Ich stand auf. Er drückte seine Tasche fest an sich. Seine Augen bettelten. Er hatte jede vorgetäuschte Sicherheit verloren und war nur noch jämmerlich.
»Gut«, sagte ich. »Aber ich habe nicht soviel Geld bei mir. Und einen Scheck werden Sie nicht gern nehmen.«
Wenn ich ihn noch einen Tag hinhielt, konnte ich einen Ausweg finden. Donovan mußte etwas tun, um uns zu retten. Wenn ich nur die Verbindung mit ihm herstellen konnte!
»Sie werden mich um acht Uhr in dem Ontra-Café treffen, Ecke Hollywood und Vine«, sagte er und sah halb mürrisch, halb aufgeregt an mir vorbei. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging fort, den Kopf zwischen die Schultern ziehend.
Zweihundert Meilen entfernt von Washington Junction und meinem Labor fühlte ich mich plötzlich nicht imstande, die Aufgabe zu erfüllen, die mir gestellt worden war. Sie bot jetzt anscheinend unüberwindbare Schwierigkeiten.
Ich setzte mich in einen der weichen Stühle der Halle und versuchte, einen Schlachtplan zu entwerfen. Wenn ich die Augen schloß, fühlte ich das Prickeln der seltsamen Erregung, die jedesmal den Botschaften des Hirns vorausging.
Mein Geist wurde unklar, obwohl ich immer noch meine eigenen Gedanken erkannte – aber sie waren wie hinter einem durchsichtigen Schleier verborgen, von meinem vollen Bewußtsein abgeschnitten.
Ich fühlte einen starken Zwang aufzustehen. Gehorsam erhob ich mich und verließ das Hotel, ging die Straße hinunter, blieb bei den Verkehrssignalen stehen und bewegte mich mechanisch, von Donovans Willen geleitet. Dem mächtigen und zwingenden Impuls, der mich trieb, setzte ich keinen Widerstand entgegen. Donovans Hirn unterlag keinen Schwankungen. Es war neuen Eindrücken verschlossen, von neuen Ideen abgeschnitten, die in endlosem Strom durch den normalen Geist fließen und ihn immer zerstreuen. Donovans Hirn dachte geradeaus auf einen Punkt zu – nur auf einen Punkt. Sein einziger Gedanke setzte mich in Bewegung.
Ich blieb bei der Kalifornischen Handelsbank stehen, die ich schon im Traum gesehen hatte. Ich stieß die Tür auf und ging hinüber zum Kassierer, der, wie er mir als Vision erschienen war, ein gelblich bleiches Gesicht und ein schwarzes Bärtchen hatte. Ich bat um einen Blankoscheck, ging zum Schreibpult und nahm die Feder in die linke Hand. Ich füllte den Barscheck aus – auf fünfzigtausend Dollar – unterschrieb mit dem Namen Roger Hinds – in Donovans Handschrift – und zeichnete sorgfältig ein Pik-As in die obere rechte Ecke.
Nicht eine Sekunde bezweifelte ich, daß der Kassierer mir das Geld geben würde. Er nahm den Scheck – dann blickte er erschrocken auf.
»Herr Hinds?« fragte er.
»In großen Noten«, antwortete ich, seine Frage überhörend.
»Bitte indossieren Sie den Scheck selbst – auf der Rückseite, Herr«, sagte er, um meinen Namen herauszubekommen.
Ich schrieb in meiner eigenen Handschrift: Patrick F. Cory.
Er sah unentschlossen auf das Blatt.
»Bitte große Noten«, hörte ich mich selbst nochmals sagen, als der Mann, eine Entschuldigung murmelnd, verschwand.
Der Polizist an der Tür trat vor, um mich im Auge zu behalten. Ich wußte, daß ich irgendwie seinen Verdacht erregt hatte, aber nicht die kleinste Befürchtung, nicht einmal der Gedanke, eine Ausflucht vorzubereiten, kam mir in den Sinn.
Es war Donovan, der handelte. Ich war absolut ruhig – sollte er sich um alles kümmern!
»Der Direktor wünscht Sie zu sehen, Herr Cory.« Der Mann mit dem Bärtchen war zurückgekommen und führte mich nun in ein kleines Büro.
Hinter einem braunen Pult saß ein kahlköpfiger Mann. Er stand auf, murmelte seinen Namen und fragte: »Herr Hinds?«
»Ich bin Patrick Cory, Dr. med.«, sagte ich, und der Mann drehte den Scheck um und nickte. Er bot mir einen Stuhl an und wartete schweigend, bis die Tür nochmals aufging und ein anderer Mann eintrat.
»Dies ist Herr Mannings, Dr. Cory.«
Der zuletzt Gekommene hatte unmißverständlich das Aussehen eines Privatdetektivs. Wir schüttelten uns die Hände.
»Würden Sie mir gütigst einige Fragen beantworten, Dr. Cory?«
»Ist etwas nicht in Ordnung mit dem Scheck?«
Der Direktor sah auf den Detektiv, beantwortete aber gleichzeitig meine Frage durch Nicken.
»Nein. Wir haben diese Unterschrift mit der Originalunterschrift des Herrn Hinds verglichen. Es ist zweifellos die gleiche. Auch das Zeichen in der Ecke beweist es, das Pik-As. Herr Hinds hatte verlangt, daß nur so gezeichnete Schecks honoriert würden.«
Er sprach schnell, sichtlich bemüht, sich selbst zu überzeugen, daß er nichts Verkehrtes tat.
»Wenn Sie den Scheck selbst ausgestellt haben, müssen Sie Herr Hinds sein und nicht Dr. Cory«, mischte sich der Detektiv in die Unterhaltung.
Statt zu antworten, legte ich meine ärztliche Beglaubigung vor.
»Bin ich verpflichtet, Ihnen über meine Privatangelegenheiten Auskunft zu geben?« fragte ich ruhig.
»Natürlich nicht«, beeilte sich der Direktor zu versichern. »Nur – dieses Konto wurde unter ungewöhnlichen Umständen eröffnet.«
Er wartete, daß ich etwas sagte, aber als ich schweigend sitzen blieb, fuhr er fort: »Wir bekamen eine recht große Summe und einen Scheck von Herrn Hinds, der uns keine Adresse angab – mit der Bitte, ein Konto zu eröffnen. Ein Handelskonto. Zinslos.«
Er betonte die Tatsache, daß er es seltsam fand, eine große Summe so zu deponieren, daß sie keine Zinsen abwarf! Es ging gegen seine geschäftlichen Prinzipien.
»Das war vor fast zwölf Jahren. Nun wird der erste Scheck auf dieses Konto gezogen – und Sie haben ihn gezeichnet. Wenn Sie nicht selbst Herr Hinds sind, wären wir dankbar, eine Auskunft über den Herrn zu bekommen, weil ...«, er lächelte matt, »die Bank doch gerne weiß, welchen Kunden sie dient.«
»Sie meinen, falls das Geld gestohlen ist?« fragte ich.
»O nein! Wir wissen, von welcher Bank die Noten kamen. Wir stellen das immer fest.« Der Direktor sprach voll Berufsstolz. »Aber Herr Hinds, sehen Sie ...«
»Ich bin Dr. Cory. Wollen Sie jetzt bitte den Scheck auszahlen? Ich habe es eilig.« Ich stand auf.
Auch der Direktor erhob sich – mit unglücklichem Gesicht.
»Sie haben das legale Recht, Dr. Cory, keine Fragen zu beantworten«, sagte der Detektiv, aber in seiner Stimme lag eine versteckte Drohung.
Eine halbe Stunde später trat ich aus der Bank, meine Taschen vollgestopft mit Geld. Ich war müde – wie immer, wenn ich mit dem Hirn verbunden gewesen war. Was sollte ich mit dem Gelde tun? Den Erpresser bezahlen?
Ich kaufte unterwegs eine Aktentasche und tat das Geld hinein. Im Hotel ging ich gleich nach oben, um mich auszuruhen und weitere Befehle abzuwarten.
Janice war in der Stadt. Sie hatte Nachricht hinterlassen, ich möchte sie im Krankenhaus »Zedern vom Libanon« anrufen. Schratt hatte ihr gesagt, wo ich wohnte.
Ich begriff nicht, was das Hirn beabsichtigte. Allem Anschein nach hatte es sich darauf vorbereitet, der Erpressung Yocums zu begegnen – andernfalls hätte es mich nicht zur Bank geschickt. Das Hirn wünschte offenbar, daß ich Yocum bezahle und mir die Negative geben lasse – einen endgültigen Befehl aber hatte ich nicht erhalten.
Ich lag im Hotelzimmer auf meinem Bett und wartete, daß Donovan die Verbindung mit mir aufnahm; dabei empfand ich, daß ich an der Grenze geistiger Gesundheit stand – jenseits dieser Grenze verliert man den festen Boden der Wirklichkeit unter den Füßen.
Ich griff zum Telefon, um Schratt anzurufen, aber ich mußte das Krankenhaus verlangt haben, denn es meldete sich »Zedern vom Libanon«. Da ich bereits verbunden war, fragte ich nach Janice.
Als ich ihre Stimme hörte – fern und voll glücklicher Überraschung – fühlte ich mich plötzlich ruhig. Ich versprach Janice, sie in den nächsten Tagen zu sehen, und hängte schnell wieder ab.