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Am nächsten Nachmittag hatte ich October nichts Neues zu berichten, und unser Treffen am Bach war kurz. Er sagte mir jedoch, daß die Informationen, die Beckett abgeschickt hatte, von elf eifrigen jungen Offiziersanwärtern gesammelt worden waren, die auf diesem Weg ihre Tatkraft unter Beweis stellen und im Wettstreit miteinander herausfinden sollten, wer den lückenlosesten Bericht über das ihm zugeteilte Pferd liefern konnte. Bestimmte Frage die von mir angeregten — waren dabei vorgegeben. Alles andere war ihrer Phantasie und ihrer Spürnase überlassen worden, und Beckett hatte October erzählt, das habe sich voll ausgezahlt.

Ich ging den Berg wieder hinunter, mehr denn je beeindruckt von der Stabsarbeit des Colonels, und doch setzte mich die Sendung, die am nächsten Tag eintraf, in Erstaunen. Wally fand wieder eine extra Nachmittagsbeschäftigung für mich, so daß ich erst nach dem Abendessen, als die Hälfte der Leute nach Slaw gefahren war, das Päckchen in den Schlafsaal hinaufbringen und öffnen konnte. Es enthielt einen Schnellhefter mit 237 paginierten Schreibmaschinenseiten, wie ein Buchmanuskript, und so etwas innerhalb einer Woche auf die Beine zu stellen, war nicht nur für die Offiziersanwärter, sondern auch für die Schreibkräfte eine Leistung. Die Berichte bestanden weitgehend aus Stichwörtern und Notizen, auf griffige, aber platzschluckende Formulierungen hatte niemand Wert gelegt — es war kompakte Information von A bis Z.

Mrs. Almuts Stimme tönte durch das Treppenhaus:

«Dan, würden Sie mir bitte einen Eimer Kohlen holen?«

Ich versteckte das Manuskript zwischen den Laken in meinem Bett und ging in die gemütliche Gemeinschaftsküche hinunter, in der wir aßen und den größten Teil unserer Freizeit verbrachten. Was man dort las, bekamen alle mit, und überhaupt war mein Leben praktisch vom Aufstehen bis zum Schlafengehen überwacht; für eine ungestörte Beschäftigung mit dem Manuskript blieb nur das Bad. An diesem Abend wartete ich also, bis alle schliefen, dann ging ich über den Flur und sperrte mich ein, bereit, mich auf eine Magenverstimmung herauszureden, falls jemand neugierig wurde.

Es ging sehr langsam; nach vier Stunden hatte ich erst die Hälfte gelesen. Steif stand ich auf, reckte mich, gähnte und ging in den Schlafsaal zurück. Niemand muckste sich. In der folgenden Nacht, als ich darauf wartete, daß die anderen einschliefen, damit ich wieder an die Arbeit gehen konnte, hörte ich, wie sie sich über die Kneipe in Slaw unterhielten, wo vier von ihnen den Abend verbracht hatten.

«Wer war denn der Typ bei Soupy?«fragte Grits.»Den hab ich noch nie gesehen.«

«Gestern abend war der auch da«, sagte ein anderer.

«Komischer Vogel.«

«Was war denn an dem komisch?«fragte ein Junge, der daheim geblieben war und ferngesehen hatte, während ich in einem Sessel etwas Schlaf nachholte.

«Weiß nicht«, sagte Grits.»Der hat sich dauernd umgesehen.«

«Als hätte er jemand gesucht«, warf ein anderer ein.

Paddy sagte mit fester Stimme rechts von mir:»Haltet euch von dem mal schön fern, und auch von Soupy. Ich sag’s euch, solche Leute taugen nichts.«

«Ja, aber der mit dem scharfen goldenen Schlips hat uns doch eine Runde spendiert. Da kann er doch so verkehrt nicht sein.«

Paddy seufzte über dieses Ausmaß an Naivität.»Wärst du Eva im Paradies gewesen, du hättest den Apfel gleich verdrückt, auch ohne Schlange.«

«Ach, na ja«, gähnte Grits.»Morgen kreuzt der wahrscheinlich nicht mehr auf. Die Zeit wird knapp oder so, hat er zu Soupy gesagt.«

Sie wurden immer leiser und schliefen ein, und ich lag wach im Dunkeln und dachte, ich könnte gerade etwas wirklich Interessantes gehört haben. Für den nächsten Abend war jedenfalls ein Kneipenbesuch angezeigt.

Bevor mir endgültig die Augen zufielen, gab ich mir einen Ruck, stieg aus dem warmen Bett, zog mich ins Bad zurück und las noch einmal vier Stunden lang, bis ich das Manuskript durchhatte. Ich saß auf dem Boden, den Rük-ken an die Wand gelehnt, und starrte ohne zu sehen auf die Badezimmereinrichtung. Es gab nicht einen einzigen Faktor, der übereinstimmend in den mikroskopisch genau dokumentierten Lebensläufen aller elf Pferde auftrat. Keinen gemeinsamen Nenner. Dabei kam es schon vor, daß bei vier oder fünf Pferden das eine oder andere übereinstimmte — etwa die Marke der von ihren Jockeys verwendeten Sättel, das Futterwürfelfabrikat oder der Ort, wo sie zur Versteigerung gekommen waren —, aber meine Hoffnungen auf einen greifbaren Hinweis in dieser Datenfülle hatten sich in Luft aufgelöst. Fröstelnd, steif und deprimiert kroch ich wieder ins Bett.

Am nächsten Abend um acht ging ich allein nach Slaw, da alle anderen abgebrannt waren und sich sowieso lieber Z Cars im Fernsehen anschauen wollten.

«Ich denke, du hast dein ganzes Geld in Cheltenham auf Sparks verwettet«, bemerkte Grits.

«So zwei Shilling hab ich noch«, sagte ich und klimperte mit ein paar Münzen.»Für ein Bier reicht’s.«

Die Kneipe war wie so oft am Mittwoch leer. Von Soupy oder seinem geheimnisvollen Freund war nichts zu sehen, und nachdem ich ein Bier bestellt hatte, vertrieb ich mir die Zeit, indem ich mehrere Runden von eins bis zwanzig auf der Dartscheibe warf und dasselbe in Trebles versuchte. Schließlich zog ich die Pfeile aus der Scheibe, sah auf die Uhr und sagte mir, ich sei umsonst hergekommen — da erschien, nicht von draußen, sondern aus der Bar nebenan, ein Mann am Eingang. Er hatte ein Glas mit einer leicht sprudelnden, bernsteinfarbenen Flüssigkeit und eine schlanke Zigarre in der Linken, während er mit der Rechten die Tür aufhielt. Er musterte mich und sagte:»Sind Sie Pferdepfleger?«

«Ja.«

«Bei Granger oder bei Inskip?«

«Inskip.«

«Hmm. «Er kam herein und ließ die Tür hinter sich zufallen.»Sie können sich zehn Shilling verdienen, wenn Sie morgen abend einen Ihrer Kollegen mit hierherbringen… und es gibt Freibier für Sie beide.«

Ich sah ihn interessiert an.»Wer soll’s denn sein?«fragte ich.»Ein bestimmter? Am Freitag kommen viele her.«

«Also, morgen wär’s mir lieber. Je früher, desto besser, sag ich immer. Und wen Sie mitbringen, ehm… sagen Sie mir doch mal ein paar Namen, dann picke ich einen raus, hm?«

Schwachsinn, dachte ich, denn es kam mir vor, als wollte er bloß nicht direkt, nicht ausdrücklich nach mir fragen.

«Na gut. Paddy, Grits, Wally, Steve, Ron…«Ich hielt inne.

«Weiter«, sagte er.

«Reg, Norman, Dave, Jeff, Dan, Mike.«

Seine Augen blitzten auf.»Dan«, sagte er.»Der Name läßt sich hören. Bringen Sie Dan mit.«

«Der bin ich selber«, sagte ich.

Einen Moment lang furchte sich die Stirn unter der Halbglatze, und seine Augen verengten sich vor Unmut.

«Lassen Sie die Spielchen«, sagte er scharf.

«Sie haben damit angefangen«, erwiderte ich sanft.

Er setzte sich auf eine Bank und stellte behutsam sein Glas ab.

«Warum sind Sie heute abend allein hergekommen?«fragte er.

«Ich hatte Durst.«

Eine kurze Stille trat ein, während er sich einen Schlachtplan zurechtlegte. Er war von gedrungener Gestalt, sein dunkler Anzug eine Nummer zu klein, unter dem offenen Jackett trug er ein cremefarbenes Hemd mit Monogramm und eine goldseidene Krawatte. Seine Finger waren kurz und dick, dick auch sein aus dem Hemdkragen quellender Hals, und der Blick, mit dem er mich ansah, hatte nichts Freundliches.

Schließlich sagte er:»Es gibt doch bei Ihnen ein Pferd namens Sparking Plug?«

«Ja.«

«Und das startet am Montag in Leicester.«

«Soviel ich weiß, ja.«

«Wie schätzen Sie seine Chancen ein?«fragte er.

«Wollen Sie einen Tip, Mister, oder was? Den können Sie haben. Sparking Plug wird von mir betreut, und keiner, der am Montag mitläuft, reicht an ihn heran.«

«Sie glauben also, daß er siegt.«