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«Er war höchstens drei Wochen da«, meinte Jerry nachdenklich.»Die letzten Tage ist er immer wieder hingefallen. War schon komisch.«

Ich unterbrach ihn.»Welches von deinen Pferden gehört Mr. Adams?«fragte ich noch einmal.

«Gar keins«, sagte er entschieden.

«Cass meinte, du hättest eins von ihm.«

Er sah überrascht — und erschrocken aus.»Ich will kein Pferd von Mr. Adams, Dan!«»Tja, wem gehören denn deine Pferde?«

«Das weiß ich nicht genau. Außer natürlich bei Pageant. Der gehört Mr. Byrd.«

«Pageant ist der, den du zu den Rennen begleitest?«

«Mhm, den meine ich.«

«Und die anderen?«

«Da ist einmal Mickey…«Er zog die Brauen zusammen.

«Mickey hat die Box neben dem schwarzen Hunter von Mr. Adams, den ich versorge?«

«Ja. «Er lächelte strahlend, als bewunderte er meinen Durchblick.

«Wem gehört Mickey?«

«Weiß ich nicht.«

«War sein Besitzer noch nie da?«

Er schüttelte unschlüssig den Kopf. Ich wußte nicht, wieweit er sich an Besuche von Besitzern überhaupt erinnerte.

«Und dein anderes Pferd?«Jerry hatte nur drei zu versorgen, da er langsamer als wir anderen war.

«Das ist Champ!«sagte Jerry triumphierend.

«Wem gehört er?«

«Er ist ein Hunter.«

«Ja, aber wem gehört er?«

«So einem Typ. «Er dachte scharf nach.»Einem Dicken. Mit so abstehenden Ohren. «Er klappte seine Ohren nach vorn, um es mir zu zeigen.

«Kennst du ihn gut?«

Er lächelte breit.»Zu Weihnachten hat er mir zehn Shilling geschenkt.«

Es war also Mickey, der Adams gehörte, doch weder Adams noch Humber noch Cass hatten Jerry etwas davon gesagt. Offenbar war es Cass nur so herausgerutscht.

«Jerry«, fragte ich,»wie lange arbeitest du schon hier?«

«Wie lange?«wiederholte er verständnislos.

«Wie lange vor Weihnachten hast du angefangen?«

Er legte den Kopf schräg und dachte nach. Sein Gesicht hellte sich auf.»Das war einen Tag nach dem Sieg der Rovers über die Gunners. Zu dem Spiel hat mein Pa mich mitgenommen. Der Heimplatz der Rovers ist bei uns in der Nähe.«

Ich stellte ihm noch mehr Fragen, aber genauer konnte er sich nicht erinnern, wann er zu Humber gekommen war.

«Und Mickey«, sagte ich,»war der damals schon hier?«

«Ich hatte von Anfang an dieselben Pferde«, antwortete er. Als ich keine weiteren Fragen stellte, griff er wieder zu dem Comicheft und schaute sich friedlich die Bilder an. Ich überlegte, wie es sein mochte, wenn man einen solchen Kopf wie mit Stroh gefüllt hatte, an dem das gesamte Wissen der Welt vorbeiging, in dem Vernunft, Gedächtnis und Bewußtsein auf ein Minimum beschränkt waren.

Er lächelte glücklich über die Comic Strips. Eigentlich war seine Einfalt kein großer Nachteil für ihn. Er hatte ein gutes Herz, und was er nicht wußte, konnte ihm nicht weh tun. Ein solches Leben hatte allerhand für sich. Wenn man nicht merkte, daß man der Gegenstand gezielter Demütigungen war, brauchte man sich nicht dagegen abzuhärten. Wenn ich so unbedarft wäre, dachte ich, käme ich bei Humber sehr viel leichter durch den Tag.

Plötzlich schaute er auf, sah, daß ich ihn beobachtete, und schenkte mir ein offenes, zufriedenes, vertrauensvolles Lächeln.

«Ich kann dich gut leiden«, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Heft zu.

Großes Gepolter ertönte von unten, und die Jungs stürmten die Leiter herauf, wobei sie den kaum noch gehfähigen Cecil mit sich schleiften. Jerry huschte zu seinem Bett, um schnell den Comic zu verstecken, und wie die anderen wickelte ich mich in zwei graue Decken und legte mich mit Stiefeln und allem auf das ungastliche Segeltuch.

Ich versuchte eine bequeme Lage für meine unerhört müden Glieder zu finden, doch leider gelang es mir nicht.

Kapitel 11

Das Büro war so kalt und abweisend wie Humber, doch im Gegensatz zu seinem Wagen überhaupt nicht protzig. Es bestand aus einem langen, schmalen Raum mit Tür und einem kleinen Fenster auf der dem Hof zugewandten Längsseite. Links hinten führte eine Tür zu einem weiß gestrichenen Waschraum mit drei schießschartenähnlichen Milchglasfenstern und von dort eine Tür zur Toilette. Im Waschraum selbst gab es ein Spülbecken, einen Tisch mit Kunststoffplatte, einen Kühlschrank und zwei Wandschränke. Im ersten Wandschrank fand sich alles an Verbandszeug, Salben und Medikamenten, was man üblicherweise zur Verarztung von Pferden braucht.

Ohne irgend etwas zu verrücken, sah ich die Flaschen, Schachteln, Dosen durch. Soweit ich feststellen konnte, war nichts Stimulierendes darunter.

Der zweite Schrank jedoch enthielt jede Menge Stimu-lantien in Form von alkoholischen Getränken, ein eindrucksvolles Flaschenarsenal mit einem gutsortierten Gläserbord darüber. Zur Bewirtung von Besitzern, nicht zum Aufpeppen ihrer Pferde. Ich schloß die Tür.

Im Kühlschrank waren lediglich vier Flaschen Bier, Milch und ein paar Schalen mit Eiswürfeln.

Ich kehrte ins Büro zurück.

Humbers Schreibtisch stand am Fenster, so daß er, wenn er dort saß, direkt auf den Hof sehen konnte. Es war ein massives Möbel mit Schubladen auf beiden Seiten, so aufgeräumt, daß es fast schon weh tat. Humber war zwar in Nottingham und hatte sich an diesem Morgen nur kurz im Büro aufgehalten, doch wie es aussah, herrschte hier immer Ordnung. Die Schubladen waren nicht abgesperrt, und ihr Inhalt (Schreibpapier, Steuertabellen und so weiter) ließ sich auf einen Blick erfassen. Auf der Tischplatte nichts als ein Telefon, eine verstellbare Leselampe, eine Schale mit Schreibstiften und ein grüner Briefbeschwerer aus Glas von der Größe eines Kricketballs. In seinem Innern waren Luftblasen gefangen, ein erstarrter Wasserstrudel.

Der Bogen Papier, auf dem der Briefbeschwerer lag, war lediglich eine Liste der anstehenden Arbeiten und offenbar für Cass bestimmt. Mit Bestürzung sah ich, daß ich am Nachmittag mit Kenneth, der pausenlos quasselte und quengelte wie ein Kind, das Sattelzeug reinigen sollte und am Abend fünf Pferde zu versorgen hatte, weil Bert auf der Rennbahn war und seine Tiere unter uns anderen aufgeteilt werden mußten.

Neben dem Schreibtisch hatte der Raum einen bis zur Decke ragenden Schrank, in dem Rennberichte und Rennfarben aufbewahrt wurden und in dem sehr viel Luft war. An den Wänden reihten sich drei dunkelgrüne Aktenschränke, zwei Ledersessel und ein Stuhl mit ledernem Sitz.

Ich zog die unverschlossenen Schubladen der Aktenschränke eine nach der anderen heraus und durchsuchte sie rasch. Sie enthielten Rennkalender, alte Bücher, Quittungen, Zeitungsausschnitte, Fotos, Unterlagen über die in Training stehenden Pferde, Formanalysen, Korrespondenz der Besitzer, Belege über Sattelzeug und Futter; alles, was im Büro eigentlich jeden Trainers zu finden war.

Ich sah auf meine Uhr. Cass machte gewöhnlich eine Stunde Mittagspause. Ich hatte fünf Minuten gewartet, nachdem er zum Hof hinausgefahren war, und wollte zehn Minuten vor seiner zu erwartenden Rückkehr das Büro wieder verlassen. Die Dreiviertelstunde, die ich mich also umsehen konnte, war fast zur Hälfte vorbei.

Mit einem Bleistift aus der Schreibschale und einem Blatt Papier aus der Schublade klemmte ich mich hinter die laufenden Geschäftsbücher. Für jedes der siebzehn Rennpferde gab es ein eigenes, blau gebundenes Buch, in das alle großen und kleinen Ausgaben für sein Training eingetragen wurden. Ich schrieb mir ihre Namen heraus, von denen mir nur wenige vertraut waren, dazu ihre Besitzer und das Datum ihrer Aufnahme im Stall. Einige waren schon seit Jahren da, doch drei waren in den letzten drei Monaten dazugekommen, und nur die brauchten mich eigentlich zu interessieren. Keines der gedopten Pferde war länger als vier Monate bei Humber gewesen.

Die drei neuesten Pferde hießen Chin-Chin, Kandersteg und Starlamp. Das erste gehörte Humber selbst, die anderen beiden Adams.