«Du hast Soupy geschlagen, was, Dan?«
Ich nickte, und schon bekam ich ein paar Pfeile in die Hand gedrückt.
«Wenn du Soupy schlägst, gehörst du in die Mannschaft.«
«Welche Mannschaft?«
«Die vom Stall. Wir spielen gegen andere Ställe und haben so was wie eine Yorkshire-Liga. Manchmal fahren wir nach Middleham, Wetherby oder Richmond, manchmal kommen die anderen her. Soupy ist der Beste im Granger-team. Meinst du, du packst ihn noch mal, oder war das Glück?«
Ich warf drei Darts. Alle gingen in die Zwanzig. Aus einem unerfindlichen Grund hatte ich schon immer gut zielen können.
«Gott«, riefen die Jungs.»Weiter.«
Ich warf noch drei: In der Zwanzig wurde es ziemlich voll.
«Du bist in der Mannschaft«, sagten sie.»Himmel noch mal.«
«Wann ist das nächste Match?«fragte ich.
«Hier war vor vierzehn Tagen eins. Das nächste ist kommenden Sonntag in Burndale, nach dem Fußballspiel. Kannst du mit einem Ball zufällig auch so umgehen?«
«Bedaure.«
Ich schaute auf den letzten Pfeil in meiner Hand. Ich konnte mit einem Stein eine Ratte im Lauf treffen; das war mir oft genug gelungen, wenn meine Leute zwischen den Futterkisten eine entdeckt und sie herausgescheucht hatten. Wieviel einfacher mußte es sein, ein galoppierendes Pferd — eine weit größere Zielscheibe — mit einem Pfeil zu treffen.
«Wirf den ins Zentrum«, drängte der Pfleger neben mir.
Ich setzte ihn ins Zentrum. Die Jungs jubelten.
«Diesmal gewinnen wir die Meisterschaft«, meinten sie grinsend. Grits grinste auch. Nur Paddy nicht.
Kapitel 4
Octobers Sohn und seine beiden Töchter kamen zum Wochenende nach Hause, das ältere Mädchen in einem knallroten TR4, der mir bald zum vertrauten Anblick wurde, da sie öfter an den Stallungen vorbeifuhr, und die Zwillinge mit ihrem Vater, nicht ganz so schnell. Da sie alle drei regelmäßig ausritten, wenn sie zu Hause waren, befahl mir Wally am Samstag, zwei meiner Pferde zum Hinausgehen mit dem ersten Lot zu satteln, Sparking Plug für mich und das andere für Lady Patricia Tarren.
Lady Patricia Tarren, so stellte ich fest, als ich das Pferd im ersten Morgengrauen zu ihr hinausführte, war eine hinreißende Schönheit mit blaßrosa Lippen und dichten, geschwungenen Wimpern, die sie geschickt einzusetzen wußte. Sie hatte ein grünes Kopftuch um ihr kastanienbraunes Haar gebunden und trug der Kälte wegen eine schwarzweiß gemusterte Skijacke. In der Hand hielt sie leuchtendgrüne Wollhandschuhe.
«Sie sind neu hier«, meinte sie und sah mich unter den Wimpern hindurch an.»Wie heißen Sie?«
«Dan… Miss«, sagte ich. Mir war gerade klargeworden, daß ich keine Ahnung hatte, wie eine Grafentochter anzureden war. Wally hatte sich dazu nicht geäußert.
«Gut… dann helfen Sie mir mal rauf.«
Ich trat gehorsam zu ihr hin, doch als ich mich bückte, um sie hochzuwerfen, strich sie mir mit der bloßen Hand über Kopf und Hals, nahm mein rechtes Ohrläppchen zwischen die Finger und kniff mit scharfen Nägeln fest hinein. Ihre großen Augen blitzten herausfordernd. Ich hielt ihrem Blick stand. Als ich mich weder rührte noch etwas sagte, kicherte sie, ließ das Ohr los und zog gelassen ihre Handschuhe an. Ich warf sie in den Sattel; sie beugte sich vor, um die Zügel aufzunehmen, und ließ direkt vor meinem Gesicht ihre dichten Wimpern klimpern.
«Gut schauen Sie aus, Danny«, sagte sie,»Danny mit den feurigen Augen.«
Mir fiel keine Antwort darauf ein, die sich mit meiner Stellung vereinbaren ließ. Sie lachte, setzte das Pferd in Bewegung und ritt über den Hof davon. Ihre Schwester, die ein von Grits gehaltenes Pferd bestieg, schien mir aus zwanzig Metern in dem schwachen Licht viel heller im Teint zu sein und beinah genauso schön. Gott helfe October, dachte ich, wenn er auf die beiden aufpassen muß.
Ich wollte kehrtmachen, um Sparking Plug zu holen, und da stand Octobers achtzehnjähriger Sohn neben mir. Er kam ganz nach seinem Vater, war aber noch nicht so kräftig und im Auftreten weniger souverän.
«Um meine Zwillingsschwester brauchen Sie sich nicht weiter zu kümmern«, sagte er mit ruhiger, gelangweilter Stimme und musterte mich.»Sie schäkert gern. «Er neigte den Kopf und ging zu seinem bereitstehenden Pferd; wie es aussah, hatte ich gerade eine Warnung erhalten. Wenn seine Schwester sich allen Männern gegenüber so aufreizend benahm, mußte er im Warnen geübt sein.
Belustigt holte ich Sparking Plug, saß auf und ritt hinter den anderen Pferden über die Felder zum Moor. Die Luft und die Aussicht waren wie immer, wenn das Wetter stimmte, fantastisch. Die Sonne kündigte sich am fernen Horizont erst an und gab ein Licht, als sei die Welt noch im Entstehen. Ich betrachtete die schattenhaften Umrisse der vor mir bergan ziehenden Pferde, sah die weißen Atemwölkchen, die in der kalten Luft ihren Nüstern entströmten. Als der glitzernde Rand der Sonne hervorbrach, war plötzlich alles in Licht und Farbe getaucht, die Pferde trabten in den verschiedensten Brauntönen, von denen sich die gestreiften Strickmützen der Reiter, die fröhlich bunten Kleider der Töchter Octobers abhoben.
October selbst, begleitet von seinem Hund, kam mit einem Landrover aufs Moor, um die Pferde bei der Arbeit zu sehen. Samstag war der Tag fürs Galopptraining, hatte ich festgestellt, und da sich der Graf zum Wochenende meist in Yorkshire aufhielt, legte er Wert darauf, dabeizusein.
Inskip ließ uns auf dem Berg im Kreis reiten, während er die Pferde in Zweiergruppen einteilte und ihre Reiter instruierte.
Zu mir sagte er:»Dan, gehen Sie etwas mehr als halbschnell. Ihr Pferd läuft am Mittwoch. Nicht zu hart rannehmen, aber wir wollen sehen, was er draufhat. «Als Begleitpferd teilte er mir eins der besten des Stalls zu.
Nachdem er seine Anweisungen gegeben hatte, trabte er den breiten grünen Grasstreifen entlang, der sich durch das Heidegestrüpp zog, und October fuhr langsam hinter ihm her. Wir gingen weiter im Kreis, bis die beiden am anderen Ende der etwa zweieinhalb Kilometer langen, sanft geschwungenen, sanft ansteigenden Arbeitsbahn angelangt waren.
«Okay«, sagte Wally zum ersten Paar.»Ab!«
Die beiden Pferde galoppierten an, gingen zunächst ein gleichmäßiges Tempo, beschleunigten mehr und mehr, zogen an Inskip und October vorbei, wurden langsamer und hielten an.
«Die nächsten zwei«, rief Wally.
Wir waren bereit und galoppierten sofort los. In Australien hatte ich unzählige Rennpferde gezüchtet und angeritten, aber in England hatte ich mit Sparking Plug zum erstenmal ein gutes erwischt, und mich interessierte, wie er abschneiden würde. Daß er ein Hürdler war und ich mehr an Flachpferde gewöhnt war, erwies sich als ganz unproblematisch, und trotz seines harten Mauls, gegen das ich liebend gern etwas getan hätte, galoppierte er ausgezeichnet. Ruhig und gleichmäßig, in perfekter Haltung, flog er die Bahn entlang und hielt mühelos mit dem sieggewohnten Begleitpferd mit, und obwohl wir wie angewiesen nur halbes Tempo gingen, stand außer Zweifel, daß Sparking Plug fit und für das kommende Rennen bereit war.
Ich war so engagiert geritten, daß ich ganz vergessen hatte, meinen Reitstil zu verhunzen. Das wurde mir erst klar, als ich das Pferd anhielt — keine leichte Übung bei dem Maul — und mit ihm zurückritt. Ich stöhnte innerlich über mich selbst: Was ich in England vorhatte, würde mir nie gelingen, wenn ich mit dem Kopf so wenig bei der Sache war. Ich brachte Sparking Plug neben dem Begleitpferd vor Inskip und October zum Stehen, damit sie sehen konnten, wie sehr die Tiere schnauften. Sparking Plugs Rippen hoben und senkten sich leicht: Er war kaum außer Atem. Die beiden Männer nickten, und mein Kollege und ich sprangen ab und führten die Pferde trocken.
Paar für Paar kamen die anderen Pferde die Bahn herunter, und ihnen folgte eine Gruppe von nur leicht Galoppierenden. Als alle gearbeitet hatten, saßen die meisten Pfleger wieder auf, und wir traten den Rückweg vom Trainingsgelände zum Stall an. Ich führte mein Pferd als letztes im Lot, und Octobers ältere Tochter, die unmittelbar vor mir ritt, schnitt mich praktisch von der Unterhaltung der anderen Pfleger ab. Sie betrachtete die weite Moorlandschaft, ohne dabei am Vordermann zu bleiben, und bis wir den Feldweg erreichten, waren ihre Vorderleute zehn Meter entfernt.