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Yocum zuckte die wattierten Schultern.

»Nun ja – vielleicht tue ich es auch! Aber erst will ich mich ein bißchen amüsieren! Wissen Sie, es ist, als ob man lange gehungert hat ... Ich möchte essen, ehe ich wieder faste!«

Er musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, abschätzend, als wäre ich ein Wagen aus zweiter Hand.

»Sie sehen wohlhabend aus«, sagte er befriedigt.

Der Besuch hatte einen allzu offenkundigen Zweck!

Ich nahm ihn in eine Ecke, wir setzten uns. Ein plötzlicher Einfall zuckte mir durch den Sinn. Vielleicht hatte ich Verwendung für ihn.

Yocum kreuzte sorgsam die Beine, um seine Hose nicht zu drücken. Dann zog er eine Photographie aus der Brusttasche; sie war gelb von Rauch. Es war das Bild Donovans in der Leichenkammer.

»Ich fand es in der Asche meines Hauses«, sagte Yocum angelegentlich, zeigte es mir und steckte es wieder in seinen Rock.

»Und was wünschen Sie von mir? Soll ich es kaufen?« fragte ich.

»Seien Sie nicht unfair, Doktorchen«, sagte er frech, »Sie haben mir bis jetzt mein Haus noch nicht bezahlt!«

Ich stand auf, ohne zu antworten, und da er nur ein armseliger Bösewicht war, wurde er bleich. »Sie müssen wissen, Doktor«, sagte er drohend, »ich kann dieses Bild immer noch an Howard Donovan verkaufen!«

»Ich wünschte, Sie täten es«, erwiderte ich, und meine Stimme klang so gleichgültig, daß Yocum Angst bekam.

»Ich kann da nicht folgen«, sagte er ratlos. »Noch vor ein paar Tagen haben Sie gern dafür bezahlt, und jetzt ...«

Ich setzte mich wieder. »Ich bin Ihrer überdrüssig«, sagte ich. »Sie handeln wie ein Esel, der nicht weiß, wann er sich selbst umbringt. Gehen Sie doch und erzählen Sie es Howard Donovan! Angenommen, man fährt nach Washington Junction und findet das Hirn. Was weiter? In diesem Fall sind Sie derjenige, der wegen Erpressung eingesperrt wird!«

»O nein! Ich nicht!« sagte Yocum prahlerisch. »Sie haben mir das Geld freiwillig gegeben!«

»Erzählen Sie das nur dem Richter – Sie werden schon sehen, ob er Ihnen glaubt. Nebenbei ...«, ich starrte ihn an, um ihn einzuschüchtern, »es wäre gar keine schlechte Idee, Sie verhaften und mir mein Geld wiedergeben zu lassen!«

»Das Geld?« stammelte er. Sein Gesicht zerbrach in kleine Flächen, die nur noch von einem Netz tiefer grauer Linien zusammengehalten wurden. »Sie können nichts beweisen!«

»Oh, ich habe noch Ihre Negative«, sagte ich.

»Sie haben mein Haus niedergebrannt!« Er versuchte anzugreifen, um meinen Angriff abzuwehren.

»Können Sie das beweisen? Wem wird man glauben – Ihnen oder mir? Sie haben doch schon eine Strafakte oder etwa nicht?«

Das war ein Schuß in den Nebel, aber er schien getroffen zu haben.

»Photos!« murmelte er. »Mit diesem Beweis kann man niemanden überführen!«

»Sie werden erzählen müssen, woher Sie das Geld für Ihren neuen Anzug haben und für den Wagen, den Sie kauften. Wie wollen Sie es erklären? Die Negative und das Hirn in Washington Junction sind der einzige Beweis«, sagte ich langsam und gewichtig, um es ihm recht deutlich einzuprägen. Dann stand ich auf.

Mit zitternder Hand nahm er das Bild wieder heraus.

»Gut – Sie haben gewonnen!« sagte er tonlos und zerriß es in kleine Stücke. »Vergessen Sie das Ganze, Doktor!«

»O nein, das werde ich nicht tun! Sie werden von mir hören!«

Ich machte auf dem Absatz kehrt und ließ ihn stehen. Er starrte mir hilflos nach. Als ich mich nochmals umwandte, war er weggegangen.

Fünfzehnter Mai

Fast fünf Monate lang habe ich unterlassen, meine Berichte fortzusetzen. Von dem Augenblick an, als Yocum aus dem Hotel lief, sind alle meine Handlungen nicht mehr meine eigenen gewesen! Meine Willenskraft war ausgelöscht worden wie eine Kerze.

Ein scheinbar toter Mann kann hören und sehen, kann weiterhin Eindrücke in seinem Hirn empfangen, ist aber in Stimme und Bewegung gelähmt. Ich hörte und sah.

Für tot erklärt zu werden, während man noch lebt, muß die grausamste aller Qualen sein – aber es liegt ein gewisser Frieden darin, das Schlimmste zu wissen. Ich aber wußte nicht, was mein Körper, abgetrennt von meinem Geist, zu tun gedachte!

Ich schrie stumm um Hilfe, während mein Mund Worte sprach, die ich nicht sagen wollte, und meine Hände Dinge taten, die ich nicht tun wollte! Mein lebendes Hirn war wie in einer Falle.

Ich konnte keine Botschaften aussenden, keine Warnungen aussprechen – es war kein Betäubungsmittel erreichbar, das mir Ruhe verschafft hätte, es war kein Selbstmord möglich, es gab keinen Ausweg!

Donovans Hirn lebte wie ein Vampir in meinem Körper, und niemand merkte mir die Verwandlung an.

Persönlichkeit ist teilweise die Summe der Erinnerungen; also fuhr das Hirn – sich nur seiner früheren Existenz erinnernd – fort. sein altes Leben zu leben. Dieser bewegliche, kräftige Geist, dessen Taten voll eisernem Haß und Mißachtung allen menschlichen Lebens waren, fuhr fort zu handeln. Ich war eingekerkert und mußte zusehen.

Ich lernte, mich vor dem Licht des Tages und den Sternen der Nacht zu fürchten. Ich fühlte, daß ich dem Wahnsinn nahe war in der Zelle meiner hermetisch versiegelten Existenz.

Ich versuchte einen Pakt mit Gott zu machen, wenn er mich aus meinem Gefängnis befreite. Ich hatte Zeit zu beten und über meine Taten nachzudenken. Denn selbst wenn ich zu schlafen schien, hielt das Entsetzen mich wach.

Wir berechnen die Zeit nach Minuten und Stunden, Tagen und Jahren, wir messen den Raum in drei Dimensionen innerhalb der physikalischen Welt. Aber Donovans Geist existierte außerhalb unserer konkreten Grenzen. Obwohl er untrennbar vom Raum war, hatte er einen persönlichen Zeitbegriff. Er schien die Zukunft genauso zu kennen, wie wir uns der Vergangenheit erinnern. Er ahnte kommende Ereignisse voraus und vereitelte sie durch Methoden, die ich nicht begreifen konnte, denn meinem Denken fehlte das Verständnis für die vierte Dimension. Ich kannte die bevorstehenden Ereignisse nicht.

Ich bin jetzt gezwungen, das Hirn und meinen Körper zu identifizieren, in diesem zweiten Dasein Donovans – ist doch das Großhirn der Sitz der Persönlichkeit und der Körper nur ihre zufällige Form. Von diesem Augenblick an kann ich, Patrick Cory, der ohnmächtige Zuschauer, diese widernatürliche, scheußliche Einheit, die sich meines Körpers bedient, nur noch bei ihrem richtigen Namen nennen: Warren Horace Donovan!

Also: Eine Minute, nachdem Yocum weggelaufen war, schritt Warren Horace Donovan aus dem Hotel, ging zur Ivarstraße und betrat ein Büro, um einen Wagen zu mieten. Er wählte einen Buick.

Der Angestellte wollte den Führerschein sehen, doch aus Gründen, die mir erst später bekannt wurden, gab Donovan vor, ihn zu Hause gelassen zu haben. Er bot aber an, das Geschäft zu erleichtern, indem er jede gewünschte Summe in bar deponierte.

Er unterschrieb den Schein als Herb Yocum, Kirkwood Drive. Wenn der Angestellte das im Telefonbuch nachgeprüft hätte, so mußte er befriedigt sein.

Donovan fuhr den Wagen bis zu einer Ecke hinter dem Hotel, ließ ihn dort und nahm eine Taxe zum Büro Fullers. Er hinkte und spürte schmerzhaft einen dumpfen Druck in den Nieren.

In der Taxe sah er in den Spiegel. Sein Gesicht war ungesund weiß mit einem Stich ins Gelbliche. Er trug alle Anzeichen einer nephritischen Entartung der Nieren. Wie ein Mann, dem die Beine amputiert sind, noch immer von seinem Hühnerauge an seiner nicht mehr vorhandenen Zehe geplagt wird, so übertrug Donovan die Empfindungen, die er in seinem früheren Körper zu haben pflegte, auf den meinen.

Er ging zum Büro des Anwalts hinauf.

Nachdem er ein paar Minuten gewartet hatte, kam Fuller herein. Seine Haltung gegen Donovan war entschieden feindlich, aber er versuchte sie unter einem geschäftsmäßigen Gebaren zu verstecken.