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»Donovan ist springlebendig!« erwiderte ich. »Er schreibt sogar Botschaften nieder.«

»Du leitest deine Überzeugung von der Wissenschaft ab«, sagte Janice, »die meine kommt vom Glauben.«

»Höre nur auf Schratts Lehren!« höhnte ich. »Du fürchtest dich! Die Furcht bedroht die Integrität der Persönlichkeit – aber für dich und andere ist es ganz gut, Angst zu haben, Furcht vor den Konsequenzen, ist es ganz gut, zaghaft zu sein! Das hemmt eure Handlungsweise anderen gegenüber. Richtet aber nicht meine Aufgabe nach den gemeinen Gesetzen des Lebens! Ich gehe über sie hinaus!«

»Wie weit?« fragte sie.

»Bis ich die Funktion dieses Hirns verstehe, seinen Willen, seine Begierden, seine Motive«, sagte ich. »Ich sammle Tatsachen. Wenn ich die relative Position all der Phänomene kenne, die Donovans Hirn umschließt, könnte ich eine Parallele zu unserm gewöhnlichen Denkprozeß ziehen und manche Fragen klären, die jetzt noch nicht zu beantworten sind. Ich dringe tiefer in die menschliche Bewußtheit ein, als es je ein Mensch getan hat!«

Janice antwortete nicht.

In diesem Augenblick haßte ich sie. Ich haßte ihren erhabenen, losgelösten Ausdruck, mit dem sie einer Stimme lauschte, die ich nicht hören konnte. Sie wurde nicht von ihrer Intelligenz, sondern von ihrer Intuition geleitet. Sie hatte ihr Wissen nicht durch ihre Sinne erworben – es kam von einer anderen Ebene, die sich wissenschaftlich nicht erforschen ließ ...

Meine intellektuelle Kraft beruht auf präzisem Denken. Ich konnte mit Janice nicht streiten – ich war im Nachteil.

Schweigend saßen wir uns gegenüber.

»Es hat viel zuviel Macht über dich«, sagte Janice endlich. »Du kannst ihr nicht mehr widerstehen.«

»Ich kann in jedem beliebigen Augenblick das Experiment abbrechen!«

Ich verteidigte mich – und haßte sie dafür.

»Das kannst du nicht. Ich habe eben selbst gesehen, was geschah!«

Ich stand auf, ging zum Schreibtisch hinüber und nahm die Botschaft zur Hand, die Donovan mir diktiert hatte.

»Ich wünschte, du würdest mich in Ruhe lassen. Es hat keinen Sinn, mit dir zu argumentieren. Ich habe dich nicht gebeten, dich in meine Arbeit einzumischen. Du störst mich – siehst du das nicht?«

Das war deutlich. Ich mußte sie beleidigen, damit sie mich allein ließ.

Sie wandte sich ab und ging, ohne zurückzublicken, aus dem Zimmer.

Ich bin gesund genug, um allein in einem Hotel zu leben, wo sie mich nicht stören kann.

Vierter Dezember

Die fruchtlose Unterhaltung mit Janice hatte mich aufgeregt, und die ermüdende Wiederholung der albernen Zeilen: »Auf zwei sich spreizenden Zweigen ...« hatte mich die halbe Nacht wachgehalten. Als ich aufstand, zitterten mir die Beine.

Ist Donovans Hirn wahnsinnig? Diese monomanische endlose Wiederkehr desselben Satzes deutet auf eine Abnahme der intrapsychischen Zusammenwirkung, eine Hemmung der logischen Gedankenkombination.

Die stereotype Wiederholung phonetischer Worte ist beunruhigend. Der kranke Geist bildet sich ein, immerfort den gleichen einförmigen Laut zu hören, die gleiche Melodie, die sich endlos wiederholt. Er betrachtet dieselbe Situation, reproduziert dasselbe geistige Bild, wiederholt dieselben Zeilen, bis ihre Bedeutung einen Symbolismus erlangt, der seinen Höhepunkt in einer übernatürlichen Botschaft findet, in einer Äußerung der Vorsehung, die die kranke Phantasie gierig aufgreift und ihrem eigenen Wunschtraum entsprechend interpretiert.

Wenn Donovans Hirn meßbar irrsinnig wird und mich immer noch gegen meinen Widerstand beeinflussen kann, wird dieser Fall schwer zu handhaben sein. Nachdem es bereits eine solche Macht über meinen Willen hat, daß ich manchmal hilflos dagegen bin, muß ich mir eine Notbremse ausdenken, um das Hirn im äußersten Gefahrenmoment zu lähmen. Ich muß eine Lösung finden – und bald!

Fünfter Dezember

Heute zog ich wieder ins Roosevelt-Hotel. Ich fühlte mich kräftig genug dazu, doch das Gipsgestell muß ich noch immer tragen. Es behindert mich weniger als früher.

Der menschliche Körper kann sich den unnatürlichsten Bedingungen anpassen!

Sechster Dezember

NATHANIEL FULLER

Der Name ist mehrmals in Donovans Botschaften vorgekommen. Im Telefonbuch gibt es zwei Nathaniel Fuller. Einen bei der Tankstelle am Olympia-Boulevard, den zweiten, einen Rechtsanwalt, im Subway-Terminal-Haus in der Hillstraße.

Ich war überzeugt, das Hirn meint den Rechtsanwalt.

Ich rief das Büro Fuller, Hogan und Dunbar an und bat um eine Unterredung. Fullers Sekretärin fragte nach meinem Anliegen, aber ich konnte ihr nichts darüber sagen, da ich es selbst nicht kannte.

»Wer hat Sie denn an Herrn Fuller empfohlen?« fragte sie.

Ich nannte W. H. Donovans Namen, und sofort wurde sie sehr höflich.

Ein paar Sekunden später war Fuller am Telefon.

Er bat mich, jederzeit im Laufe des Nachmittags zu kommen. Er stellte keine Frage. Er scheint ein guter Anwalt zu sein.

Es war ein schöner, warmer Spätsommertag. Ich nahm eine Taxe nach der unteren Stadt. Zum erstenmal seit Jahren fühlte ich mich befreit und glücklich. Die Spannung, die mich so lange hielt, die mich niemals frei atmen ließ, die mich trieb und trieb, selbst wenn ich schlief, hatte sich plötzlich gelöst.

Ich spielte mit der Idee, bald wegzugehen. Ich brauchte Ruhe. Vielleicht über Weihnachten nach New Orleans. Vielleicht würde ich Janice mitnehmen. Seltsam beunruhigt analysierte ich meine Gedanken. Plötzlich schloß ich Janice in meine Zukunftspläne ein, ich vergaß unsere Mißverständnisse und Spannungen. Versuchte ich unbewußt, Donovans Hirn zu entfliehen? War mir angst geworden vor meinem Experiment?

Ich sagte dem Mädchen hinter Fullers Empfangstisch meinen Namen.

Sie griff sofort zum Telefon. Wenige Sekunden später kam Fuller heraus. Er war klein und stämmig, von einem teuren Schneider bekleidet, und sein graues Haar war sorgsam frisiert.

In meinem Gipsgestell bot ich einen sonderbaren Anblick, aber er ließ sich kein Erstaunen anmerken, sondern führte mich geradenwegs in ein Zimmer mit einem Schild an der Tür: Bibliothek, Bitte Ruhe!

Das Schweigen, das uns plötzlich umschloß, war unnatürlich, als wären die Wände besonders schalldicht. Obwohl früh am Nachmittag, waren die venezianischen Jalousien heruntergelassen. Neonröhren warfen ein indirektes Licht in den Raum, das unsere Züge schattenlos machte. Es war eine Beleuchtung, in der Fuller den Ausdruck im Gesicht seines Klienten gut beobachten konnte.

Er forderte mich auf, Platz zu nehmen, und setzte sich selbst auf einen Stuhl mir gegenüber an dem langen, glasbedeckten Konferenztisch. »W. H. hat Sie geschickt?« sagte er mit freundlicher, keineswegs streitbarer Stimme und sah mich mit liebenswürdiger Gemächlichkeit an.

»Ja. Er nannte Ihren Namen, ehe er starb.«

»Was hat er Ihnen gesagt?« murmelte Fuller.

»Sie waren einer seiner Anwälte, wenn ich recht verstand«, entgegnete ich. »Und er sagte mir, ich könne zu Ihnen frei heraus sprechen, falls ich je einen Rechtsbeistand brauchen sollte.«

»Und jetzt brauchen Sie einen?« fragte er und sah mich gerade an. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ich möchte, daß Sie den Mordfall Hinds übernehmen«, sagte ich.

Er lehnte sich zurück in seinen Stuhl, der langsam auf seinen dünnen Beinen schaukelte.

»Hinds ist des Mordes ersten Grades schuldig. Es ist einer der grausamsten Fälle, die ich in meinen letzten zwanzig Jahren als Strafanwalt gehört habe.« Er blickte herunter auf den Tisch und sprach langsam, als wolle er Zeit gewinnen.