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Auch wenn seine Reaktion nicht vom Kopf, sondern aus dem Bauch kam, war Adams doch zu Recht beunruhigt, daß ich an Jerrys Stelle jetzt Mickey betreute.

In den Stunden, die ich bei dem Pferd verbracht hatte, war mir klargeworden, was eigentlich mit ihm los war, und nach und nach hatten sich die gesammelten Informationen über die betroffenen Pferde mit dem, was ich über Pferde allgemein wußte, schlüssig zusammengefügt. Ich konnte mir inzwischen denken, wie Adams und Humber ihre Pferde das Siegen gelehrt hatten.

Ich ahnte es, wußte es aber nicht genau. Eine These, die noch zu beweisen war. Dafür brauchte ich Zeit, und wenn ich Zeit nur damit erkaufen konnte, daß ich mich auf den Boden setzte und Adams anflehte, mich nicht zu schlagen, dann mußte es eben sein. Abscheulich war es trotzdem.

Kapitel 12

October vergab sich in seiner Antwort nichts.

«Nach Auskunft des derzeitigen Besitzers wird Six-Ply in keinem Verkaufsrennen antreten. Heißt das nun, daß er nicht gedopt wird?

Die Antworten auf Ihre Fragen lauten wie folgt:

Das Pulver ist lösliches Phenobarbital.

Die äußeren Kennzeichen Chin-Chins sind: Brauner Wallach, durchgehende Blesse, weiße Fessel rechts vorn. Kandersteg: Wallach, Hellfuchs, weiße Fesseln an beiden Vorderbeinen und links hinten. Starlamp: Brauner Wallach, weißer Fuß links hinten.

Blackburn schlug Arsenal am 30. November.

Ich habe für Ihre Mätzchen kein Verständnis. Greift Ihre Verantwortungslosigkeit jetzt auch auf die Ermittlungen über?«

Verantwortungslos. Verpflichtet. Ein Meister der Wortwahl.

Ich las die Beschreibungen der Pferde noch einmal durch. Sie sagten mir, daß Starlamp Mickey war. Chin-Chin war Dobbin, eines der beiden Humber gehörenden Rennpferde, die ich versorgte. Kandersteg war ein von Bert versorgtes, staksiges Geschöpf, das bei uns Flash hieß.

Wenn Blackburn Arsenal am dreißigsten November geschlagen hatte, war Jerry schon seit elf Wochen bei Humber.

Ich zerriß Octobers Brief und schrieb zurück.

«Six-Ply kann jetzt bei jedem Rennen fällig sein, da er nach dem Pech mit Old Etonian und Superman die einzige Reserve ist. Für den Fall, daß ich mir beim Ausreiten den Hals breche oder unter ein Auto komme, sollen Sie wissen, daß mir diese Woche klargeworden ist, wie die Sache läuft, auch wenn vieles noch im dunkeln liegt.«

Ich schrieb October, daß Adams und Humber tatsächlich mit Adrenalin als Reizmittel arbeiteten und wie sie es meiner Ansicht nach in die Blutbahn brachten.

«Daraus ersehen Sie, daß zwei entscheidende Faktoren noch zu klären sind, bevor Adams und Humber zur Rechenschaft gezogen werden können. Mir liegt sehr daran, diesen Sack zuzubinden, aber ich kann nichts garantieren, da die Zeit knapp wird.«

Und weil ich mich sehr einsam fühlte, fügte ich spontan — und krakelig — ein Postscriptum an.

«Vertrauen Sie mir. Bitte glauben Sie mir, ich habe Patty nicht angerührt.«

Dann betrachtete ich angewidert diesen Hilferuf auf dem Papier. Du wirst noch so lasch, wie du tust, dachte ich. Ich riß den Zusatz ab, warf ihn in den Papierkorb und gab den Brief auf.

Da ich es für klug hielt, mir für den Fall, daß jemand nachhörte, tatsächlich ein paar Tranquilizer zu kaufen, ging ich in die Apotheke, wo man mir aber leider sagte, daß es sie nur auf Rezept gab. Mehr als peinlich, wenn Adams und Humber das herausfanden.

Jerry war enttäuscht, als ich meinen Imbiß im Cafe hinunterschlang und ihm sagte, er müsse ohne mich weiteressen und von Posset zu Fuß nach Hause gehen, aber ich versicherte ihm, ich hätte tausend Sachen zu erledigen. Es war höchste Zeit, daß ich mir die Umgebung einmal ansah.

Ich fuhr aus Posset heraus, hielt auf einem Rastplatz und nahm mir die Landkarte vor, die ich in der Woche schon mehrmals studiert hatte. Mit Bleistift und Zirkel hatte ich zwei konzentrische Kreise darauf eingezeichnet: Der äußere hatte, von Humbers Stall ausgehend, einen Radius von dreizehn, der innere einen Radius von acht Kilometern. Wenn Jud direkt hin- und zurückgefahren war, als er Mickey abgeholt hatte, mußte sein Fahrtziel in dem Bereich zwischen den beiden Kreisen liegen.

Einige Gegenden schieden von vornherein aus, weil dort über Tag Kohle abgebaut wurde, und dreizehn Kilometer südöstlich begannen die Ausläufer der Grubenstadt Clave-ring. Im Norden und Westen jedoch war fast nur Heideland mit kleinen Tälern wie demjenigen, in dem Humbers Stall lag, fruchtbaren kleinen Nischen inmitten öder, windgepeitschter Heide.

Da Teilbridge, wo Adams wohnte, drei Kilometer außerhalb des größeren Kreises lag, schloß ich aus, daß Mickey während seiner Abwesenheit dort untergekommen war. Dennoch hielt ich es für naheliegend, mir das Gebiet unmittelbar zwischen Humbers Stall und Adams’ Wohnort als erstes anzusehen.

Damit Adams mich auf den Erkundungsfahrten in seiner Gegend nicht erkannte, griff ich auf meinen Sturzhelm zurück, den ich seit dem Ausflug nach Edinburgh nicht mehr benutzt hatte, und setzte eine große Schutzbrille auf, mit der mich nicht einmal mehr meine Schwestern wiedererkannt hätten. Adams bekam ich auf meinen Touren zwar nicht zu Gesicht, aber ich sah sein Haus, einen quadratischen, cremefarbenen Bau mit Wasserspeierköpfen am Tor. Es war das größte und imposanteste Gebäude in dem kleinen Tellbridge, das nur aus einer Kirche, einem Laden, zwei Gasthöfen und ein paar Häuschen bestand.

Ich sprach den Jungen an der Tankstelle im Ort auf Adams an.

«Mr. Adams? Ja, der hat vor drei oder vier Jahren das Haus vom alten Sir Lucas gekauft. Als der gestorben ist. Er hatte keine Erben.«

«Und Mrs. Adams?«fragte ich.

«Gibt’s nicht«, meinte er lachend und strich mit dem Handrücken die blonden Haare aus seiner Stirn.»Es gibt keine Mrs. Adams, aber manchmal hat er massig Frauen da. Das ganze Haus voll. Feine Damen, wohlgemerkt. Der läßt überhaupt nur feine Leute rein. Und was er will, das kriegt er, und zwar schnell. Die anderen müssen sehen, wo sie bleiben. Letzten Freitag hat er morgens um zwei das ganze Dorf aufgeweckt, weil er unbedingt die Kirchenglocken läuten wollte. Er hat ein Fenster eingeschlagen, um reinzukommen… also echt! Natürlich sagt keiner was, weil er so viel Geld im Dorf läßt. Essen, Trinken, Löhne und so weiter. Seit er da ist, geht es allen besser.«

«Macht er so was öfter — wie das Glockenläuten?«

«Na ja, nicht direkt, aber dafür andere Sachen. Geht auf keine Kuhhaut, was man da so hört. Aber anscheinend zahlt er gut, wenn’s Schaden gibt, und da läßt man ihn machen. Übermut nennen sie das dann.«

Bloß war Adams dafür schon zu alt.

«Tankt er auch bei Ihnen?«fragte ich nebenbei und kramte Geld aus meiner Tasche.

«Eher selten, er hat einen Tank daheim. «Das Lächeln auf dem Gesicht des Jungen erlosch.»Ich hab ihn nur einmal bedient, als er daheim nichts mehr hatte.«

«Und was ist passiert?«