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Ich setzte mich anders. Die Knochen taten mir immer noch weh. Ich lächelte schwach.

«Zum Spaß, nehme ich an.«

Die Tür des Büros öffnete sich, und Beckett kam ohne Eile herein. Ich stand auf. Er bot mir die Hand, und seinen schwachen Händedruck brauchte ich nun wirklich nicht zu fürchten. Kurz und schmerzlos.

«Lange nicht gesehen, Mr. Roke.«

«Über drei Monate«, stimmte ich zu.

«Und Sie sind ins Ziel gekommen.«

Ich schüttelte den Kopf.»Am letzten Hindernis leider gestürzt.«

Er zog seinen Mantel aus, hängte ihn an einen Haken und nahm den grauen Wollschal ab. Sein Anzug war schwarzgrau, eine Farbe, die ihn noch dünner und sein Gesicht noch blasser erscheinen ließ, doch die Augen in den dunklen Höhlen waren so lebhaft wie immer. Er musterte mich aufmerksam.

«Nehmen Sie Platz«, sagte er.»Tut mir leid, daß ich Sie warten lassen mußte. Wie ich sehe, hat man sich um Sie gekümmert.«

«Ja, danke. «Ich setzte mich wieder hin, während er sich behutsam hinter dem Schreibtisch niederließ. Sein Sessel hatte Armlehnen und eine hohe Rückenlehne, und er drückte die Arme und den Kopf an.

«Ich habe Ihren Bericht erst am Sonntag morgen erhalten, als ich von Newbury zurückkam«, sagte er.»Der Brief war von Posset zwei Tage unterwegs und ist erst am Freitag bei mir angekommen. Als ich ihn gelesen hatte, rief ich Edward in Slaw an, und da hatte der gerade einen Anruf von der Polizei in Clavering gekriegt. Die habe ich dann wiederum angerufen. Noch am Sonntag habe ich ein paar Hebel in Bewegung gesetzt und mit etlichen einflußreichen Leuten gesprochen, damit Sie schnell freigelassen werden, und Montag früh hat die Staatsanwaltschaft entschieden, daß Sie sich nicht vor Gericht zu verantworten brauchen.«

«Vielen Dank«, sagte ich.

Er betrachtete mich schweigend.»Sie haben mehr dazu getan als Edward oder ich. Wir haben nur Ihre Aussage bestätigt und allenfalls dafür gesorgt, daß Sie ein, zwei Tage früher rausgekommen sind. Die Polizei in Clavering hatte aber wohl bei der Spurensicherung in dem Büro schon festgestellt, daß Ihre Aussage der Wahrheit entsprach. Sie hatte auch mit dem zu Elinor gerufenen Arzt und mit Elinor selbst gesprochen, sich den Schuppen mit dem Flammenwerfer angesehen und sich von Ihrem Anwalt eine Kurzfassung Ihres Vertrags mit Edward schicken lassen. Als ich da anrief, waren sie in Clavering schon von Ihrer Geschichte überzeugt und sich darin einig, daß Sie Adams in Notwehr getötet hatten.

Der Polizeiarzt, von dem Sie untersucht wurden, hatte ihnen gleich gesagt, daß die Prellungen an Ihrem rechten Unterarm von einem Schlag stammten, den kein Schädel heil überstanden hätte. Seines Erachtens war der Schlag nicht quer, sondern längs auf die Arminnenseite aufgetroffen und hatte deshalb zwar die Muskeln und Gefäße stark beschädigt, aber keinen Knochenbruch zur Folge; und der Arzt hat auch bestätigt, daß Sie eine Viertelstunde später durchaus in der Lage waren, Motorrad zu fahren.«

«Ich hatte wirklich den Eindruck, die glauben mir kein Wort«, sagte ich.

«Mhm. Nun, ich habe mit einem Ihrer Vernehmer vom Donnerstag abend gesprochen. Sie waren erst mal ein ganz klarer Fall für die, sagte er, und Sie hätten schlimm ausgesehen. Sie hätten ihnen eine hanebüchene Geschichte erzählt, und man habe versucht, Sie in Widersprüche zu verwickeln. Ein Kinderspiel, dachten sie, aber es sei so gewesen, als ob man auf Stein beißt. Zum Schluß hätten Ihnen, sehr zu ihrer eigenen Überraschung, alle geglaubt.«

«Hätten sie mir das nur gesagt«, seufzte ich.

«Nicht ihr Stil. Das sind harte Jungs.«

«Den Eindruck hatte ich auch.«

«Jedenfalls haben Sie es überstanden.«

«Gewiß.«

Beckett sah auf die Uhr.»Haben Sie’s eilig?«

«Nein. «Ich schüttelte den Kopf.

«Gut… ich hätte einiges mit Ihnen zu bereden. Essen wir zusammen zu Mittag?«

«Ja, gern.«

«Prima. Jetzt zu Ihrem Bericht. «Er zog die handgeschriebenen Blätter aus der Brusttasche und legte sie auf den Tisch.»Ich hätte gern, daß Sie den Absatz über die angeforderte Verstärkung streichen und dafür die Flammenwerferprozedur beschreiben, okay? Dort drüben sind Tisch und Stuhl. Fangen Sie gleich an, dann lasse ich das Ganze tippen.«

Als ich den Bericht beendet hatte, erklärte er mir, welche rechtlichen Schritte gegen Humber, Cass und Jud Wilson, aber auch gegen Soupy Tarleton und seinen Freund Lewis Greenfield eingeleitet worden waren. Dann sah er wieder auf die Uhr und entschied, es sei Essenszeit. Er führte mich in seinen Club, der ganz in Dunkelbraun gehalten schien, und wir nahmen Rindfleischpastete mit Nierchen und Pilzen, die ich deshalb aussuchte, weil ich sie unauffällig nur mit der Gabel essen konnte. Er bemerkte es trotzdem.

«Macht Ihnen der Arm noch zu schaffen?«

«Halb so schlimm.«

Er nickte nur. Dann erzählte er mir, daß er tags zuvor bei einem älteren Onkel von Adams gewesen sei, der als wohlhabender Junggeselle am Piccadilly lebte.

«Der junge Paul Adams war nach Ansicht seines Onkels ein Kandidat für die Besserungsanstalt, er hatte aber eben reiche Eltern gehabt. In Eton wurde er wegen gefälschter Schecks hinausgeworfen, und von der nächsten Schule flog er wegen fortgesetzten Glücksspiels. Seine Eltern mußten ihm immer wieder aus der Klemme helfen und sich von einem Psychiater sagen lassen, daß er sich niemals ändern würde, höchstens im späten Erwachsenenalter. Er war ihr einziges Kind. Es muß schrecklich für sie gewesen sein. Der Vater starb, als Adams fünfundzwanzig war, und seine Mutter gab sich weiterhin Mühe, ihn aus dem Schlimmsten herauszuhalten. Vor ungefähr fünf Jahren mußte sie ein Vermögen zahlen, um zu vertuschen, daß Adams offenbar ohne Grund einem jungen Mann den Arm gebrochen hatte, und daraufhin drohte sie ihm, wenn er so etwas noch einmal mache, werde sie ihn entmündigen lassen. Ein paar Tage später stürzte sie aus ihrem Schlafzimmerfenster und starb. Der Onkel, ihr Bruder, ist immer der Meinung gewesen, daß Adams sie gestoßen hat.«

«Nicht unwahrscheinlich«, stimmte ich zu.

«Sie haben ihn also zu Recht als Psychopath bezeichnet.«

«Da gab es kaum Zweifel.«

«Nach Ihrer persönlichen Erfahrung mit ihm?«

«Ja.«

Wir waren mit der Pastete fertig und beim Käse angelangt. Beckett sah mich neugierig an und sagte:»Wie hat es sich denn eigentlich gelebt bei Humber?«

«Oh«, meinte ich lächelnd,»ein Feriendorf ist schon was anderes.«

Er wartete, und als ich es dabei beließ, fragte er:»Mehr wollen Sie dazu nicht sagen?«

«Ich glaube nicht. Der Käse ist ausgezeichnet.«

Wir tranken Kaffee und ein Glas Kognak aus einer Flasche, auf der Becketts Name stand; dann gingen wir gemütlich zu seinem Büro zurück.

Er ließ sich wieder matt in seinen Sessel sinken, lehnte Arme und Kopf an, und ich setzte mich ihm gegenüber.

«Sie fliegen jetzt also bald heim nach Australien?«fragte er.

«Ja.«

«Und sicher freuen Sie sich darauf, daß die alte Tretmühle Sie bald wiederhat?«

Ich sah ihn an. Er erwiderte meinen Blick ruhig und ernst. Er wartete auf eine Antwort.

«Nicht unbedingt.«

«Wieso?«

«Eine Tretmühle ist eine Tretmühle.«

Eigentlich kein Thema, dachte ich.

«Auf Sie wartet ein gutes Leben, gutes Essen, Sonnenschein, Ihre Familie, ein schönes Haus und ein Beruf, der Ihnen liegt… habe ich recht?«

Ich nickte. Es war unvernünftig, davor zurückzuscheuen.

«Seien Sie offen«, sagte er plötzlich.»Sie brauchen nicht drumherumzureden. Woran fehlt’s?«

«Ich bin ein unzufriedener Kerl, weiter nichts«, meinte ich leichthin.

«Mr. Roke. «Er beugte sich ein wenig vor.»Ich stelle Ihnen diese Fragen mit gutem Grund. Antworten Sie bitte der Wahrheit gemäß. Was stört Sie an Ihrem Leben in Australien?«