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Ausdruck, Sprechweise und Bewegungen mußten rigoros auf die überzeugende Darbietung blöder Schnoddrig-keit hin zugeschnitten werden. Ich arbeitete schlampig und ritt schweren Herzens wie ein Kartoffelsack; aber auch das Verstellen fiel mit der Zeit leichter. Es war, als könnte einem der Verkorkste, den man spielte, in Fleisch und Blut übergehen. Ob man sich die menschliche Würde soweit abschminken konnte, daß man sie schließlich, ohne es zu merken, ganz verlor? Die Frage blieb akademisch, hoffte ich, und solange ich ab und zu noch im stillen über mich lachen konnte, war ich vermutlich außer Gefahr.

Meine Annahme, daß die Pfleger nach drei Monaten in aller Form gegangen wurden, fand ich bei Kandidat Geoff Smith bestätigt.

Humber ritt nie mit seinen Pferden aus, sondern kam mit einem Kleintransporter zum Trainingsgelände, schaute ihnen bei der Arbeit zu und war vor ihnen wieder daheim, um die Stallungen unter die Lupe zu nehmen.

Eines Tages, als wir mit dem zweiten Lot zurückkamen, stand Humber wieder einmal sichtlich mißgestimmt auf dem Hof.

«Smith und Roke, Sie bringen die Pferde in ihre Boxen und kommen wieder her.«

Wir gehorchten.

«Roke.«

«Sir.«

«Die Krippen Ihrer Pferde sind ja nicht zum Ansehen. Machen Sie die sauber.«

«Ja, Sir.«

«Und damit Sie sich in Zukunft dafür Zeit nehmen, stehen Sie nächste Woche um halb sechs auf.«

«Sir.«

Ich seufzte innerlich, empfand die Schikane aber noch als eine der milderen aus seinem Katalog, da mir Früh-aufstehen weiter nichts ausmachte. Man mußte lediglich gut eine Stunde lang untätig im Hof herumstehen. Dunkel, kalt und langweilig. Er selbst war auch kein Langschläfer. Sein Schlafzimmerfenster ging auf den Hof, und wenn jemand nicht Punkt zwanzig nach sechs mit brennender Taschenlampe draußen angetreten war, wußte er es immer.

«Nun zu Ihnen. «Er sah Geoff berechnend an.»In Box 7 steht der Dreck. Sie schaffen das Stroh raus und schrubben den Boden mit Desinfektionsmittel, bevor Sie essen gehen.«

«Aber Sir«, wandte Geoff unvorsichtigerweise ein,»wenn ich nicht mit den anderen am Tisch bin, lassen die mir nichts übrig.«

«Das hätten Sie sich vorher überlegen sollen, dann hätten Sie auch Ihre Arbeit gemacht. Für die fünfzig Prozent, die ich mehr zahle als andere Trainer, will ich Leistung sehen. Sie tun gefälligst, was ich Ihnen sage.«

«Aber Sir«, jammerte Geoff, der wußte, daß ihm ohne die Hauptmahlzeit schwer der Magen knurren würde,»Kann ich das nicht heute nachmittag machen?«

Humber ließ beiläufig den Gehstock durch seine Hand gleiten und faßte ihn am unteren Ende. Dann holte er aus und zog den knorrigen Griff mit Wucht über Geoffs Oberschenkel.

Geoff schrie auf und rieb sich das Bein.

«Vor dem Essen«, wiederholte Humber — und ging, auf den Stock gestützt, davon.

Geoff wurde um seinen Anteil an dem halb zerkochten, wäßrigen Hammelfleisch betrogen und bekam gerade noch mit, wie der letzte Rest Brotpudding in Charlies großem Schlingmaul verschwand.

«Ihr Schweine«, rief er hilflos.»Ihr verdammten Saukerle.«

Eine ganze Woche hielt er es noch aus. Sechs harte Schläge auf den Körper ließ er sich noch verabreichen, dreimal noch die warme Hauptmahlzeit, zweimal das Frühstück, einmal das Abendbrot wegnehmen. Er heulte nur noch, aber er wollte nicht gehen.

Am fünften Tag kam Cass beim Frühstück in die Küche und sagte zu Geoff:»Ich glaube, der Chef hat was gegen dich. Dem kannst du es nicht mehr recht machen. Ich rate dir in deinem eigenen Interesse, dich nach etwas anderem umzusehen. Der Chef kriegt manchmal solche Anfälle, da paßt ihm nichts, was einer macht, und dann ist die Sache gelaufen. Jetzt kannst du rackern, bis du schwarz wirst, der pfeift drauf. Hast du von seinem Knüppel noch nicht genug? Was du bis jetzt erlebt hast, war erst der Anfang, verstehst du? Ich sag dir das in deinem eigenen Interesse.«

Trotzdem dauerte es noch zwei Tage, bis Geoff, der Geschundene, seinen alten Tornister packte und schnüffelnd von dannen zog.

Als Ersatz erschien am nächsten Morgen ein schmächtiger Junge, der aber nur drei Tage blieb, weil sich Jimmy seine Decken unter den Nagel gerissen hatte und er sich nicht traute, sie ihm abzunehmen. Er stöhnte zwei eiskalte Nächte hindurch jämmerlich und war am dritten Tag verschwunden.

Am nächsten Morgen, vor dem Frühstück, kassierte Jimmy selbst einen Schlag mit dem Gehstock.

Er kam verspätet herein, fluchte vor sich hin und riß Jerry ein angebissenes Brot aus der Hand.

«Wo ist mein Frühstück?«

Wir hatten es natürlich aufgegessen.

«Na ja«, und er sah uns giftig an,»dann könnt ihr euch meine Pferde auch gleich teilen, ich hau ab. Was soll ich hier? Da ist der Knast noch besser. Ich mach hier nicht den Prügelknaben, das steht fest.«

«Wehr dich doch«, meinte Reggie.

«Wie denn?«

«Na… zeig ihn an.«

«Sonst geht’s dir noch gut?«fragte Jimmy entgeistert.

«So ein Schwachsinn. Soll ich mit meinen Vorstrafen vielleicht zu den Bullen gehen und sagen, Leute, mein Chef haut mich mit seinem Spazierstock? Die lachen mich doch aus. Einen Ast lachen die sich. Und dann? Angenommen, sie kommen her und fragen Cass, ob er gesehen hat, daß hier einer geschlagen worden ist? Hat er nicht, denn der gute Cass will sein Pöstchen behalten. Aber nein, wird er sagen, Mr. Humber ist immer nett und freundlich, der hat ein Herz aus Gold, aber was kann man von einem Knacki schon anderes erwarten, als daß er Mist erzählt? Da lachen ja die Hühner. Ich hau ab, und wenn ihr gescheit seid, kratzt ihr auch die Kurve.«

Doch niemand befolgte seinen Rat.

Ich erfuhr von Charlie, daß Jimmy vierzehn Tage vor ihm bei Humber angefangen hatte, nach seiner Rechnung also rund elf Wochen geblieben war.

Als Jimmy trotzig aus dem Hof marschierte, machte ich mich nachdenklich an meine Arbeit. Elf, höchstens zwölf Wochen, bis Humber mit dem Knüppeln anfing. Drei war ich schon dort, blieben mir maximal neun, um herauszufinden, wie er das Doping bewerkstelligt hatte. Wenn es darauf ankam, konnte ich sicher so lange durchhalten wie Geoff, nur mußte ich hinter Humbers Methode kommen, bevor er sich darauf konzentrierte, mich rauszuekeln, denn nachher standen meine Chancen schlecht.

Drei Wochen, dachte ich, und herausgefunden hast du lediglich, daß du so schnell wie möglich wieder weg willst.

Zwei neue Pfleger kamen für Geoff und Jimmy, ein langer Schlaks namens Lenny, der stolz auf seine Zeit in der Besserungsanstalt war, und Cecil, ein hartgesottener Trinker, Mitte Dreißig. Man habe ihn aus jedem zweiten Rennstall Englands rausgeworfen, weil er die Finger nicht von der Flasche lassen könne, erzählte er. Ich weiß nicht, wie er an den Schnaps kam oder wo er ihn versteckt hielt, aber um vier war er jeden Tag stramm, und jede Nacht schlief er den Schlaf des Vergessens.

Das Leben, wenn man das hier so nennen konnte, ging weiter.

Alle Pfleger Humbers hatten offenbar triftige Gründe, hinter dem hohen Lohn herzusein. Lenny mußte Geld, das er einem anderen Arbeitgeber gestohlen hatte, zurückerstatten, Charlie seiner Frau Unterhalt zahlen, Cecil trank, Reggie war ein zwanghafter Sparer, und Jerrys Lohn wurde von Humber direkt an dessen Eltern überwiesen. Jerry war stolz darauf, sie unterstützen zu können.

Ich hatte Jud Wilson und Cass zu verstehen gegeben, daß ich dringend sechzehn Pfund die Woche brauchte, weil ich mit der Abzahlung meines Motorrads in Rückstand geraten sei, womit auch hinreichend erklärt war, was ich samstags nachmittags immer auf der Poststelle in Posset zu suchen hatte.

Eine Bus- oder Bahnverbindung nach Posset, dem zweieinhalb Kilometer entfernten, nächsten größeren Ort, gab es nicht. Cass und Jud Wilson hatten zwar Autos, nahmen aber keinen mit. Das einzige andere Transportmittel war mein Motorrad, doch zur lautstark geäußerten Empörung meiner Gefährten weigerte ich mich, es abends auf den vereisten, verschneiten Straßen als Kneipentaxi einzusetzen. So kamen wir selten nach Posset, außer an unseren beiden Samstagnachmittags-Frei stunden und abends nach der etwas ruhigeren Sonntagsarbeit, die uns genügend Energie ließ, um zu Fuß in die Kneipe zu gehen.