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Ich war überrascht, wie sich ihr Gesicht verändert hatte. Das Fleisch schien weggefallen, die Haut spannte sich über die Knochen. Sie hörte nicht auf, mir zuzulächeln, aber das Lächeln sah eher wie eine Grimasse aus.

Wir tauschten ein paar oberflächliche Bemerkungen, welche die merkwürdige Stimmung zwischen uns nicht verbesserten.

»Fuller! Einen Whisky?« rief Howard durch den Raum, und seine Frage schien bestimmt, seine Gedanken zu verbergen.

»Danke, ich bin noch nicht mit diesem fertig«, murmelte Fuller und blätterte weiter in seinen Büchern.

Howard setzte sich neben mich und schlug mir kameradschaftlich aufs Knie. »Na, was macht der alte Sternli?« fragte er.

Das war der Eröffnungsschuß einer Attacke. Fuller schloß mit einem dumpfen kleinen Knall sein Buch und wandte sich uns zu, während Chloe ihre gefalteten Hände in einer unnatürlichen Geste zur Wange hob. Die Hände waren außerordentlich dünn, man sah die Knochen unter der durchsichtigen Haut.

»Sternli? Es geht ihm gut«, sagte ich gleichgültig.

»Er ist ein guter Kerl – mit einem bemerkenswerten Gedächtnis. Ich hätte ihn angestellt, wenn er nur nicht fast blind wäre!« beeilte sich Howard zu erklären.

»Ich ließ seine Augen von einem Spezialisten untersuchen, um die richtigen Linsen für ihn zu finden.«

Ich hatte nicht beabsichtigt, meinem Gastgeber einen Tadel zu erteilen, aber meine Antwort mußte doch ungefähr so geklungen haben, denn sein Gesicht wurde rot. Er hatte nicht erwartet, einen Verweis zu bekommen.

Es war, als belustige sich das Hirn, während ich zurückgezogen und bewegungslos zusah. Ich wußte im voraus jede Frage und jede Antwort, als hörte ich einer wohlbekannten Geschichte zu, bei der man jede Komplikation um so mehr genießt, weil man sie schon kennt.

Howard sprach weiter, aber es war ersichtlich, auf was er hinaus wollte. »Also hat mein Vater zu Ihnen von Sternli gesprochen, ehe er starb«, meinte er.

Fuller, der am Fenster stand, machte eine ungeduldige Bewegung. Er war nervös durch Howards plumpes Vorgehen.

»O nein – ich sagte Ihnen doch schon, daß Ihr Vater nicht mehr gesprochen hat. Ich habe in den Zeitungen alles über seinen treuen Sekretär gelesen.« Ich nahm eine andere Zigarre aus der Tasche und sah Fuller an. Meine Antwort strafte die Geschichte Lügen, die ich ihm erzählt hatte – daß Donovan mich nämlich an ihn verwiesen hätte. Der Anwalt machte aber keine Miene, mir zu widersprechen.

Howard wurde ungeduldig. Er war es nicht gewöhnt, bei eiligen Dingen langsam vorzugehen. Sein Gesicht verzerrte sich, und er sagte scharf: »Lassen wir die Vorwände fallen, Cory. Haben Sie sie nicht selber satt?«

Er stand auf und trat nervös zurück. Der Geruch der Upman-Zigarre steigerte seinen wachsenden Widerwillen gegen mich.

»Bitte seien Sie deutlicher«, half ich ihm weiter.

Plötzlich riß Fuller die Führung an sich. Er trat dicht an mich heran: »Herr Donovan hat Erkundigungen über Sie eingezogen, Dr. Cory. Wir können mit der Spiegelfechterei aufhören.«

»Ich bezweifle nicht, daß er Detektive auf meine Spur gesetzt hat. Das ist ein Teil der Familientradition!« sagte ich lächelnd.

»Ich bin ein alter Freund der Familie«, erwiderte Fuller vorsichtig. »Als Sie mir sagten, Herr Donovan hätte Sie zu mir geschickt, und Howard mich informierte, daß sein Vater gestorben sei, ohne ein Testament zu hinterlassen und ohne in seiner Todesstunde zu einem Menschen gesprochen zu haben – nun ja, da war es meine Pflicht, Donald und seine Schwester von diesem Widerspruch in Ihrer Geschichte in Kenntnis zu setzen.«

Er war meiner fünfzigtausend Dollar sicher; und wenn er nun Howard über mich Bericht erstattete, konnte er noch mehr Geld verdienen. Er war wie Yocum – immer auf noch mehr aus. Doch während Yocum von seinem Gewissen gepeinigt wurde, kannte Fuller kein solches Hindernis.

»Sie sind als Anwalt verpflichtet, die Angelegenheiten Ihrer Klienten geheimzuhalten – und ich bin Ihr Klient.«

»Ich kenne meine Pflicht genau, Dr. Cory«, erwiderte Fuller mit einem schlauen Unterton.

»Warum haben Sie sie dann vergessen?« fragte ich.

»Warum haben Sie so viel Geld an einen Mörder verschwendet?« beschuldigte mich Howard Donovan mit theatralischer Betonung. Er stand hinter mir, ich mußte mich in meinem Sessel nach ihm umwenden.

»An welchen Mörder?«

»An diesen Cyril Hinds, oder wer er ist!«

Howards Gesicht war ernst wie das eines Staatsanwalts.

»Sie wissen nicht, warum?« Ich war überrascht.

»Nein – aber Sie gebrauchen meines Vaters Geld dazu!« Er deutete mit seinem fetten Finger anklagend auf mich. Ich mußte lachen.

Howard war sprachlos. Hilfesuchend blickte er Fuller an.

»Bitte, überlassen Sie mir einen Augenblick das Wort«, sagte der Anwalt mit wohlbedachter Vorsicht. »Sie sind achtunddreißig Jahre, Dr. Cory. Sie haben in Harvard Medizin studiert. Als Sie neunundzwanzig Jahre alt waren, heirateten Sie ein Mädchen mit einem kleinen unabhängigen Vermögen. Einige Jahre praktizierten Sie in Los Angeles, aber Sie verdienten nie große Summen. Dann zogen Sie nach Washington Junction zurück, um einige Experimente auszuführen. Sie lebten von dem Geld, das Sie gespart hatten, und nachher von dem Ihrer Frau.«

»Richtig«, sagte ich. »Das ist meine Lebensgeschichte.«

Geduldig fuhr Fuller fort: »Plötzlich sind Sie im Besitz anscheinend unbegrenzter Mittel ... Sie gaben Ihre Experimente auf und kamen wieder nach Los Angeles, interessierten sich für Leute, die Sie nie gekannt hatten, wie Hinds und Anton Sternli ...« Er zählte die Tatsachen trocken auf, als wären sie begangene Verbrechen.

Ich unterbrach. »Was geht Sie das an – oder was geht es Herrn Howard Donovan an?«

Howard konnte nicht schweigen. »Erinnern Sie sich unseres Gesprächs in Phoenix? Sie leugneten, daß mein Vater zu Ihnen gesprochen hatte – und dabei hat er Ihnen gesagt, wo er sein Geld versteckt hatte!«

Ich sah ihn kalt an, und dieses stumme Duell brach seine Selbstbeherrschung. Sein Gesicht wurde fahl, er schrie: »Es ist mein Geld – und Sie haben es gestohlen!«

»Das ist eine sonderbare Anschuldigung, Sie werden sie zu beweisen haben«, antwortete ich belustigt – doch tief im Herzen fürchtete ich mich.

»Woher haben Sie das Geld, mit dem Sie herumschmeißen?« brüllte Howard.

Ich stand auf und ging hinüber zum Schreibtisch. Ich hinkte. Ich fühlte einen dumpfen Druck in der Nierengegend und setzte mich schwerfällig hin.

»Vielleicht kann Herr Fuller einen rechtlichen Grund hervorzaubern, warum ich antworten sollte!«

Fullers Stimme war glatt und ohne Streitsucht. »Wir können es freundschaftlich regeln, Dr. Cory. Herr Donovan ist bereit, Ihnen zehn Prozent der Summe zu geben, die sein Vater im Augenblick seines Todes in Ihre Obhut gab. Weiterhin: Das Geld, das Sie verbraucht oder über das Sie bis jetzt disponiert haben, wird nicht nachgerechnet.«

»Alle disponierten Beträge?« fragte ich und sah Fuller gerade in die Augen.

Er wußte, ich meinte damit die fünfzigtausend Dollar, die ich für ihn deponiert hatte, aber er zuckte nicht mit der Wimper.

»Natürlich«, erwiderte er in freundlichem Ton.

»Gut. Wollen Sie mir das schriftlich geben?« fuhr ich fort.

Ich sah Howards gieriges Gesicht, Fullers sphinxartiges Lächeln. Chloes Gesicht leuchtete im Halbdunkel weiß wie ein grinsender Totenkopf.

»Aber unterschreiben Sie erst das hier!« Fuller zog ein Papier aus der Tasche und legte es vor mich hin. Es war eine Bestätigung, daß ich Donovans Geld verbraucht hatte. Ich nahm mir nicht die Mühe, die Paragraphen durchzulesen.