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Pullen seufzte.»Es ging eine schriftliche Anzeige ein, Sir Richard. Aber Ihnen sollte die Angelegenheit keinen Anlaß zur Sorge bieten. Es handelt sich nur um einen lästigen Zwischenfall.»

«Sie sind impertinent, Sir«, sagte Bolitho leise.»Diese Frau wurde mißhandelt und ausgepeitscht! Kapitän Keen tat nur seine Pflicht.»

«Das ist nicht von Belang, Sir Richard.»

Bolitho starrte ihn an und erwiderte:»Wir sind hier auf einem Schlachtfeld, Mr. Pullen, nicht in einem sicheren und bequemen Büro. Hier habe ich die Befehlsgewalt. Wenn ich Sie ergreifen und halb totpeitschen lassen würde, dürfte niemand meinen Befehl in Frage stellen. «Er hörte, wie der Mann scharf Luft holte.»Es könnte Monate dauern, bis mich jemand zur Rechenschaft zieht. Würden Sie auch das als einen >lästigen Zwischenfall bezeichnen?»

Pullen schluckte.»Ich wollte Sie nicht beleidigen, Sir Richard.»

«Das haben Sie aber getan! Glauben Sie vielleicht, ich sehe tatenlos zu, wie der Name eines mutigen Offiziers wegen dieser Absurdität in den Schmutz gezogen wird?»

Pullen beugte sich vor. Sein Selbstvertrauen kehrte zurück.»Dann ist an der ganzen Sache also nichts Wahres dran?»

«Darauf brauche ich nicht zu antworten.»

Pullen erhob sich und stellte sein noch volles Glas auf den Tisch.»Nicht mir, Sir. Aber Sie werden dem Befehl entnehmen, daß Sie zusammen mit Ihrem Flaggkapitän vorgeladen sind.»

Bolitho starrte ihn an.»Ich soll diese Station verlassen? Wissen Sie, was Sie da sagen? Haben Sie denn keine Vorstellung von den Absichten des Feindes?»

«Für Erwägungen dieser Art bin ich nicht zuständig, Sir Richard. «Pullen verbeugte sich knapp.»Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich mich nun zurückziehen, während Sie Ihre Entscheidung treffen.»

Lange Zeit blieb Bolitho stocksteif unterm Skylight stehen. Das Ganze war nur ein böser Traum. Wie die Schatten vor seinen Augen mußte er bald verfliegen.

Adam sagte bitter:»Ich hatte keine Ahnung davon, Onkel. Warum hast du mir nichts von dieser Frau gesagt?«Er zögerte.»Es darf keinen Klatsch geben.»

Bolitho ergriff seinen Arm.»Sie ist hier an Bord, Adam. Wenn dieser Widerling der Sache einen so unanständigen Anstrich geben konnte, ist mehr Schaden angerichtet worden, als ich dachte. Es handelt sich um ein braves, tapferes Mädchen, das wegen einer falschen Beschuldigung in die Verbannung geschickt wurde. Und das werden wir beweisen.»

Die Tür ging auf, und Keen kam mit bleichem Gesicht herein.

«Aber bis uns das gelungen ist, kommt sie in Eisen auf ein Sträflingsschiff«, sagte er und schaute Adam an.»Ich liebe sie, müssen Sie wissen. Ich liebe sie mehr als mein Leben.»

Adam schaute von einem zum anderen, spürte sofort Keens Aufrichtigkeit und das Mitgefühl seines Onkels.

«Pullen ist Kartenspieler«, meinte Adam. Beide starrten sein dunkles Gesicht an, das nun grimmig geworden war.»Ich könnte ihn des Falschspiels bezichtigen und zum Duell fordern.»

Bolitho trat zu ihm und packte ihn an den Schultern.

«Nein. Wir haben schon genug Ärger. Laß deinen Degen stecken. «Er drückte seine Schultern.»Aber du bist ein Prachtkerl.»

«Ich habe einen Brief von Lady Belinda für dich«, sagte Adam bedrückt und hielt Bolitho den Umschlag hin.»Und ich weiß, weshalb du Pullens Papiere nicht gelesen hast. «Diese Erkenntnis schien ihn zu schockieren.

«Mußt du sofort weiter?«fragte Bolitho.

«Aye. «Als Adam den Kopf senkte, fiel ihm das widerspenstige Haar in die Stirn.»Ich hörte, daß John Hallowes gefallen ist, Onkel. Er war mein Freund.»

«Ich weiß. «Gemeinsam gingen sie zur Tür.»Ausgerechnet jetzt, da ich hier am meisten gebraucht werde, muß ich wegen dieser dummen Affäre das Geschwader verlassen. Bis zu meiner Rückkehr übergebe ich Inch das Kommando. «Er schaute Keen an.»Keine Angst, ich lasse das Mädchen nicht im Stich.»

Adam folgte Keen hinaus und sah Pullen an der Pforte warten. Wer steckt hinter diesen Anschuldigungen? fragte er sich. Daß sie auf Wahrheit beruhten, fand er weniger wichtig.

Er grüßte die Ehrenkompanie und sah dann Keen an.

«Sie haben meine Loyalität, Sir. «Er berührte seinen Degen.»Und meine Waffe auch, wenn Sie sie brauchen. «Dann folgte er Pullen ins Boot.

Keen wartete, bis die Gig angerudert hatte, und ging dann hinüber zu seinem Ersten Offizier.»Wir setzen Segel, sobald der Admiral einen Brief zur Firefly geschickt hat.»

Pullen hatte offensichtlich als Beobachter bis Malta an Bord bleiben wollen, um sich dann am Ziel in einen Kerkermeister zu verwandeln. Bolithos Drohungen hatten ihn wohl umgestimmt. Nun würde er sie dort mit noch verschärfter Feindseligkeit erwarten.

«Ich finde das Ganze sehr bedauerlich, Sir. «Paget zuckte unter Keens scharfem Blick zusammen, wich aber nicht zurück.»Uns tut das allen leid. Es ist nicht fair.»

Keen senkte den Blick.»Vielen Dank. Ich glaubte, es sei genug, im Krieg tapfer zu kämpfen. Aber offenbar gibt es Leute, die meinen, es stünde uns besser an, uns gegenseitig an die Kehle zu springen.»

Ein Boot trug Bolithos hastig diktierten Brief hinüber zur Brigg, und als die Nacht hereinbrach, war Firefly bereits hinter der Kimm verschwunden.

Keen ging auf dem Achterdeck auf und ab und starrte in den roten Sonnenuntergang. Firefly hatte also doch nur schlechte Nachrichten gebracht.

XI Heimlich von Bord

Am frühen Morgen begab sich Bolitho aufs Achterdeck. Zwei Tage waren verstrichen, seit Adam mit Firefly eingetroffen war und ihm die Vorladung überbracht hatte.

Argonaute lag unter Marssegeln und Klüver behaglich auf Steuerbordbug. Ihre Decks waren noch taufeucht, die Seeleute räumten im Morgendämmerlicht geschäftig lose Taue weg und scheuerten die Decksplanken. Ein widerlicher Geruch kam aus dem Schornstein der Kombüse; bald würden alle Mann zum Frühstück entlassen werden.

Bolitho sah, wie der Wachhabende ihn verblüfft anstarrte und sich dann hastig zur Leeseite verzog. Auch die Rudergänger drückten das Kreuz durch; Augenblicke zuvor hatten sie sich noch müde an das Doppelrad gehängt und nur an Frühstück gedacht, wie miserabel es auch ausfallen mochte.

Ein, zwei Matrosen schauten vom Hauptdeck zu Bolitho auf. Seit seiner Verwundung hatten sie ihn nur selten zu Gesicht bekommen. Er hielt die Hand übers Auge und schaute zum Land: lila und tiefblau über einem stahlblauen Horizont. Am Himmel zogen vereinzelte Wolken dahin, deren Ränder die aufgehende Sonne rosa und golden färbte. Die See war ruhiger.

Er machte ein paar Schritte, hielt die Hände fest auf dem Rücken verschränkt. Als er nach einzelnen Gestalten Ausschau hielt, schlug sein Herz schneller. Bis auf jene, die in den Schatten zwischen den Geschützen standen, konnte er alle erkennen.

Er rief den Wachhabenden an.»Guten Morgen, Mr. Machan.»

Der Offizier legte die Hand an den Hut und eilte herbei.»Ein schöner Tag, Sir Richard. «Das klang verwirrt und erfreut.

Bolitho musterte ihn eingehend. Er konnte ihn besser sehen, als er zu hoffen gewagt hatte, entsann sich aber, Sheaffe vor kurzem mit einem anderen Offizier verwechselt zu haben. Dann merkte er, daß Machan unter seinem scharfen Blick unruhig wurde.

«Ist vom Masttopp aus die Helicon zu erkennen?«fragte Bolitho.

Sie hatten Inchs Schiff und sein Schwesterschiff noch kurz vor Einbruch der Nacht gesehen; bei Tageslicht würden sie sich alle wieder zusammenfinden — außer der seltsam getarnten Barracouta — aber nur, um wieder an Stärke zu verlieren, wenn das Flaggschiff nach Malta segelte.

Es war Wahnsinn, aber Bolitho wußte, daß der Befehl ihm keinen Spielraum für Auslegungen ließ. Wenn Keen vor ein Tribunal zitiert wurde, mußte er sich auf eigenem Kiel dorthin begeben. Kam er als Passagier auf einer Kurierbrigg, erklärte er sich praktisch schuldig.

Er stellte fest, daß er wieder rastlos auf- und abging und daß Machan auf seinen Posten an den Netzen zurückgekehrt war. Die Nachricht würde sich erst unter Deck und dann auf allen anderen Schiffen des Geschwaders verbreiten: Der Admiral war wieder auf den Beinen.