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Wenn Donovans Hirn schläft, bin ich nicht abgelenkt. Ich nütze die kostbare Zeit, um diesen Bericht über den Fall zu verfassen.

Donovans Denken ist noch immer unzusammenhängend. Gelegentlich scheine ich eine logische Antwort auf Fragen zu bekommen, die ich per Morse durch das Glasgefäß an ihn richte. Sind es die dadurch verursachten Vibrationen, die dem Hirn die Botschaft übertragen? Es handelt wie ein Mensch im Fieber oder im Schlaf. Es befiehlt mir immer wieder, dieselben Namen niederzuschreiben, die keinen Zusammenhang haben.

Roger Hinds ist einer dieser Namen, ein anderer Anton Sternli. Auch Donovans Sohn Howard wird genannt, aber an seine Tochter ist anscheinend keine Erinnerung da. Katherine erscheint sehr häufig. Sie war Donovans Frau. Das erfuhr ich durch die Geschichten in den Blättern. Fuller war sein Rechtsanwalt.

Viele von den Namen, die meine Hand schreibt, kann ich in Donovans Vergangenheit aufspüren.

Aber es gibt noch eine ganze Reihe anderer – als würde sein Gedächtnis von einem Wirbelwind von Gesichtern durchbraust.

Fünfter November

Heute wollte ich ausprobieren, ob das Hirn auch aus der Entfernung Macht über mich hat. Ich fuhr nach Phoenix.

Als ich fünfzehn Meilen von meinem Haus weg war, rief mich das Hirn an. Ich kehrte um und fuhr in höchster Geschwindigkeit zurück.

Dies Vorkommnis bewies eine neue Tatsache: Das Hirn weiß sogar auf große Entfernung, was ich tue. Es konnte nicht wissen, wohin ich gegangen war, doch es war überzeugt, daß ich mich nicht im Zimmer oder im Hause aufhielt.

Ich nehme an, die relative Kraft der Mikro-Volt, die mein Gehirn erzeugt, sagt Donovan, ob ich zugegen bin.

Doch das ist eine unklare Theorie. Nur auf einen Schluß kann man bauen, auf den empirischen Beweis, der selbst begrenzt ist, da die betreffende Materie unbekannt ist.

Sechster November

Das Hirn entlädt annähernd dreitausendfünfhundert Mikro-Volt.

Ich weiß nicht, wieviel neue Substanz sich dem Hirn beifügen wird. Es muß eine Grenze geben. Oder ist es theoretisch unbegrenzt, wie eine Krebswucherung?

Zehnter November

Heute trat Schratt in mein Labor, während das Hirn mir gerade befahl zu schreiben. Ich hörte ihn sprechen, wandte aber den Kopf nicht, um zu antworten. Ich möchte den feinen Faden nicht zerreißen, der mich mit dem Hirn verbindet.

Meine linke Hand formte Worte – langsam, wie ein Kind schreiben lernt.

Schratt rief mich nochmals beim Namen und blieb dann zögernd mitten im Zimmer stehen, als ich nicht antwortete. Zuerst dachte er, er unterbräche gerade einen Gedankengang. Dann war er beunruhigt durch mein seltsames Verhalten, trat näher und sah mir über die Schulter.

Ich fuhr fort, Worte auf das Papier zu kritzeln. Zum fünftenmal schrieb ich Hinds' Namen. Dann begann ich zu buchstabieren: Kalifornische Handelsbank. Dann kam wieder der Name Hinds.

Schratt wurde ängstlich. Er beugte sich vor, um mir ins Gesicht zu sehen, das ihm verborgen war, da ich über den Tisch gebeugt dasaß.

Als guter Arzt nahm er sich in acht, mich nicht anzurühren, um mich nicht zu erschrecken.

Er nahm einen kleinen Spiegel von der Wand, hielt ihn vor mich hin und sah mir in die Augen. Er sah, daß ich in Trance war. Meine Augenbälle rollten, mein Mund zuckte. Ich schien seine Anwesenheit nicht zu merken.

Das Hirn setzte mit seinen Befehlen aus. Ich bewegte mich wieder. Schratt legte den Spiegel hin und fragte halb furchtsam: »Haben Sie mich nicht gehört?«

Ich nickte.

»Warum haben Sie nicht geantwortet?«

Ich schob ihm das Papier hin, das nach dem Diktat des Hirns mit kindischem Gekritzel bedeckt war. Er sah es groß an, und seine Augen schweiften ängstlich zu dem Glasgefäß hinüber.

»Ich habe den Kontakt mit ihm hergestellt«, erklärte ich. »Oder vielmehr: Er hat den Kontakt mit mir hergestellt.«

Ich beschrieb alles, was ich erlebt hatte, froh, daß ich endlich mit jemandem darüber sprechen konnte. Er würde mich verstehen, dachte ich. Aber Schratt war mehr als beunruhigt. Sein gedunsenes Gesicht wurde ganz fahl, und er schüttelte verzweifelt den Kopf.

Ich machte einen letzten Versuch, um ihn zu überzeugen.

»Warum können Sie sich nicht von Ihren Hemmungen freimachen?« fragte ich. »In der wissenschaftlichen Forschung dürfen menschliche Gefühle keine Rolle spielen. Sie verdunkeln unsere Beobachtungen. Wir dürfen uns nicht erlauben, Angst zu haben. Vernunft, Beobachtung und Mut gehören zum Wissenschaftler – Ihnen scheinen aber mindestens zwei dieser Grunderfordernisse zu fehlen.«

»Seien Sie nicht so witzig«, erwiderte Schratt gequält. »Wir haben zu lange über Recht und Unrecht dieses Experiments debattiert. Ich bitte Sie jetzt, aufzuhören – es zu beenden, solange es noch in Ihrer Macht steht. Bitte, Patrick – stellen Sie die Pumpe ab und lassen Sie das Hirn sterben!«

Plötzlich liefen ihm die Tränen über die Wangen; sein großer Körper bebte in unbeherrschter Erregung. Es war ein abscheulicher Anblick. Er wurde jeden Tag hilfloser und seniler.

Ich trat hinüber zum Arbeitstisch und machte mich an einigen Instrumenten zu schaffen; ich wandte mich nicht um, als er das Laboratorium verließ.

Elfter November

Erschöpft war ich eingeschlafen – das Doppelleben, das ich führte, sog an meiner Kraft und meiner Nervenenergie.

Ein jammernder, erstickter Ruf klang in meinen Traum hinein und weckte mich. Er kam aus dem Wohnzimmer. Der Schrei schwoll zu einem irren Aufbrüllen an – als wenn jemand vor Schrecken wahnsinnig würde.

Ich hatte die Stimme nie zuvor gehört.

Ich sprang zur Tür. Die Glühbirne flackerte, als wäre auch das Hirn von seltsamer Erregung geschüttelt. Als ich an dem Glasgefäß vorbeilief, schaltete ich den Enzephalographen an, damit ich die Reaktion des Hirns später studieren konnte.

Der irre Aufschrei erstickte rasch. Statt dessen hörte ich einen schweren Fall, als ob ein Körper auf den Boden rollte und die Möbel umstieße.

Ich schaltete die Wohnzimmerlampe ein und sah Schratts mächtigen Körper auf dem Teppich. Er hatte seine eigenen dicken Finger um seine Kehle gekrallt und würgte sich. Sein rasselnder Atem, sein rotes Gesicht, seine vortretenden Augen zeigten, daß er am Ersticken war.

Ich versuchte, seinen Griff an seiner eigenen Kehle zu lockern, aber ich konnte die Finger nicht aufbiegen.

Während ich mich um Schratt bemühte, riß mich unerwartet eine Hand zurück und drehte mich um – ich sah in Franklins entsetztes Gesicht. Durch den Angriff überrascht, schlug ich zu, um mich zu verteidigen, und Franklin stolperte zurück, sein Gesicht mit den Armen schützend.

Ich ging schnell wieder zu Schratt, der ohnmächtig geworden war. Seine Hände hingen lahm zu beiden Seiten herab. Ich befahl Franklin mir zu helfen, und wir legten ihn auf die Couch.

Schratts Puls raste mit fast verdoppeltem Schlag, sein Herz klopfte schwer, und ich fürchtete, er könne an einem Schlaganfall sterben. Ich öffnete hastig seinen Kragen und sein Hemd und schickte Franklin nach etwas Eis.

Als ich mit dem Eisbeutel zurückkehrte, legte ich diesen auf Schratts Herz. Bald verlangsamte sich das furchtbare Herzklopfen und der Puls wurde wieder normal. Schratt seufzte und schlug die Augen auf. Er starrte mich entsetzt an. Ich sprach ihm beruhigend zu und zwang ihn, etwas Milch zu schlucken, aber seine Zähne klapperten so, daß er die Hälfte verschüttete.

Schratt war im Begriff gewesen fortzugehen. Sein Gepäck stand neben der Tür, sein Mantel lag auf einem Stuhl. Ich war erstaunt, daß er sich bei Nacht wegschleichen wollte, und konnte mir nicht erklären, warum er überhaupt durch das Haus gekommen war, führte doch der nächste Weg aus seinem Zimmer durch den Garten.