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»Was soll das?« fragte ich und deutete auf das Gepäck.

Ich stand auf – und Schratts Gesicht erstarrte. Ich begriff nicht, was ihn quälte. Dann folgte ich seinem Blick – und verstand.

Die Tür zum Kasten mit der Hauptsicherung für Haus und Labor war erbrochen. Schratts Hut lag auf dem Boden daneben.

Ich begriff plötzlich, und eine kalte, mörderische Wut erfüllte mich. »Sie wollten das Hirn töten!« schrie ich. Ich verlor fast die Herrschaft über mich.

Er starrte mich an. Ich hatte ihn noch mehr erschreckt.

»Und Sie versuchten, mich zu erwürgen!« sagte er mit zitterndem Mund. Ich hatte ihn niemals so außer sich gesehen.

Ich erschrak. Er dachte, ich hätte ihn angegriffen!

Ruhig und genau erklärte ich, wie ich ihn gefunden hatte. Ich hatte ihn tatsächlich davor bewahrt, Selbstmord zu begehen!

»Niemand kann sich selbst erwürgen«, sagte Schratt verächtlich. »Sie wissen, das ist unmöglich, Patrick!«

Schratt erhob sich und stand unsicher auf seinen Füßen.

»Ich werde morgen früh mit Ihnen sprechen«, krächzte er.

Als ich ihm helfen wollte, lehnte er meinen Beistand ab.

Ich kehrte ins Laboratorium zurück. Die Glühbirne war dunkel, das Hirn schlief. Das Enzephalogramm zeigte hochgradig unregelmäßige Delta-Wellen.

Ich setzte mich hin und versuchte, mir den Zwischenfall zu rekonstruieren. Der Hilfeschrei hatte mich geweckt. Ich konnte mich ganz deutlich an den Klang der Stimme erinnern – und es schien nicht Schratts Stimme gewesen zu sein. Immerhin, es ist schwer, eine Stimme zu erkennen, wenn sie von Entsetzen erstickt wird. Es mußte Schratt gewesen sein! Wen sonst hätte ich hören können?

Um einen Verdacht zu zerstreuen – dessen Konsequenzen zu verwickelt gewesen wären, um sie gleich zu verfolgen – ging ich in Franklins Zimmer.

Er warf seine wenigen Habseligkeiten in einen schäbigen alten Handkoffer. Mein Auftauchen schien ihn zu erschrecken.

Sein plötzlicher Entschluß, mich nach so vielen Jahren zu verlassen, ließ mich an mir selbst zweifeln.

»Du willst auch fort, Franklin? Mitten in der Nacht?« fragte ich.

Franklin setzte sich langsam auf sein Bett, mich mit demselben hilflosen Entsetzen betrachtend, das Schratt gezeigt hatte.

Um Franklin zu beruhigen, sagte ich ihm, es stehe in seinem Belieben, jederzeit fortzugehen, aber ich würde es sehr bedauern. Er wurde etwas gefaßter, und ich fragte ihn, ob er Dr. Schratt gehört hätte, als dieser um Hilfe schrie.

Zu meiner Erleichterung nickte er. Doch als ich ihn fragte, weshalb er mich von Schratt weggerissen hätte, gestand er mir furchtsam, daß er mich angetroffen habe, wie ich Schratt würgte.

»Dr. Schratt hatte einen kataleptischen Anfall«, erklärte ich kurz. »Ich habe ihm nur geholfen.«

Franklin nickte, aber ich sah wohl, daß er mir nicht glaubte. Als ich ins Labor zurückging, war ich unsicher und erregt.

Ich versuchte, die Fäden der Komplikationen zu entwirren. Franklin hatte also auch Schratts Hilferuf gehört. Er hatte mich so heftig zurückgerissen, daß mich sein Griff an meiner Schulter noch schmerzte. Er hätte nie gewagt, mich anzurühren – es sei denn im krassesten Notfall.

Kein Mensch kann sich selbst erwürgen.

Schratt hatte recht, als er feststellte, daß ich etwas Absurdes sagte. Es schien ohne Frage festzustehen, daß ich ihn angegriffen hatte ... Hat das Hirn inzwischen schon so viel Macht erlangt, daß es mir befehlen konnte zu morden? Wenn es so war – wo lag dann die Grenze dieser Macht? Wie die menschliche Energie im Augenblick tödlicher Gefahr ihren Höhepunkt erreicht, war es vorstellbar, daß das Hirn, alle seine Kräfte zu Hilfe nehmend, mich zu seiner Rettung herbeigerufen hatte.

Es wußte um Schratts Absicht, den elektrischen Strom abzuschalten. Die Maschine und der elektrische Kreislauf sind für das Dasein des Hirns ebenso lebensnotwendig wie Herz und Lunge für den Normalmenschen. Als Schratt sich der Hauptsicherung näherte, fühlte das Hirn sich tödlich bedroht.

Wir verstehen fast nichts von den unvoraussagbaren Phänomenen der menschlichen Gehirnenergie. Wir wissen nur, daß elektrische Energien durch die Billionen Zellen reisen, welche die graue Materie des Hirns bilden.

Isolierte Zellen haben die Fähigkeit, neue zu produzieren, deren Funktionen unbekannt sind. Unsere gegenwärtigen Begriffe reichen nicht aus, um ihren Zweck zu erklären.

Während ich schlief, erhielten meine Empfänger-Neuronen einen starken Anreiz von Donovans Nervenzentrum. Seine Kraft, durch neue Zellen gesteigert, war stark genug, die motorischen Neuronen zu beeinflussen und mich zu zwingen, ihm zu Hilfe zu kommen. Erst als Franklin mich zurückriß, erwachte ich aus meinem mörderischen Traum.

Das Hirn hatte keinen Einfluß auf Schratt, denn es schlief nicht wie ich. Das führte zu dem Schluß, daß das Hirn nur Personen beherrschen kann, die schlafen oder willens sind, sich zu unterwerfen. Die Stimme, die ich in meinem Traum hörte, war die Donovans – unhörbar, außer für das heimliche Ohr meines Geistes.

Zwölfter November

Mittags kam Schratt ins Laboratorium. Er sah ausgeruht aus, hatte sich sorgfältig rasiert, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck jugendlicher Entschlossenheit, der mich überraschte.

Zu meiner Verwunderung begrüßte er mich mit einem Lächeln.

»Franklin ist desertiert. Wir werden uns an unsere eigenen Kochkünste gewöhnen müssen«, sagte er heiter.

Mit voller Absicht sprach ich von gestern nacht und von meinem Bedauern, ihn angegriffen zu haben, während ich unter dem Einfluß von Donovans Hirn stand. Ich versprach ihm, die Wiederholung eines solchen Vorfalls zu verhindern.

Er nickte nüchtern, anscheinend ohne Mißbehagen, und entschuldigte sich, daß er versucht hatte, sich in mein Experiment einzumischen.

Plötzlich rühmte er die unbegrenzten Möglichkeiten meiner Forschung. Er gratulierte mir zu dem Erfolg, der sich gestern nacht klar erwiesen hatte, und fügte scherzend hinzu, er sähe mich bereits als Träger des Nobelpreises.

Ich konnte aus dem plötzlichen Wandel seiner Haltung mir gegenüber nicht klug werden. Ich erklärte das Mißgeschick, indem ich ihm meine neue Theorie über die Macht des Hirns auseinandersetzte. Ich zeigte ihm die neue Zellenbildung, die das Hirn aus seiner ursprünglichen Form gebracht hatte, und sprach meine Überzeugung aus, die telepathische Macht habe sicherlich hier ihre Quelle.

Schratt stimmte mir zu, und um seine veränderte Haltung vernünftig zu erklären, sagte er: »Ich hatte eine schlechte Nacht, Patrick – aber ich habe sie verdient. Ich hatte kein Recht, Ihre Forschungen zu unterbrechen. Ich werde alt und wackelig, und reuig wie eine alte Hure. Sie haben Ihr Genie, und Sie wären ein Narr, es nicht zu gebrauchen. Vielleicht bekämpfe ich Sie aus Neid. Verzeihen Sie einem eifersüchtigen alten Mann.«

Ich konnte den Grund zu seiner Veränderung immer noch nicht erkennen. Aber ich begnügte mich mit dem Augenschein, froh, ihn als Mitarbeiter gewonnen zu haben, wie das schon lange mein Wunsch war. Besonders seit Franklin mich auf immer verlassen hatte.

Einundzwanzigster November

Ich bin im Roosevelt-Hotel in Los Angeles.

Schratt hat die Aufgabe übernommen, das Hirn zu ernähren. Er war so Feuer und Flamme für seine Pflichten, daß er meine Einwände zum Schweigen brachte.

Ich kann mich auf ihn verlassen, daß er die Reaktionen des Hirns aufs genaueste einträgt. Ich werde jeden Tag mit ihm telefonieren.

Ehe ich mich entschloß, aus Washington Junction wegzufahren, habe ich mich per Morse mit dem Hirn in Verbindung gesetzt und ihm meinen Entschluß mitgeteilt.

Ich habe mich darauf trainiert, seine Antwort sofort aufzufangen. Ich kann meinen Geist leer und vollkommen aufnahmefähig machen. Das Hirn schien es gerne zu sehen, daß ich wegging. Was der Zweck meiner Reise ist, weiß ich noch nicht, aber der Befehl, ich solle reisen, war klar.