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Helen, blond, beinah sechzehn, war sanft und anmutig wie die Blumen, die sie so gern zeichnete. Sie war die unselbständigste von den dreien und hatte am meisten unter dem Verlust der Mutter gelitten.

«Heißt das«, fragte sie besorgt,»daß du den ganzen Sommer fort bist?«Sie sah mich an, als wäre der Mount Kosciusko eingestürzt.

«Ihr kommt schon klar. Du bist doch jetzt ein großes Mädchen«, zog ich sie auf.

«Aber die Ferien sind dann so langweilig.«

«Bringt eben ein paar Freunde mit.«

«Oh!«Ihr Gesicht hellte sich auf.»Dürfen wir? Ja, das wär’ schön.«

Sie küßte mich ein wenig beruhigt zum Abschied und ging in ihre Klasse zurück.

Meine älteste Schwester und ich verstanden uns sehr gut, und ihr allein vertraute ich den wahren Zweck meines» Urlaubs «an, weil ich ihr das schuldig war. Wider Erwarten brachte es sie aus der Fassung.

«Liebster Dan«, sie schlang ihren Arm um meinen und hielt ihre Tränen zurück,»ich weiß, es war Knochenarbeit für dich, uns großzuziehen, und wir sollten froh sein, wenn du endlich einmal etwas für dich selber tun willst, aber sei bitte vorsichtig. Wir… wir möchten, daß du wiederkommst.«

«Aber natürlich«, versprach ich hilflos und lieh ihr mein Taschentuch.»Ich komme schon wieder.«

Das Taxi brachte mich vom Flughafen in einem grauen Nieselregen, der keineswegs meiner Stimmung entsprach, über einen Platz voller Bäume zum Londoner Haus des Earl of October. Ich hatte Sonne in mir. Schwung.

Auf mein Klingeln öffnete ein Diener mit freundlichem Gesicht die vornehme schwarze Tür, nahm mir die Reisetasche aus der Hand und sagte, da Seine Lordschaft mich erwarte, werde er mich gleich nach oben führen.»Oben «entpuppte sich als ein purpurroter Salon im ersten Stock, wo drei Männer mit Gläsern in den Händen um einen elektrisch geheizten Adam-Kamin herumstanden. Drei Männer in entspannter Haltung, die Gesichter der sich öffnenden Tür zugewandt. Drei Männer, die alle die gleiche Autorität ausstrahlten, die mir bei October aufgefallen war. Das herrschende Triumvirat des Hindernissports. Macher. Verankert und etabliert in hundertjähriger Machttradition. Sie nahmen die Angelegenheit nicht so leicht wie ich.

«Mr. Roke, Mylord«, sagte der Diener, als er mich hineinführte.

October kam auf mich zu und gab mir die Hand.

«Guten Flug gehabt?«

«Ja, danke.«

Er blickte zu den beiden anderen.»Meine beiden Mitstreiter möchten Sie auch begrüßen.«

«Macclesfield«, sagte der größere von ihnen, ein älterer Mann mit krummem Rücken und wildem weißem Haar. Er beugte sich vor und streckte eine sehnige Hand aus.

«Sehr interessant, Sie kennenzulernen, Mr. Roke. «Er hatte scharfblickende Adleraugen.

«Und das ist Colonel Beckett. «Er deutete auf den schmalen, kränklich wirkenden dritten Mann, der mir ebenfalls die Hand gab, aber kaum zufaßte. Dann schwiegen sie vereint und schauten mich an, als käme ich von einem anderen Stern.

«Ich stehe zu Ihrer Verfügung«, sagte ich höflich.

«Ja, gut… kommen wir gleich zur Sache«, sagte October und bot mir einen Ledersessel an.»Aber möchten Sie etwas trinken?«

«Gern.«

Er gab mir ein Glas von dem mildesten Whisky, der je meinen Gaumen berührt hatte, und alle setzten sich.

«Meine Pferde«, begann October in zwanglosem Gesprächston,»stehen alle bei mir in Yorkshire, wo ich meinen Landsitz habe. Ich bilde sie nicht selbst aus, weil ich zu oft geschäftlich unterwegs bin. Ein Mann namens Inskip hat die Trainerlizenz — er ist selbständig und trainiert außer den meinen noch mehrere Pferde von Bekannten. Zur Zeit sind etwa fünfunddreißig Pferde dort, von denen elf mir gehören. Wir halten es für das beste, wenn Sie in meinem Stall als Pfleger anfangen; Sie können dann ja wechseln, wenn es angezeigt scheint. Ist das bis dahin klar?«

Ich nickte.

«Inskip«, fuhr er fort,»ist ein ehrlicher Mensch, aber leider redet er auch gern, deshalb darf ihm zunächst einmal die Art und Weise Ihres Eintritts in den Stall keinen Grund zum Schwätzen geben. Da die Einstellung der Pfleger allein seine Sache ist, wird er, nicht ich, Sie einstellen müssen.

Um dafür zu sorgen, daß wir Leute brauchen und Ihre Bewerbung prompt angenommen wird, schicken Colonel Beckett und Sir Stuart Macclesfield übermorgen je drei Jungpferde zu mir. Die Pferde taugen nichts, möchte ich meinen, aber bessere konnten wir so schnell nicht auftreiben.«

Alle lächelten. Recht hatten sie. Ich begann ihre Planungsarbeit zu bewundern.

«In vier Tagen, wenn dann alles unter dem Arbeitsanfall stöhnt, tauchen Sie auf und bieten Ihre Dienste an. Okay?«

«Okay.«

«Hier ist Ihre Referenz. «Er reichte mir einen Umschlag.»Sie stammt von einer Kusine von mir, die in Cornwall ein paar Jagdpferde hält. Ich habe mit ihr vereinbart, daß sie Sie empfiehlt, falls Inskip nachfragt. Allzu suspekt dürfen Sie ja auch nicht gleich erscheinen, sonst stellt Inskip Sie nicht ein.«

«Verstehe«, sagte ich.

«Inskip wird nach Ihrer Versicherungs- und Ihrer Lohnsteuerkarte fragen, Unterlagen, die man normalerweise von der vorherigen Arbeitsstelle mitbringt. Hier sind sie. «Er gab sie mir.»Die Versicherungskarte ist gestempelt und stellt kein Problem dar, weil erst im Mai nächsten Jahres wieder danach gefragt wird, und dann brauchen wir sie hoffentlich nicht mehr. Mit der Lohnsteuer ist es schwieriger, aber wir haben die Karte so angelegt, daß die Adresse auf dem Abschnitt, den Inskip bei Ihrer Einstellung ans Finanzamt schicken muß, unleserlich ist. Daraus sollte sich eine durchaus natürliche Verwirrung ergeben, die ausreicht, um zu verschleiern, daß Sie nicht in Cornwall gearbeitet haben.«

«Verstehe«, sagte ich. Und beeindruckt war ich auch.

Sir Stuart Macclesfield räusperte sich, und Colonel Beckett rieb sich die Nase.

«Eine Frage zu dem Doping«, sagte ich.»Sie haben mir erklärt, Ihre Chemiker könnten das verwendete Mittel nicht nachweisen, aber mehr weiß ich bisher nicht. Wieso sind Sie denn so sicher, daß gedopt wird?«

October blickte zu Macclesfield, der mit seiner schnarrenden alten Stimme langsam sagte:»Wenn ein Pferd mit Schaum vor dem Maul aus einem Rennen kommt, wenn ihm die Augen rausquellen und der Schweiß nur so runterläuft, liegt der Verdacht nahe, daß ihm ein leistungssteigerndes Mittel verabreicht worden ist. Die meisten Dopingsünder fahren ja deshalb schlecht dabei, weil es schwer ist, Reizmittel so zu dosieren, daß ein Pferd ohne verdächtige Symptome gewinnt. Hätten Sie die von uns untersuchten Pferde gesehen, Sie hätten sie für restlos vollgepumpt gehalten. Aber die Proben waren alle negativ.«

«Was sagen Ihre Chemiker?«

«Im gotteslästerlichen Wortlaut?«meinte Beckett ironisch.

Ich grinste.»Im Kern.«

«Daß es keine Substanz gibt, die sie nicht nachweisen können«, sagte Beckett.

«Was ist mit Adrenalin?«fragte ich.

Die hohen Herren wechselten Blicke, und Beckett sagte:»Die meisten der betroffenen Pferde hatten zwar einen ziemlich hohen Adrenalinspiegel, aber um zu beurteilen, ob das für ein bestimmtes Pferd normal ist, reicht eine einmalige Untersuchung nicht aus. Die natürliche Adrenalinausschüttung variiert von Pferd zu Pferd erheblich, und man müßte sie vor und nach mehreren Rennen und auch in verschiedenen Stadien ihres Trainings kontrollieren, um festzustellen, wo für das einzelne Pferd die Norm liegt. Erst wenn man die normalen Werte kennt, weiß man, ob es eine Dosis zusätzlich erhalten hat. Apropos… Sie werden wissen, daß man Adrenalin nicht oral verabreichen kann. Es muß gespritzt werden und wirkt sofort. Unsere Pferde waren vor dem Start alle ruhig und gelassen. Durch Adrenalin stimulierte Pferde sind da schon aufgedreht. Außerdem verrät sich die subkutane Injektion von Adrenalin oft auch dadurch, daß dem Pferd weit um die Einstichstelle herum die Haare hochstehen. Wirklich narrensicher ist nur eine Injektion in die Halsschlagader, aber das will gekonnt sein, und wir schließen aus, daß in diesen Fällen so verfahren wurde.«