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Zur Krönung des Tages kam Adams dann noch einmal. Er parkte seinen Jaguar im Hof, stieg aus, wechselte ein paar Worte mit Cass, der nickte und auf die Gehwege wies, dann kam er ohne Eile zu der Box, in der ich mich noch mit seinem Rappen abmühte.

Er blieb in der Tür stehen, sah mich von oben runter an, und ich sah zu ihm hoch. Er war ausgesprochen elegant in dunkelblauen Nadelstreifen, mit weißem Hemd und silbergrauer Krawatte. Frische Gesichtsfarbe, gekämmtes Haar, saubere, gepflegte Hände. Wahrscheinlich hatte er nach der Jagd daheim ein schönes warmes Bad genommen, sich umgezogen, ein Glas getrunken… Ich hatte seit einem Monat nicht gebadet und würde, solange ich bei Humber blieb, wohl auch nicht dazu kommen. Ich war schmutzig, hungrig und erschöpft. Ich wünschte, er würde abhauen und mich in Ruhe lassen.

Von wegen.

Er trat in die Box und betrachtete den hartgewordenen Schlamm, der an den Hinterbeinen seines Pferdes klebte.

«Sie brauchen aber lange«, meinte er.

«Ja, Sir.«

«Das Pferd muß doch schon drei Stunden hier sein. Was haben Sie die ganze Zeit gemacht?«

«Meine drei anderen Pferde versorgt, Sir.«

«Meine gehen vor.«

«Der Schlamm mußte erst trocknen, Sir. Naß läßt er sich nicht ausbürsten.«

«Ich habe Ihnen doch heute früh gesagt, Sie sollen mir nicht widersprechen. «Er schlug mich wieder auf das Ohr vom Morgen. Dabei lächelte er ein wenig. Es machte ihm Spaß. Mir nicht.

Nachdem er sozusagen Blut geleckt hatte, packte er mich plötzlich vorn am Pullover, stieß mich gegen die Wand und ohrfeigte mich einmal mit der Innenhand, einmal mit dem Handrücken. Immer noch lächelnd.

Ich hatte Lust, ihm mein Knie zwischen die Beine und meine Faust in den Magen zu rammen, und davon abzusehen fiel mir nicht leicht. Um das Ganze überzeugender zu gestalten, hätte ich schreiend um Schonung bitten müssen, doch das brachte ich nicht über mich. Man kann aber auch den Körper sprechen lassen, und so nahm ich beide Arme hoch und schlang sie schützend um den Kopf.

Er lachte, ließ mich los, und ich ging auf ein Knie hinunter und drückte mich an die Wand.

«Was sind Sie doch für eine feige Seele, schöner Mann.«

Ich blieb, wo ich war, und schwieg. Plötzlich schien es, als hätte er kein Interesse mehr, mich zu malträtieren.

«Stehen Sie schon auf«, sagte er gereizt.»Ich habe Ihnen ja nichts getan. Das sind Sie gar nicht wert. Machen Sie mein Pferd fertig. Und zwar ordentlich, sonst schrubben Sie morgen gleich noch mal.«

Er verließ die Box und überquerte den Hof. Ich stand auf und sah, grimmig gegen den Türpfosten gelehnt, wie er zu Humbers Haus ging. Sicher wartete etwas Gutes zu essen auf ihn. Ein Sessel. Kaminfeuer. Kognak. Ein Gespräch unter Freunden. Ich seufzte schwer und ging wieder mit der Bürste an die Arbeit.

Kurz nach dem Abendessen, bei dem ich mir zu trockenem Brot und Käse derbe Witzeleien über meine Nachmittagsbeschäftigung und ausführliche Beschreibungen der leckeren Tagesküche in Posset anhören mußte, hatte ich von meinen Kollegen die Nase voll. Ich stieg die Leiter hoch und setzte mich aufs Bett. Kalt war’s da oben. Ich hatte genug von Humbers Rennstall. Ich hatte mich mehr als genug herumstoßen lassen. Ich brauchte nur der Versuchung vom Morgen nachzugeben, das Motorrad auszupacken und den Rückweg in die Zivilisation anzutreten. Zur Beruhigung meines Gewissens konnte ich October einen Großteil des Geldes zurückzahlen und betonen, daß zumindest die halbe Arbeit getan war.

Ich blieb auf dem Bett sitzen und überlegte, ob ich mit dem Motorrad davonfahren sollte. Ich fuhr nicht.

Nach einer Weile hörte ich mich seufzen. Mir war schon klar, daß sich mir die Frage, ob ich bleiben sollte, nicht ernsthaft stellte, selbst wenn ich jeden Tag die fürchterlichen Wege scheuern mußte. Ganz abgesehen davon, daß ich es mir kaum verzeihen würde, wenn ich wegen ein paar Schikanen davonlief, hatte ich die Gewißheit, daß der skrupellose Mr. P. J. Adams auf dem besten Weg war, mit seinen Machenschaften den Ruf des britischen Rennsports zu ruinieren. Damit ihm das nicht gelang, war ich hier. Das Weite zu suchen, weil ich den Umgang mit ihm unerfreulich fand, kam nicht in Frage.

Mr. P. J. Adams, bislang nur ein Name auf dem Papier, übertraf Humber an Gefährlichkeit bei weitem. Humber war lediglich grob, habgierig, übellaunig und eitel, und er schlug seine Pfleger einzig, um sie loszuwerden. Aber Adams fand offenbar Spaß daran, andere zu quälen. Hinter der eleganten, kultivierten Fassade, nur wenig unter der Oberfläche, steckte ein verantwortungsloser Barbar. Humber wußte, was er wollte, doch Adams schien mir der Kopf des Gespanns zu sein. Er war als Mensch vielschichtiger und als Gegner weitaus mehr zu fürchten. Humber hatte ich mich ebenbürtig gefühlt. Adams machte mir angst.

Jemand kam die Leiter herauf. Ich dachte, es sei Cecil, zurück vom Samstagabendtrunk, aber es war Jerry. Er setzte sich auf das Bett neben meinem. Er sah niedergeschlagen aus.

«Dan?«

«Ja?«

«Heute… heute war es blöd in Posset, wo du nicht dabei warst.«

«So?«

«Mhm. «Sein Gesicht hellte sich auf.»Einen Comic habe ich mir aber gekauft. Liest du mir daraus vor?«

«Morgen«, sagte ich müde.

Es war ein Weilchen still, während er sich bemühte, seine Gedanken zu ordnen.

«Dan?«»Hm?«

«Es tut mir leid.«

«Was denn?«

«Na ja, daß ich dich heute nachmittag ausgelacht hab.

Das war nicht gut… wo du mich doch immer auf dem Motorrad mitnimmst und so. Damit fahr ich doch so gern.«

«Schon gut, Jerry.«

«Alle haben dich gehänselt, da hab ich mitgemacht, weil ich… damit sie mich mitnehmen, verstehst du?«

«Versteh ich, Jerry. Es ist wirklich nicht schlimm.«

«Du lachst mich nie aus, wenn ich was falsch mache.«

«Schwamm drüber.«

«Ich habe nachgedacht«, sagte er und zog die Stirn kraus.»An meine Mama mußte ich denken. Die hat mal in so einem Büro geputzt. Die Böden geschrubbt. Da war sie immer ganz erschossen, wenn sie heimkam. Junge, das geht aufs Kreuz, hat sie gesagt.«

«So?«

«Tut dir das Kreuz weh, Dan?«

«Ein bißchen.«

Er nickte zufrieden.»Meine Mama kennt sich aus.«

Dann verfiel er in ein gedankenleeres Schweigen und wiegte sich sanft auf dem quietschenden Bett.

Seine Entschuldigung rührte mich.

«Ich les dir aus dem Comic vor«, sagte ich.

«Bist du nicht zu kaputt?«fragte er eifrig.

Ich schüttelte den Kopf.

Er holte das Heft aus dem Karton, in dem er seine Siebensachen aufbewahrte, und setzte sich neben mich. Ich las ihm von Mickey dem Affen, Beryl und Peril, den Bustom Boys, Julius Cheeser und all den anderen vor. Wir gingen das Ganze mindestens zweimal durch, und er lachte zufrieden und sprach mir die Sätze nach. Bis zum Ende der Woche würde er das meiste auswendig können.

Schließlich nahm ich ihm das Heft aus den Händen und legte es aufs Bett.

«Jerry«, sagte ich,»welches von den Pferden, die du betreust, gehört Mr. Adams?«

«Mr. Adams?«

«Der Mann, dessen Jagdpferde ich versorge. Der heute morgen da war, mit einem grauen Jaguar und einer roten Jacke.«

«Ach, der Mr. Adams.«

«Gibt es denn noch einen?«

«Nein, das ist schon der. «Jerry schauderte.

«Was weißt du über ihn?«fragte ich.

«Der Pfleger, der vor dir hier war, Dennis hieß er, den konnte Mr. Adams nicht leiden. Weil, er war frech zu Mr. Adams.«

«Hm«, sagte ich. Ich war mir nicht sicher, ob ich hören wollte, was mit Dennis passiert war.