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Mit siebzehn brachte Howard den Mut auf, wegzulaufen. Um sein Abenteuer zu finanzieren, stahl er die wertvollsten Marken seines Vaters. Er hinterließ einen Brief, in dem er seine Gründe erklärte, floh nach Paris und studierte an der Sorbonne. Er entwickelte großen Fleiß, machte seine Prüfung als Volkswirtschaftler und kehrte dann nach den Staaten zurück, um eine Stellung zu finden.

Doch er verlor einen Posten nach dem anderen; er merkte nicht, daß sein Vater jedes Druckmittel anwandte, um Howards Arbeitgeber zu zwingen, ihn zu entlassen.

Donovan wollte seinen Sohn zu Hause haben, und wie immer, erreichte er, was er sich vornahm.

Eines Tages kehrte Howard gebrochen und verzweifelt ins Vaterhaus zurück. Dort fand er statt des erwarteten Zorns Donovan mit offenen Armen bereit, den verlorenen Sohn aufzunehmen. Die Umarmung war symbolisch: Er hielt den Sohn wieder in seinen Klauen!

Von da an arbeitete Howard für seinen Vater – ohne Gehalt oder eine offizielle Position. Von Zeit zu Zeit gab ihm Donovan Geld, wie eine milde Gabe für einen armen Verwandten. Er verzieh Howard niemals seine einzige unabhängige Tat. Er konnte nicht vergeben.

Jedoch der Sohn hatte etwas von Donovans Hartnäckigkeit und List geerbt. Er beabsichtigte, den Vater mit der einzigen Waffe zu schlagen, die ihm zur Verfügung stand – mit der Zeit! Wenn er wartete, bis sein Vater alt war, würde seine Zeit schon kommen! Und er wartete, schweigend und geduldig. Jeden Tag wurde er stärker und Donovan älter!

Als Chloe vierzehn war, starb ihre Mutter. Zur Überraschung der Tochter nahm der Vater sich den Verlust sehr zu Herzen. Der Tod war in Donovans Königreich eingebrochen und hatte ohne Erlaubnis ein Stück seines Besitzes fortgenommen. Wieder schien es Donovan, als sei ihm ein großes Unrecht geschehen.

Für diese Selbstsucht haßte ihn Chloe nur noch mehr. In ihren Augen hatte er ihre Mutter getötet. Chloe sehnte sich nach Rache für diesen langsamen Mord und fand einen sicheren Weg dazu – dem Namen ihres Vaters Schande zu machen.

Mit vierzehn hatte sie Liebschaften mit den Dienern, und sie war listig genug, dafür zu sorgen, daß Donovan es entdeckte. Wütend und tief getroffen, sandte er sie in Mädchenpensionate, die praktisch Gefängnisse waren, aber sie fand immer einen Weg, durchzubrennen.

Als sie sechzehn war, heiratete sie einen Preisringer, mit achtzehn einen Boxer, mit neunzehn den Chauffeur ihres Vaters.

Doch dann kam ihr plötzlich die teuflische Idee, ihre Ähnlichkeit mit der Mutter zu vergrößern. Sie hungerte sich zwanzig Pfund ab, ließ ihre Nase umformen und fing an, das Ebenbild von Katherine zu sein. Sie wollte ihren Vater durch diese Ähnlichkeit erschrecken.

Aber das gelang ihr nicht. Donovan durchschaute die Pläne seiner Kinder, und nachdem er einmal ihre Absichten ergründet hatte, dachte er an einen Gegenschlag. Seine Entscheidung wurde durch die Diagnose seines Arztes – daß er unheilbar krank sei – beschleunigt.

Er wollte seine Kinder entwaffnen. Er hatte nur einmal im Leben etwas getan – eine Kleinigkeit für ihn –, was er bedauerte: Er hatte Roger Hinds betrogen. Wenn er das wiedergutmachte – was für eine Ursache hätte dann noch jemand, ihn zu hassen? Sein Geist war so primitiv, daß er seiner alltäglichen Grausamkeiten selbst gar nicht gewahr wurde. Donovan hielt sich für den einen Gerechten in einer verräterischen Welt.

Um einen eventuellen Rückzug zu decken, hatte Donovan seit Jahren Geld beiseitegelegt. Für dieses heimliche Konto benutzte er Hinds' Namen, unbewußt durch sein Schuldgefühl bedrückt. Er liquidierte seine Besitztümer und gab seine Herrschaft an seinen Sohn ab. Niemand hatte sie ihm weggenommen!

Der nächste Schritt war, seine Schuld an Roger Hinds gutzumachen, der seit vierzig Jahren begraben war.

Er suchte Hinds' Verwandte; er entdeckte aber nur wenige. Er hatte im Sinn, sie mit Vermögen zu beschenken, da für ihn Geld und Glück gleichbedeutend waren.

Als er einen Hinds im Gefängnis fand, des Mordes angeklagt, sah er seine große Chance. Hier war ein Leben zu erhandeln – für das, das er ausgelöscht hatte.

Auf seinem Weg zu Geraldine Hinds stürzte das Flugzeug in Reno ob, und damit hatte sein Schicksalspielen ein Ende, wenigstens gegenwärtig.

Während Chloe und ich sprachen, setzte ich im Geiste die einzelnen Stücke der Geschichte zusammen, stellte die Verbindungen her, fügte die fehlenden Teile hinzu und fand die Gründe zu den angedeuteten Ereignissen. Unklarheiten, die mich vorher verwirrt hatten, waren jetzt geklärt. Auf einmal kannte ich Horace Donovan besser, als wenn ich selbst sein Leben gelebt hätte – und ich erschrak.

Er hatte alles zerstört, was sich seinem Willen entgegensetzte. Jetzt, da der Tod eine Schranke gezogen hatte, überstieg sie sein Wille. Er war stärker als der Tod!

Ich sah alles klar – alles, was ich zu meinem Experiment brauchte. Was übrig blieb, konnte durch kalte Analyse festgestellt werden, nicht durch empirisches Forschen.

Ich mußte dieses Hirn begraben – zehn Fuß unter der Erde! Ich mußte seine widernatürliche Existenz beenden!

»Ich möchte, daß Cyril Hinds stirbt«, sagte Chloe verächtlich in heiserem, wütendem Flüstern. »Er darf nicht frei ausgehen! O nein, diesen Triumph darf mein Vater nicht haben!«

Ich lächelte ihr zu, legte meine beiden Hände auf die ihren und betete im stillen um Gedankenfreiheit und eigenen Willen für gerade diesen Augenblick.

»Es geschehen uns nur die Dinge, die wir begehren«, sagte ich. »Und da wir weiser werden, können wir einem Teil unseres Gefühlslebens entfliehen, wenn wir wollen. Schenken Sie diesem Mann nicht die Huldigung Ihres Hasses! Sie waren überempfindlich gegen jede seiner Launen. Seien Sie einmal empfindsam für sich selbst!«

Chloe wandte sich um und blickte mich an, als sähe sie mich zum erstenmal. In ihren Augen spiegelte sich ein längst vergessener Wunsch, der in dem langen Kampfe verlorengegangen war. Sie hatte ein krankhaftes Entzücken im Leiden gefunden; ihr vergessener Wunsch war, einmal das Glück in der Freude zu finden.

Sie stand an einem Kreuzweg, wo das richtige Wort sie auf den richtigen Weg schicken würde, das falsche aber in ein geistiges Chaos.

Ich beugte mich vor, um ihren Blick mit all meiner Willenskraft festzuhalten, und sagte: »Versprechen Sie mir, von hier fortzugehen. Nach Rio, nach Buenos Aires. Irgendwohin, wo die Menschen eine andere Sprache sprechen und nicht von Ihrem Vater reden, sondern nur über Sie, über Sie selbst! Sie sind wichtig! Nur Sie! Niemand als Sie!«

Meine Worte schienen den Haß und die Rachsucht auszulöschen. Der Ausdruck ihres blassen Gesichts – es war eine Maske der Verzweiflung gewesen – wurde weicher. Die Lippen verloren den harten, gekränkten Zug.

»Lassen Sie den Schmerz Ihren Lehrmeister des Verstehens sein«, sagte ich. »Dann werden Sie das Leben nicht hassen, sondern es in der Freude des Verstehens lieben lernen!«

Chloe lächelte, schloß die Augen. Ihr Körper entspannte sich.

Ich hielt ihre Hand in meiner, bis sie einschlief und ihr Atem leicht wurde. Dann kehrte ich ins Hotel zurück.

»Ein Herr wartet, der Sie sprechen möchte«, sagte der Portier und zeigte auf Yocum, der in einer Ecke der Halle stand.

Mit einem Schmunzeln auf dem dünnen Gesicht kam Yocum auf mich zu. Er trug einen auffallenden Anzug mit dickwattierten Schultern, Lackschuhe und einen teuren grauen Filzhut mit enorm breiter Krempe.

»Hallo, Doktor!« begrüßte er mich und streckte mir mit jovialer Geste die Hand entgegen.

»Was wünschen Sie?« fragte ich kurz. Das Lächeln in seinem Gesicht wurde zu einem entwaffnenden breiten Grinsen.

»Ich wollte Ihnen nur zeigen, wie gut es mir geht!«

Seine Stimme war stärker geworden, denn er hatte sich besser ernährt, aber die tiefen Löcher in seinen Wangen zeigten das Ende seiner Tage an wie ein Stundenglas. Ich gab ihm nur noch ein paar Monate. »Sie sollten in ein Sanatorium«, sagte ich.