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Die spärliche Einrichtung bestand aus grobgezimmerten Sitzbänken an zwei Wänden, einem Holztisch, einem arg ramponierten Elektroherd, einem Bord fürs Geschirr und einem alten Marmorwaschtisch mit Blechkanne und Blechschüssel, unserem ganzen Bad. Anderen Bedürfnissen diente ein Holzhäuschen neben dem Misthaufen.

Das Essen, von einer schlampigen Frau zubereitet, die allzeit Lockenwickler trug, war noch schlimmer als die Unterkunft.

Humber, der mich mit einem gleichgültigen Blick und einem Nicken eingestellt hatte, wies mir mit dem gleichen Mangel an Interesse bei meiner Ankunft im Stall vier Pferde zu und sagte mir ihre Boxennummern. Weder er noch sonst jemand sagte mir ihre Namen. Der Futtermeister, der ein Pferd selbst betreute, hatte entgegen der allgemeinen Gepflogenheit offenbar wenig zu sagen; es war Humber, der die Anweisungen gab und darauf achtete, daß sie befolgt wurden. Er war ein Tyrann, nicht so sehr, was das Wie, sondern das Wieviel der geforderten Arbeit anging. Es standen gut dreißig Pferde im Stall. Der Futtermeister versorgte eins davon, der Reisefuttermeister, der auch den Transporter fuhr, gar keins. So kamen neunundzwanzig Pferde auf sieben Pfleger, die obendrein die Trainingsbahn und Haus und Hof in Schuß zu halten hatten. An Renntagen, wenn ein oder zwei Pfleger unterwegs waren, mußten die anderen oft jeder sechs Pferde versorgen.

Meine Zeit bei Inskip war dagegen ein Erholungsurlaub gewesen.

Beim geringsten Anzeichen von Drückebergerei teilte Humber empfindliche kleine Strafen aus und schrie mit schneidender Stimme, er zahle mehr Lohn für mehr Arbeit, und wem das nicht passe, der könne gehen. Da sie alle nur dort waren, weil bessere Ställe die Finger von ihnen ließen, bedeutete der Weggang von Humber automatisch ihren Abschied von der Rennwelt. Da spielte es dann auch keine Rolle mehr, was sie über den Stall wußten. Klug ausgedacht.

Meine Gefährten in diesem finsteren Loch waren weder freundlich noch liebenswert. Der beste von ihnen war noch der zurückgebliebene Junge, den ich Weihnachten in Stafford gesehen hatte. Er hieß Jerry und mußte eine Menge Knüffe einstecken, weil er langsamer und dümmer war als alle anderen.

Zwei der Leute hatten Knasterfahrung, und gegen ihre Lebenseinstellung nahm sich Soupy Tarleton wie ein Sonntagsschüler aus. Einem dieser beiden mußte ich meine Decken, dem anderen, einem bulligen Schläger namens Charlie, mein Kopfkissen entreißen. Sie waren die beiden Raufbolde der Truppe und traten nicht nur gern um sich, sondern logen auch wie gedruckt und sorgten dafür, daß stets andere an ihrer Stelle bestraft wurden.

Reggie war der Mundräuber. Dünn, blaß, mit einem Tic im linken Augenlid, hatte er lange, geschmeidige Hände, die einem schneller das Brot vom Teller klauten, als das Auge wahrnahm. Ich trat viel von meinen mageren Rationen an ihn ab, bevor ich ihn in flagranti ertappte, und es blieb mir ein Rätsel, wie er ein solcher Strich sein konnte, obwohl er mehr als alle anderen aß.

Einer war hörbehindert. Eintönig leiernd erzählte er mir, er habe, als er klein war, von seinem Vater zuviel Schläge hinter die Ohren bekommen. Da er sich im Bett manchmal einnäßte, stank er.

Der siebte, Geoff, war schon am längsten da und dachte selbst nach zehn Wochen noch nicht ans Weggehen. Er hatte die Angewohnheit, sich verstohlen umzublicken, und da er, wenn Jimmy oder Charlie Schwanke aus dem Knast erzählten, immer aussah, als müsse er heulen, gelangte ich zu dem Schluß, daß er irgend etwas auf dem Kerbholz hatte und befürchtete, es könne herauskommen. Vielleicht waren zehn Wochen bei Humber dem Gefängnis ja vorzuziehen, aber darüber ließ sich streiten.

Der Reisefuttermeister, Jud Wilson, hatte sie über mich ins Bild gesetzt. Daß ich nicht vertrauenswürdig sei, glaubten sie gern, aber ihrer Meinung nach hatte ich großes Schwein gehabt, am Knast vorbeigekommen zu sein, wenn das mit Octobers Tochter stimmte, und sie kriegten sich kaum darüber ein und rissen gnadenlos obszöne Witze, die mir oft genug unter die Haut gingen.

Ich fand ihre ständige Nähe anstrengend, das Essen scheußlich, die Arbeit aufreibend und die Kälte grauenhaft. So lernte ich auf recht unsanfte Weise, daß mein Leben in Australien auch in den schwierigsten Zeiten ein Zuckerlecken gewesen war.

Bevor ich zu Humber ging, hatte ich mich gewundert, wie irgend jemand so dumm sein konnte, für teures Geld einen derart erfolglosen Trainer in Anspruch zu nehmen, aber nach und nach fand ich die Erklärung dafür. Schon der Stall selbst war eine Überraschung. So wie die Pferde auf der Rennbahn aussahen, hätte man sich ihr Zuhause voller Unkraut, mit aus den Angeln gebrochenen Stalltüren, abgeblättertem Lack vorgestellt, doch der Betrieb war sauber und machte einen gutgeführten Eindruck, für den die Pfleger ihre Nachmittage opferten. Die hübsche Fassade kostete Humber nichts als hin und wieder einen Eimer Farbe und etwas Sklaventreiberei.

Gegenüber den Besitzern, die mitunter zur Stallbesichtigung vorbeikamen, trat er selbstbewußt und überzeugend auf, und wie ich später herausfand, nahm er geringere Gebühren als jeder andere, was ihm natürlich auch Zulauf brachte. Außerdem waren nicht nur Rennpferde bei ihm, sondern auch einige Jagdpferde, deren Unterbringung, Verköstigung und Bewegung er sich gut bezahlen ließ, ohne für ihr Training verantwortlich zu sein.

Von den anderen Pflegern erfuhr ich, daß in der ganzen Saison nur sieben Pferde aus dem Stall gestartet waren, die dafür aber um so härter ranmußten und im Schnitt alle zehn Tage ein Rennen absolvierten. Ein Sieger, zwei Zweite, ein dritter Platz war das Ergebnis.

Von den sieben betreute ich keins. Ich war einem Quartett zugeteilt worden, das aus zwei offenbar Humber selbst gehörenden Rennpferden und zwei Jagdpferden bestand. Die beiden Rennpferde waren Braune, ungefähr sieben Jahre alt; das eine hatte ein feines Maul und keinen Speed, das andere ging zwar gut über die Trainingssprünge, war aber unleidlich. Ich löcherte Cass, den Futtermeister, bis er mir sagte, sie hießen Dobbin und Sooty. Diese turfuntypischen Namen tauchten weder in den gesammelten Rennberichten noch unter Humber in Horses in Training auf, und ich hielt es für mehr als wahrscheinlich, daß Rudyard, Superman, Charcoal und die anderen ihr kurzes Zwischenspiel hier unter ähnlich nichtssagenden Pseudonymen gegeben hatten.

Ein aus der Rennwelt verabschiedeter Pfleger würde niemals den Dobbin oder Sooty, den er einmal betreut hatte, mit dem Rudyard in Verbindung bringen, der unter einem anderen Trainer zwei Jahre später ein Rennen gewann.

Aber wieso, wieso gewann er zwei Jahre später? Darüber wußte ich noch immer nichts.

Die Kälte kam, biß sich fest und blieb. Aber so schlimm wie der vorige Winter könne es unmöglich werden, meinten die anderen, und ich mußte daran denken, daß ich im Januar und Februar damals in der Sonne gebraten hatte. Ich fragte mich, was Belinda, Helen und Philip aus ihren langen Ferien machten und was sie davon halten würden, wenn sie mich in meinem dreckfressenden Schattendasein sehen könnten. Auch die Vorstellung, was meine Leute wohl zu ihrem auf den Hund gekommenen Chef sagen würden, heiterte mich auf, und solche kleinen Lichtblicke waren es, die mir nicht nur die öde Zeit verkürzten, sondern auch halfen, meine innere Identität zu bewahren.

Während die Schinderei tagein, tagaus weiterging, begann ich mich zu fragen, ob jemand, der sich auf ein so radikales Rollenspiel einließ, wirklich wußte, was er tat.