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Er wandte sich abrupt ab.»Nehmen Sie Fahrt auf und befehlen Sie dem Geschwader, hinterm Flaggschiff auf Station zu gehen.»

Inchs Anwesenheit an Bord wird uns allen eine Mahnung und Warnung sein, dachte Keen.

Im Orlopdeck der Argonaute zog Allday in der winzigen Kammer, die er mit Segelmacher Mannoch teilte, eine flak-kernde Laterne dichter an seine Arbeit heran. Allday war groß und kräftig gebaut, und in seiner Faust wirkte ein Entermesser so zierlich wie der Seitendolch eines Kadetten. Aber das Modell, das er zur Hälfte fertiggestellt hatte, war ebenso fein. Allday hatte es aus Holz, Knochen und sogar Menschenhaar angefertigt und musterte es jetzt mit kritischem Auge. Von jedem Schiff, auf dem er unter Bolitho diente, hatte er ein Modell geschnitzt.

Er nahm das kleine Schiff auf die Handfläche und drehte es langsam vor der Laterne hin und her. Es war ein Zweidek-ker mit vierundsiebzig Kanonen, und er grunzte mit widerwilliger Zufriedenheit.

Unten im Orlopdeck, in das niemals Tageslicht fiel, herrschte immer dicke Luft. In der kleinen Kammer roch es außerdem nach Rum. In seinem Fach war Mannoch zwar ein Genie, doch er schaute zu gern ins Glas und wurde deshalb von seinen Gehilfen Old Grog genannt.

Allday rutschte auf der harten Seemannstruhe hin und her und dachte an das Mädchen, wie er es zuletzt mit kurzem Haar und in geborgten Kleidern gesehen hatte. In Malta hatte es auf der Fahrt zu dem Handelsschiff noch einen Zwischenfall gegeben: Eines der Wachboote hatte sie fast längsseits passiert. Aber er hatte der Besatzung des Bootes eine Tracht Prügel angedroht, wenn sie auch nur ein Wort verlauten ließe. Manchen war überhaupt nichts aufgefallen. Im Dunkeln sah ein Midshipman aus wie der andere.

Wieder einmal hatte er damals ernsthaft an eine Ehe gedacht. Er grinste vor sich hin. Aber wer will schon einen alten Bock wie mich?

Es klopfte an die schmale Tür, und er sah zu seinem Erstaunen Bankart eintreten.

«Ja, was gibt's?»

«Darf ich mit dir reden?»

Allday rutschte auf der Truhe zur Seite, um Platz zu machen.»Worüber?»

Er sah dem Jungen ins Gesicht und mußte an seine Mutter denken, ein sauberes, frisches Mädchen. Auch damals hatte er erwogen, zu heiraten. So viele hatte er gekannt, in so vielen Häfen, doch die Wirtstochter aus Falmouth war die einzige, die er nicht vergaß.

«Ich will kein böses Blut zwischen uns!«platzte Bankart heraus, sah ihm dabei aber nicht in die Augen. Er war so störrisch wie Allday und erstaunt, den Gang überhaupt getan zu haben.

«Dann mal raus damit. «Allday musterte ihn streng.»Und schwindle mir bloß nichts vor.»

Bankart hob die Fäuste.»Du magst mein Vater sein, aber trotzdem.»

Allday nickte.»Ich weiß. Ich hab' mich noch nicht ganz daran gewöhnt. Tut mir leid, Sohn.»

Der Junge starrte ihn an.»Sohn«, wiederholte er leise. Dann sagte er:»Du hattest recht, ich wollte zu dir nach Falmouth. «Er schaute ihn aus hellen Augen an.»Ich wollte ein richtiges Zuhause haben. «Er schüttelte verzweifelt den Kopf.»Nein, unterbrich mich jetzt nicht, sonst bringe ich das nie heraus. Ich wollte zu dir, weil ich keine Lust hatte, mich noch länger herumscheuchen und betrügen zu lassen. Ich habe immer zu dir aufgeschaut, weil Mutter mir so viel Gutes über dich erzählt hat. Zur Marine habe ich mich nur gemeldet, weil ich dachte, das gehört sich so. Du hast's ja auch getan.»

Allday nickte, sein Schiffsmodell war vergessen.

«Dann starb Mutter. Und ich bat einen Freund, an dich zu schreiben. «Er starrte zu Boden.»Aber ein richtiges Zuhause war mir eigentlich wichtiger als ein Vater. «Als er den Blick wieder hob, brach es aus ihm heraus:»Ich kann doch nichts dafür, daß ich Angst habe. Ich bin eben nicht wie die anderen! Ich habe noch nie Männer auf so schreckliche Weise sterben gesehen!»

Allday packte ihn am Handgelenk.»Ruhig, Sohn. Sonst kommen die Knochenbrecher und sehen nach, was los ist. «Er tastete hinter der Truhe herum und holte eine Tonflasche und zwei Becher hervor.»Trinken wir erst mal einen.»

Bankart nahm einen raschen Schluck und hustete.

«Das ist richtiger Rum«, sagte Allday,»nicht die Brühe, die der Proviantmeister ausgibt. Hör zu: Die meisten anderen haben auch Angst. Man muß nur lernen, sich nichts anmerken zu lassen. «Er schüttelte ihn sanft am Handgelenk.»Und dazu braucht man seinen ganzen Mut!»

«Du bist da bestimmt anders. «Bankart trank vorsichtig einen Schluck.

«Mag sein. Dafür hat schon unser Dick gesorgt. Er ist ein prachtvoller Mann, ein Freund sogar. Ich würde mein Leben für ihn geben.»

Bankart stand auf, und sein Haar streifte die Decke.»Ich wollte dir nur sagen.»

Allday zog ihn zurück auf die Truhe.»Langsam! Ich weiß ja schon Bescheid. Ich war derjenige, der einen Fehler gemacht hat, das ist mir jetzt klar. «Er füllte aufs neue die Becher.»Du gehörst nicht auf ein Kriegsschiff. Aber wer sich freiwillig meldet, muß allerhand Mut haben. Mich hat erst eine Preßpatrouille schnappen müssen. «Er schüttelte sich vor Lachen, bis der Schmerz der alten Wunde ihm Einhalt gebot.»Nein, du brauchst Arbeit an Land und ein gutes Zuhause, und ich werde dafür sorgen, daß du sie bekommst. Aber bis dahin tust du, was ich dir sage, und machst uns keinen Ärger, klar?«Er hörte Stimmen und vermutete, daß der Segelmacher mit seinen Kumpanen im Anmarsch war.»Wir unterhalten uns bald wieder mal, ja?»

Bankart sah ihn mit glänzenden Augen an.»Danke, äh.»

«Sag ruhig John zu mir, wenn dir das leichter fällt«, meinte Allday grinsend.»Aber vor den anderen nennst du mich Bootsführer, sonst versohle ich dir den Hintern!»

Bankart zögerte, wollte den Kontakt noch nicht abbrechen. Leise sagte er:»Ich denke, daß ich — daß ich vielleicht sterben muß. Ich will dich nicht enttäuschen, denn jetzt weiß ich, was für ein Mann du bist. Ich war noch nie auf jemanden stolz.»

Allday hörte die Tür nicht zuschlagen. Er saß nur da und starrte sprachlos das halbfertige Modell an.

Der Segelmacher kam mit seinem Freund hereingeplatzt und fragte:»Alles klar, Kumpel? Hübscher Junge, das.»

Allday senkte den Kopf.»Aye. Das ist mein Sohn.»

XV Rendezvous mit dem Schicksal

Bolitho balancierte das abschüssige Achterdeck hinauf nach Luv und ließ den feuchten Wind seine Müdigkeit vertreiben. Es war früh am Morgen, und ringsum bereitete sich die Besatzung auf einen neuen, anstrengenden Tag vor.

Über Nacht war Regen gefallen, doch Bolitho ging mit Absicht auf den nassen Planken auf und ab. Langsam gewann er sein Selbstvertrauen zurück und schrieb seine bisherige Verzweiflung dem Selbstmitleid und Schlimmerem zu.

Er hörte Keen mit dem Ersten Offizier reden und entnahm seinem Tonfall, daß er die Bestrafung dreier Matrosen besprach, die am Vormittag stattfinden sollte. Überall im Geschwader waren nach Helicons Ausfall Unruhen ausgebrochen: Drohungen oder tatsächliche Gewaltanwendungen gegen Decksoffiziere oder Kameraden, worauf üblicherweise Auspeitschung stand. Das Flaggschiff stellte keine Ausnahme dar; selbst Keens Menschlichkeit hatte den letzten Temperamentsausbruch und die strenge Strafe, die ihm auf dem Fuß folgte, nicht verhindern können.

Bolitho stellte sich seine Schiffe als Wesen mit ganz unterschiedlichem Eigenleben vor, das von dem jeweiligen Kommandanten überwacht und gesteuert wurde. Aber er wußte auch, daß ein Schiff nur so stark war wie seine Mannschaft.

Bei Tagesanbruch würden seine Schiffe wieder mit Argonaute im Zentrum in Querlinie segeln. Barracouta, noch immer als Zweidecker getarnt, lag irgendwo achteraus und war bereit, auf ein Signal hin vorm Wind angerauscht zu kommen. Rapid kreuzte ganz allein weit vor ihnen in der Hoffnung, ein Fischerboot oder ein Handelsschiff zu finden, das ihnen wertvolle Hinweise geben konnte.

Sie hatten mehrere solcher Schiffe gesichtet, aber nur drei erwischt. Eines der Fahrzeuge, die sich Rapids Verfolgung entzogen hatten, bis die Brigg das Signal zur Rückkehr erhielt, war ein schneller Schoner gewesen. Es war üblich, daß Handelsschiffe vor Kriegsschiffen jeglicher Flagge flohen, doch hier draußen mochte jeder Fremde auch ein Spion sein, der Jobert Hinweise auf ihre Stärke und ihren Kurs zutrug. Lange konnte das nicht so weitergehen. Bald würde Bolitho sich geschlagen geben und die Brigg zu Nelson schicken müssen, um ihm mitzuteilen, was geschehen war. Dann stand zu erwarten, daß Nelson das Geschwader in seinen eigenen Verband eingliedern würde.