkommandiert.“
„Könntest du dich nicht um eine Versetzung irgendwo nach draußen bemühen? Ich könnte vielleicht etwas arrangieren…“
„Ein gemütlicher Bürojob mit regelmäßigen Dienststunden? Nein, danke. Dies ist ein Gebiet, das mir gefällt, das einem Zweck dient. Wenn ich die Gelegenheit nicht wahrnehmen würde, was hätte das Leben dann für einen Sinn?“
„Darauf wüßte ich eine Antwort“, sagte sie leise. „Aber ich glaube, das würdest du nicht verstehen.“
Darauf wußte er nichts zu sagen. Ihre Lippen streiften seine Wange. „Dann geh nur“, sagte sie. „Ich wünsche dir Glück.“
„Ah… hast du keine Schwierigkeiten, Persis?“
„Ich? Nein, nein. Markus ist ein zivilisierter Mann. Vielleicht bleiben wir sogar auf der Erde noch eine Weile zusammen. Mach dir keine Sorgen um mich. Leute meines Schlages wissen, wie man immer wieder auf den Füßen landet.“
Eine frohe Regung kam in ihm auf, hauptsächlich Erleichterung, daß er nicht verpflichtet war, sich um ihr Fortkommen Gedanken zu machen. Zum Abschied küßte er sie mit einer guten Imitation von Wärme.
Sie war so gut, daß ihm seine Einsamkeit doppelt schwer zu Bewußtsein kam, als er wieder auf der Straße stand. Er floh zu Max Abrams.
Der Oberst räumte sein Büro auf, denn er sollte mit demselben Transport zur Erde zurückkehren, dem auch Flandry zugeteilt war. Von der Erde wollte er nach Dayan weiterfliegen, um einen Urlaub bei seiner Familie zu verbringen. Als Flandry hereinstürzte, richtete er sich hinter seinem Schreibtisch auf und legte einen Stoß staubiger Schnellhefter aus der Hand. „Hallo!“ sagte er munter. „Was bedrückt unseren Helden?“
Flandry warf sich in einen Sessel. „Warum machen wir noch weiter?“ rief er erbittert. „Was hat es noch für einen Sinn?“
„Sachte, sachte. Sie brauchen was zu trinken.“ Abrams zog eine halbleere Flasche aus dem Schreibtisch, hieß Flandry Gläser bringen und schenkte ein. „Prost.“
Flandrys Hand zitterte. Er stürzte den Whisky in einem Zug herunter und hustete. Abrams zündete sich eine Zigarre an. „Also“, sagte er. „Was ist?“
„Ich habe mit Hauksberg gesprochen.“
„Na und?“
„Er… er geht ungeschoren zurück, ohne einen Flecken auf seinem Wappenschild. Wahrscheinlich kriegt er noch einen Orden. Und er schwafelt immer noch von Frieden.“
„Langsam. Er ist kein Ungeheuer. Natürlich ist seine politische Karriere an den Standpunkt gebunden, den er einnimmt. Er kann sich nicht leisten, zuzugeben, daß er sich möglicherweise geirrt hat. Und es wäre nicht fair von uns, wenn wir ihm ein Bein stellten, selbst wenn wir es könnten. Auch nicht klug. Wir brauchen ihn.“
„Wie bitte?“
„Denken Sie nach. Überlegen Sie, wie hübsch man ihn unter Druck setzen kann. Keine direkte Erpressung, nichts so Vulgäres. Aber eine hochgezogene Augenbraue im entscheidenden Moment. Eine harmlose Anspielung, wenn er den Mund zu etwas aufmachen will, was uns nicht paßt. Sicher, bei den Massen wird er populär sein. Er wird noch mehr Einfluß haben als bisher. Sehr schön. Besser ihn als einen anderen mit den gleichen Ansichten, einen, der keine Angriffsfläche bietet.“
„Aber ich… na ja…“
Abrams blickte stirnrunzelnd in die Rauchwolke seiner Zigarre. „Außerdem“, sagte er, „brauchen wir die Pazifisten als Gegengewicht zu den rabiaten Militaristen. Ich habe einmal anders gedacht, aber nun sehe ich es ein. Wir können keinen Frieden machen, aber wir können auch keinen richtigen Krieg machen. Der Mensch ist von Natur aus kein besonders geduldiges Wesen. Er muß gezügelt werden. Wir können nichts tun als die Stellung zu halten.“