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«Soweit ich weiß, ist bei keinem der Pferde etwas Derartiges gefunden worden, aber ich frage noch mal. Übrigens habe ich im Labor nachgehört, ob Pferde Drogen in harmlose Substanzen aufspalten können, und es hieß, das sei unmöglich.«

«Also wieder eine Unklarheit beseitigt.«

«Ja. «Er pfiff seinem Hund, der auf der anderen Seite der Böschung herumstöberte.»Nächstes Wochenende sind Sie ja in Burndale, aber danach sollten wir uns sonntags nachmittags um diese Zeit hier immer treffen und besprechen, wie es vorangeht. Wenn ich samstags nicht zur Morgenarbeit komme, wissen Sie, daß ich nicht da bin. Übrigens war Ihr reiterisches Können gestern auf Sparking Plug unübersehbar. Dabei hatten wir doch ausgemacht, daß Sie sich etwas zurückhalten. Und obendrein«, setzte er mit einem kleinen Lächeln hinzu,»hält Inskip Sie für einen flinken und gewissenhaften Arbeiter.«

«Verdammt… wenn ich nicht aufpasse, bekomme ich noch ein gutes Zeugnis.«

«Ein sehr gutes«, ahmte er meinen Akzent nach.»Wie gefällt Ihnen denn das Pferdepflegerdasein?«

«Manchmal hat es was… Ihre Töchter sind sehr hübsch.«

Er lächelte.»Ja — danke übrigens, daß Sie Elinor geholfen haben. Sie sagte mir, Sie seien sehr aufmerksam gewesen.«

«Nicht der Rede wert.«

«Patty macht mir ganz schön zu schaffen«, meinte er nachdenklich.»Ich wünschte, sie könnte sich mal entscheiden, was sie mit ihrem Leben anfangen will. So wie in London geht das mit ihr nicht weiter — endlose Partys, ausgehen bis in die Puppen… na ja, das ist nicht Ihre Sorge, Mr. Roke.«

Wir gaben uns wie üblich die Hand, und er stapfte den Berg hinauf. Es war immer noch trist und naß, als ich den Rückweg antrat.

Sparking Plug reiste wie geplant die vierhundert Kilometer hinunter nach Bristol, und ich begleitete ihn. Die

Rennbahn lag außerhalb der Stadt, und der Transportfahrer erzählte mir, als wir unterwegs zum Essen anhielten, daß die Stallungen dort, nachdem ein Feuer sie verwüstet hatte, komplett neu gebaut worden seien.

Die Boxen waren wirklich sauber und bequem, doch was die Pfleger in Begeisterung versetzte, waren die neuen Unterkünfte für sie selbst. Auch ich staunte darüber. Im wesentlichen bestand die Herberge aus einem Erholungsraum und zwei langen Schlafsälen mit je dreißig Betten, alle frisch bezogen unter flauschigen blauen Wolldecken. Jedes Bett hatte eine eigene Wandleuchte, die Räume hatten Fußbodenheizung und waren mit Vinyl ausgelegt, im Waschraum gab es moderne Duschen, daneben einen extra Raum zum Trocknen nasser Kleidung. Das ganze Haus war warm und hell, die Farbenzusammenstellung offensichtlich Facharbeit.

«Gott, wir sind echt im Hilton«, meinte ein Spaßvogel, der, gerade zur Tür hereingekommen, neben mir stehenblieb und seine Leinentasche auf ein freies Bett warf.

«Das hier ist noch gar nichts«, sagte ein langer, knochiger Bursche in einem zu kleinen blauen Pulli,»wenn du durch den Flur gehst, kommst du in eine Riesenkantine mit ordentlichen Stühlen, Fernseher, Pingpongtisch und allem Pipapo.«

Andere Stimmen fielen ein.

«Das reicht an Newbury ran.«

«Aber locker.«

«Es schlägt Ascot.«

Einige nickten.

«In Ascot gibt’s doch nur Etagenbetten.«

Die Herbergen in Newbury und Ascot galten offenbar als die komfortabelsten im Land.

«Man könnte meinen, die Bonzen hätten plötzlich geschnallt, daß wir auch Menschen sind«, hetzte ein Fuchsgesicht mit streitlustiger Stimme.

«Ein himmelweiter Unterschied zu den verwanzten Pennen von früher«, nickte ein älterer kleiner Mann mit einem Gesicht wie ein verschrumpelter Apfel.»Aber in Amerika sollen die Jungs es überall so gut haben.«

«Die wissen hier auch, daß ihnen die Dreckarbeit bald keiner mehr abnimmt, wenn sie uns nicht anständig behandeln«, sagte der Hetzer.»Die Zeiten ändern sich.«

«Wo ich herkomme, wird man ganz gut behandelt«, sagte ich, warf meine Sachen auf das freie Bett neben seinem und gab mich so locker, natürlich, unauffällig, wie es eben ging. Ich war hier viel befangener als in Slaw, wo ich wenigstens meine Arbeit in- und auswendig kannte und zu den anderen Pflegern vorsichtig eine normale Beziehung hatte aufbauen können. Hier blieben mir nur zwei Abende, und wenn ich vorankommen wollte, mußte ich das Gespräch in die gewünschte Richtung lenken.

Die Rennberichte hatte ich inzwischen gut im Kopf, und seit vierzehn Tagen spitzte ich die Ohren, um mir den Rennsportjargon anzueignen; dennoch zweifelte ich, ob ich alles, was ich in Bristol zu hören bekam, verstehen würde, und hatte Angst, ich selbst könnte mich auf die unmöglichste und unpflegerhafteste Art und Weise verplappern.

«Wo kommst’n her?«fragte der Spaßvogel, indem er mich beiläufig musterte.

«Von Lord October«, sagte ich.

«Ach, von Inskip, meinst du? Da bist du aber weit gefahren.«

«Inskip mag angehen«, räumte der Hetzer widerwillig ein,»aber für manche sind wir doch immer noch die Fußabtreter; die glauben nicht, daß wir genauso Anrecht auf ein bißchen Sonne haben wie jeder andere auch.«

«Ja«, sagte der Knochige ernst.»Ich hab von einem Stall gehört, wo die Pfleger kaum was zu beißen kriegen und geknüppelt werden, wenn sie nicht hart genug rangehen, und auf jeden kommen vier bis fünf Pferde, weil’s da keiner lange aushält.«

«Wo ist denn das?«fragte ich träge.»Damit ich da einen Bogen drum machen kann, wenn ich bei Inskip mal aufhöre.«

«Bei dir in der Gegend«, antwortete er unbestimmt.

«Irgendwo.«

«Nein, weiter nördlich, in Durham…«, meldete sich ein anderer, ein schlanker, hübscher Kerl, dem noch der erste Bartflaum sproß.

«Du kennst das also auch?«

Er nickte.»Spielt aber eigentlich keine Rolle, weil nur ein Verrückter dahin geht. Ein Ausbeutungsbetrieb ist das, Zustände wie vor hundert Jahren. Die kriegen auch nur Gesindel, das sonst keiner haben will.«

«Das muß an die Öffentlichkeit«, schimpfte der Hetzer.

«Wem gehört denn der Laden?«

«Einem gewissen Humber«, sagte der Hübsche,»Keine Ahnung vom Trainieren und jedes Schaltjahr ein Sieg… Auf der Rennbahn sieht man manchmal seinen Reisefuttermeister, wie er Leute zu ködern sucht und dann prompt eine Abfuhr kriegt.«

«Da muß man doch was tun«, sagte der Hetzer automatisch, und ich nahm an, das war seine übliche Leier: Da muß man doch was tun — nur bitte nicht er selbst.

Alle zogen in die Kantine, wo es reichlich, gut und kostenlos zu essen gab. Auf den anschließenden Gang in die

Kneipe wurde verzichtet, als sich herausstellte, daß die nächste gut drei Kilometer entfernt war und kein Bus dahin fuhr, daß aber in der schönen, warmen Kantine einige Kasten Bier hinter dem Tresen standen.

Es war nicht weiter schwer, die Jungs auf das Thema Doping zu bringen, und dann wollten sie gar nicht mehr damit aufhören. Keiner von den über zwanzig Anwesenden hatte jemals einem Pferd» etwas gegeben«, zumindest gab es keiner zu, aber alle kannten jemanden, der einen kannte, welcher. Ich trank mein Bier, hörte zu und machte ein ungespielt interessiertes Gesicht.

«… hat ihn mit einem Spritzer Säure lahmgelegt, als er aus dem Führring kam.«

«. ihm eine solche Ladung Langsam-Macher verpaßt, daß er am Morgen in der Box eingegangen ist.«

«… sieben Gummiringe aus dem Mist gezogen.«

«. derart vollgepumpt, daß er am ersten Sprung durchgelaufen ist; er war stockblind.«

«… eine halbe Stunde vor dem Rennen einen großen Eimer Wasser, das ihm dann im Bauch herumgeschwappt ist.«

«. ihm einen halben Liter Whisky eingetrichtert.«

«… früher hat man Pferden, die nicht richtig atmen konnten, am Renntag eine Kanüle in die Luftröhre eingesetzt, bis sich rausstellte, daß nicht die verbesserte Sauerstoffzufuhr sie zum Sieg geführt hat, sondern das Kokain, mit dem sie vor der Operation vollgeknallt wurden.«