«Vizeadmiral Bolitho hat uns Barracoutas Aufgabe erklärt«, sagte er.»Ich vertraue seinem Urteil.»
«Aber sicher«, meinte Houston und lächelte Montresor schief an.»Wir kennen ihn halt nur noch nicht so lange wie Sie.»
Inch setzte ein gefährliches Grinsen auf.»Er hat mir bis zu seiner Rückkehr das Kommando übergeben. Das sollte Ihnen reichen.»
Houstons Lächeln schwand bei Inchs neuem Tonfall.»Ich wollte keine Kritik an seinen Überlegungen üben. Es geht nur.»
«Gut. «Inch lauschte dem Ächzen der Balken, dem fernen Knallen der Segel, als das Schiff vom Wind gekrängt wurde. Bolitho fehlte ihm. Er schien immer in der Lage zu sein, die Pläne des Feindes vorauszusagen, und Inch hatte nie erlebt, daß er die Tricks der Franzosen unterschätzte.
«Vielleicht sollten wir uns mit Nelsons Geschwader vor Toulon in Verbindung setzen«, sagte Houston.»Mag sein, daß er weiß, worum es geht. Ich glaube noch immer, daß das Ziel der Franzosen Ägypten ist. Wir haben Napoleon einmal bei Abukir geschlagen, aber vielleicht will er es noch mal versuchen. «Er stand auf uid wiegte sich mit den Bewegungen des Decks.»Nun muß ich mich empfehlen.»
Inch nickte bedauernd. Es gab noch viel zu besprechen, doch Houston hatte recht: Wenn das Wetter sich weiter verschlechterte, würde er nie zu seinem Schiff zurückfinden.
Er hörte eine ferne, wie verlorene Stimme aus dem Rigg.
Montresor sagte:»Der Ausguck hat etwas gesichtet. «Er schüttelte sich.»Kein guter Tag für Überraschungen.»
Es klopfte an. Inchs Erster Offizier war persönlich gekommen.»Signal von Rapid, Sir: Schiff im Nordwesten gesichtet.»
Er warf den anderen einen Blick zu.»Der Wind wird immer stärker. Soll ich mehr Segel wegnehmen lassen?«Inch zupfte sich am Ohr.»Nein. Lassen Sie die Herren hier zu ihren Booten bringen. Danach möchte ich an Rapid signalisieren, ehe sie außer Sicht kommt.»
Als der Leutnant hinwegeilte, wandte er sich an die anderen.
«Daß Rapid bei diesem Wetter ein bloßes Fischerboot meldet, ist ausgeschlossen. «Er sah zu, wie seine Worte ihre Wirkung taten.»Bleiben Sie also gut auf Station hinter Helicon und bereiten Sie sich auf ein Gefecht vor.»
Montresor starrte ihn an. Er war noch nicht lange genug Kommandant, um seine Gefühle verbergen zu können.»Glauben Sie wirklich, daß es ein Franzose ist?»
Inch dachte an Bolitho. Wie hätte er die Lage dargestellt?
«Ja. Der Wind steht günstig für sie, ungünstig für uns. «Er hob die knochigen Schultern.»Wir müssen unseren Auftrag erfüllen, dazu sind wir hier.»
Die beiden Kommandanten verließen das Schiff mit ungebührlicher Hast. Helicon drehte so kurz wie möglich bei, um sich dann wieder gegen die schweren Brecher zu stemmen.
Inch warf einen Blick auf den Kompaß: Nordost zu Ost. Gischt prasselte in Luv über die Netze und ließ die Männer der Wache fluchen. Savill, sein Erster Offizier, überschrie den Wind:»Der Ausguck meldet, daß Rapid das Signal immer noch gesetzt hat, Sir. «Er schien freudig erregt.
Inch dachte nach. Das bedeutete vermutlich, daß Quarrell mit einem weiteren fremden Schiff rechnete.
«Signal von Dispatch, Sir: Kommandant ist wohlbehalten an Bord.»
Inch grunzte und dachte besorgt an Houstons Boot, das sich weiter mühsam zur Icarus quälte.
Der Ausguck schrie:»Neues Signal von Rapid, Sir! Im Nordwesten zwei Schiffe in Sicht!»
Inch schaute seinen Ersten Offizier an. Zwei Schiffe? Zu Nelsons Flotte konnten sie so weit südlich im Golfe du Lion nicht gehören. Und bei diesem Wetter würde bestimmt kein Handelsschiff die Blockade durchbrechen, schon gar nicht in Begleitung eines zweiten.
Houston hatte recht gehabt: Barracouta mochte den Ausschlag geben, wenn sie jetzt zur Stelle gewesen wäre.
«Diesmal meinen die Franzosen es wohl ernst, Mr. Savill. Setzen Sie bitte mehr Segel. Ich beabsichtige, zu Rapid aufzuschließen. «Er nahm ein Teleskop und ging aufs Hüttendeck, um Ausschau nach Icarus zu halten. Doch im nassen Nebel achteraus war nichts zu erkennen; selbst Dispatch wurde von ihm eingehüllt. Gott, mußte das ausgerechnet jetzt passieren? Er fuhr den Midshipman, der ihm wie ein Hündchen gefolgt war, an:»Signal ans Geschwader: >Mehr Segel setzen<.»
Die Signalflaggen wirkten vor den tiefen Wolken sehr bunt.
Nun hatte er seine Chance. Zur Abwechslung brauchte er sich mal nicht nach den Anweisungen vom Flaggschiff zu richten. Diesmal hatte er selbst den Befehl. Wenn er Hannah davon erzählte, würde sie ihn mit ihren veilchenblauen Augen bewundernd anschauen. Bolitho verwundet und mit Keen nach Malta gerufen: absurd, daß man ihn wegen dieses dummen Verfahrens vom Geschwader wegbeordert hatte. Doch ganz gleich, was die Gründe waren: Francis Inch befehligte vorübergehend das Geschwader. Ihm war, als sei plötzlich eine schwere Last von ihm genommen. Jetzt hatte er keine Zweifel mehr und wußte, daß er furchtlos in das Gefecht gehen konnte.
Er war stolz auf sein Schiff und die Mannschaft. Die Matrosen kletterten mit wild flatternden Hosen hinaus auf die Rahen, Segel lösten sich donnernd und füllten sich unter dem Winddruck, so daß die Schräglage des Decks noch zunahm. Achteraus wurde Icarus hinter Dispatch ganz kurz sichtbar.
«An Deck!«Das war ein Leutnant. Savill hatte mit der Entsendung eines erfahrenen Mannes ins Krähennest recht getan.»Signal von Rapid: Drei Linienschiffe im Nordwesten!»
Inch spürte am ganzen Körper ein Prickeln. Also drei. Nun konnte kein Zweifel mehr bestehen. Das waren die Franzosen.
«Signal ans Geschwader, Mr. Savilclass="underline" Klar zum Gefecht.»
Inch dachte an Bolitho und war stolz, an diesem Tag mit der Führung betraut zu sein.
Trommelwirbel erklang, und als wieder Gischt über den Bug der Helicon fegte, schien die Brutalität von See und Wind einen Vorgeschmack auf das zu bieten, was ihnen bevorstand.
XIII Westwind
Inch schaute zu den Marssegeln auf, als Spritzwasser durch die Wanten trieb wie zerfetzte Banner. Der Rumpf ächzte unter der Belastung.
Doch der Lärm täuschte ihn nicht über die Tatsache hinweg, daß sie nur langsam vorankamen. Wenn der Wind nicht zu ihren Gunsten umsprang — er verbannte die Folgerung aus seinen Gedanken.
«Einen Strich mehr nach Luv, Mr. Savill.»
Er hörte die erstickten Rufe, als seine Männer sich abmühten, dem Befehl Folge zu leisten. Er konnte noch nicht wagen abzufallen, damit mußte er bis zum letzten Augenblick warten, wenn Manövrierfähigkeit am wichtigsten war. Der Zweite Offizier stand oben im Krähennest und beobachtete die näherkommenden Schiffe, was ihm bei dem hartnäckigen Nebel nicht leicht fallen mußte. Das Land lag nur fünf Meilen querab, war aber trotzdem unsichtbar. Binnen einer Stunde hatte sich die See von Haifischblau zu Zinngrau verfärbt und zu zornigen Kämmen aufgetürmt, die vom Wind, der mit gespenstischem Geheul durchs Rigg fuhr, zerfetzt wurden.
Savill kam auf dem schiefen Deck herangetaumelt, Wasser troff ihm von Gesicht und Brust.»Schiff ist klar zum Gefecht, Sir!»
Inch biß sich auf die Lippen. Sie konnten es nicht wagen, die Leepforten des unteren Batteriedecks zu öffnen, da es sonst binnen weniger Minuten überflutet sein würde. Aber er tröstete sich mit dem Gedanken, daß es den drei französischen Schiffen auch nicht anders erging. Drei gegen drei. Die Chancen standen nicht übel. Ob der Feind versuchte, einem Gefecht auszuweichen? Unwahrscheinlich, entschied Inch. Wenn die Franzosen tatsächlich aufs offene Meer zuhielten, würde Helicon mit dem Geschwader wenden, um bei der Verfolgung den Wind besser zu nutzen. Nein, wahrscheinlicher war, daß der französische Admiral weiter auf diesem Bug blieb, da er ihm den Windvorteil bot.