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Sheaffe legte ihn an Deck. Als er aufblickte, war sein Gesicht steinern. Dann hob er die mit Silber beschlagene Pistole auf und schob sie sich unter den Gürtel.

Keen hastete herbei und schrie:»Wir sind fast dran!»

Das Deck bäumte sich auf, Splitter sirrten wie Hornissen, schleuderten Männer beiseite oder verletzten sie so schwer, daß sie hilflos liegenblieben. Keen sah auf Stayts Leiche nieder und fluchte.»Verdammt!»

Bolitho erhob sich, stützte sich auf die Schulter eines Seesoldaten und kletterte auf die Finknetze, um das gegnerische Schiff besser zu sehen. Überall tobte die Schlacht, Trümmer und zerbrochene Spieren trieben querab, und hier und dort schwamm eine einsame Leiche.

Er sah Joberts Admiralsflagge über dem schwarz-weißen Schiff auswehen, das Funkeln des Musketenfeuers, wenn Scharfschützen ihre Ziele gefunden hatten. Der Schuß, der Stayt getötet hatte, war vermutlich für ihn bestimmt gewesen.

Er wandte dem schwarz-weißen Schiff den Rücken und sprang hinab. Was er hier trieb, war Wahnsinn, und er rechnete jeden Augenblick mit einem Einschlag zwischen den Schulterblättern. Mit seinen Epauletten gab er ein vorzügliches Ziel ab.

«Ziele gut, mein Junge, aber heb den Admiral für mich auf, klar?«Er klopfte dem Seesoldaten auf die verkrampfte Schulter.

Der Mann grinste breit.»Zwei hab' ich schon erwischt, Sir!«rief er.

Der Rumpf zitterte, als weitere Kugeln ihn trafen wie gigantische Hammerschläge. Ein Achtzehnpfünder wurde angehoben und auf seine Bedienungsmannschaft geworfen. Der Lauf mußte glühend heiß gewesen sein, doch die Männer, deren Schreie vom Bombardement übertönt wurden, starben rasch. Das Vorbramsegel flatterte in einzelnen Fetzen davon; die Großbramstenge wankte plötzlich, neigte sich und stürzte dann an Deck wie ein Baumriese.

Bolitho starrte mit brennenden Augen in den Rauch. Sie mußten längsseits gehen! Durch eine jähe Lücke im Rauch erkannte er, wie nahe sie schon dem Geleitzug waren. Er sah Benbow, deren Flagge noch wehte, die aber ihren Besanmast verloren hatte, pausenlos auf das ihr nächstliegende Schiff feuern.

Sein Fuß berührte Stayts ausgestreckten Arm. Er schaute auf den toten Leutnant hinab, der ihm in seinen letzten Minuten so viele Fragen beantwortet hatte. Doch Neid und Haß kamen ihm nun kleinlich und bedeutungslos vor.

Er sah Keen an.»Wir haben den Windvorteil. Nutzen Sie ihn. «Sein Ton wurde härter.»Rammen Sie den Gegner!«Dann zog er den Degen und hörte Allday sein Entermesser ziehen.

«Jetzt! Hartruder!»

Keen wandte sich ab. Es war sinnlos, noch Einspruch zu erheben. Die Besatzung des Dreideckers würde sie übermannen, sie hatten keine Chance. Aber ihre Lage war von Anfang an aussichtslos gewesen.

«An die Brassen!«schrie er.»Ruder in Luv, Mr. Fallowfield!»

Doch der Gehilfe des Sailing Masters hatte das Kommando übernommen. Fallowfield lag mit einem Ohr an Deck tot neben dem Ruderrad, als lausche er den Schiffsgeräuschen.

«Mr. Paget! Klar zum Rammstoß!»

Paget schaute ihn kurz an und rannte dann mit gezogenem Degen nach vorn zur Back. Die Argonaute wandte sich schwerfällig ihrer Gegnerin zu. Ihr Klüverbaum stach zu wie eine Lanze, doch ihre Segel waren so zerrissen und durchlö — chert, daß der triumphierende Wind, ein grausamer Zuschauer, ihr kaum noch Fahrt verlieh.

Dispatch war an einem anderen Schiff längsseits gegangen und feuerte noch immer, obwohl ihre Kanonen bereits knirschend gegen die des Feindes mahlten.

Jobert hatte Bolithos Absicht erkannt, konnte ihn aber nicht mehr an seinem Vorhaben hindern. Da er in Richtung Geleitzug gewendet hatte, hatte er den Wind querein. Weder konnte er sich der Argonaute zuwenden noch vor dem Wind ablaufen, ohne sein Heck einer mörderischen Breitseite auszusetzen.

Joberts Geschützmannschaften versuchten bereits, die Rohre auf das langsame Schiff mit der großen Gefechtsflagge am Fockmast zu richten. Französische Seeleute hasteten zum Schanzkleid und schossen auf Argonaute; einige fielen oder stürzten über Bord, als Bouteillers Scharfschützen sie unter Feuer nahmen. Irgendwo krachte eine Drehbasse, und Bolitho sah einen seiner Rotröcke fallen. Es war Leutnant Orde, der mit dem Säbel in der Hand auf dem Rücken liegenblieb und blicklos gen Himmel starrte.

Keen packte die Reling, als der einst so fern und unnahbare Dreidecker hoch über ihm aufragte. Von oben wurde geschossen, daß die Planken unter seinen Füßen vibrierten. Eine Kugel traf Stayts Leiche und ließ sie zusammenzucken, als hätte der Mann sich nur totgestellt. Die Franzosen eilten auf die Stelle des Zusammenpralls zu, und ihre Schreie und Verwünschungen klangen wie ein gewaltiger Chor, der selbst den Schlachtenlärm übertönte.

Keen wandte sich um, als Bolitho ihn am Ärmel berührte.»Sind die Backbordgeschütze feuerbereit?»

Keen bejahte. Der Klüverbaum schob sich langsam durch die Fockwanten der Leopard. Die Bewegung wirkte sanft, doch Keen wußte, daß die ganze Masse seines Schiffes dahintersteckte. Er gab dem Leutnant an der Backbordbatterie mit dem Degen ein Zeichen. Die Sekunden dehnten sich wie Stunden, Keen hörte noch einmal den vielstimmigen Chor, und dann verschwand der Wasserkeil zwischen den Rümpfen unter einem Chaos aus Feuer und Rauch. Brennende Pfropfen flogen auf die zerrissenen Segel zu, und der Einschlag des Eisens in den Rumpf des Gegners klang wie ein Donnerschlag.

Die meisten französischen Matrosen und Seesoldaten waren vom Schanzkleid verschwunden. Die Bordwand der Leopard schimmerte unter den Speigatten hellrot, als sei das Schiff selbst am Verbluten.

Wie in einem letzten Aufbäumen stießen die beiden Schiffe knirschend zusammen, Wanten und Spieren verhakten sich ineinander, und Kanonen, Männer und Wind verstummten so plötzlich, als sei das Ende der Welt gekommen.

Bolitho wurde von den Seesoldaten, die mit blitzenden Bajonetten zur Back stürmten, beinahe umgeworfen. Die Schiffe prallten noch einmal heftig gegeneinander, und durch das baumelnde Gewirr von Tauwerk und angekohlten Segelfetzen sah Bolitho das Mündungsfeuer der Musketen und blitzenden Stahl.

Von hoch oben überm Rauch feuerten die Scharfschützen weiter. Phipps, der Fünfte Offizier, griff sich ins Gesicht, als eine Kugel ihm die Stirn zertrümmerte. Er war Midshipman auf der Achates gewesen. Nur ein Lidschlag, und es gab ihn nicht mehr.

Die beiden Schiffe trieben langsam und schwerfällig vom Geleitzug weg. Nun hatte Herrick eine Chance, die aber nicht besonders groß war, es sei denn… Bolitho sah, wie mehrere Matrosen von einer Drehbasse niedergemäht wurden.

«Nehmen Sie das Schiff, Val! Geben Sie's nicht mehr frei!»

schrie Bolitho. Er merkte, daß Keen die Konsequenzen begriff, und fügte hinzu:»Ohne Rücksicht auf Verluste!«Dann hastete er mit dem Säbel in der Hand das SteuerbordSeitendeck entlang, gefolgt von Allday und Bankart. Er fand noch Zeit, sich zu fragen, warum Bankart sich nicht unter Deck verkrochen hatte.

«Mein Gott, sie sind schon an Bord!«rief Allday heiser.

Bolitho rief Page am Fockmast zu:»Räumen Sie das untere Batteriedeck! Alle Mann an Deck!»

Dann fand er sich am Steuerbord-Kranbalken wieder und sah diese Stelle bereits mit Leichen übersät. Matrosen und Seesoldaten, Freunde und Feinde, suchten auf dem Bugspriet nach Halt oder rutschten an Stagen und Leinen herunter, um aufeinander loszugehen. Sie stießen mit Bajonetten zu; andere hieben mit allem, was sie finden konnten, mit Pieken, Äxten und Entermessern, auf die Franzosen ein; ein Kanonier schwang gar einen Ladestock wie eine Keule, bis er von einer Musketenkugel getroffen wurde und zwischen die knirschenden Rümpfe stürzte.

Vom Achterdeck aus sah Keen verzagt immer mehr feindliche Uniformen aus dem Rauch auftauchen, einige sogar schon auf dem Backbord-Seitendeck. Er fuhr herum, als Hogg, sein Bootsführer, an Deck stürzte und hilfesuchend eine Hand ausstreckte, ehe das Licht in seinen Augen verlosch.