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Wally, der es unerhört fand, wie lässig ich bei meiner Ankunft aufgetreten war, wies mich an, Inskip mit» Sir «und October mit» Mylord «anzureden; wenn ich aber ein verdammter Kommunist sei, könne ich gleich wieder abhauen — und so legte ich schleunigst den, wie er es nannte,»geziemenden «Respekt an den Tag.

Andererseits fiel es mir gerade wegen der zwanglosen Beziehung zu meinen eigenen Leuten jetzt nicht weiter schwer, Pfleger unter Pflegern zu sein. Ich spürte keine Zurückhaltung auf ihrer und — nachdem sich das Akzentproblem erledigt hatte — auch keine Befangenheit auf meiner Seite. Von daher mußte ich October recht geben: Wäre ich in England aufgewachsen und nach Eton statt nach unserem ebenso exklusiven Geelong gegangen, hätte ich mich in die Stallgemeinschaft nicht so leicht einfügen können.

Inskip teilte mir drei neu eingetroffene Pferde zu, und das war aus meiner Sicht nicht gerade ideal, denn auf die Rennbahn würde ich vorerst mit denen nicht kommen. Sie waren weder fit noch für irgendwelche Rennen genannt, und selbst wenn sie sich als brauchbar erwiesen, würde es Wochen dauern, bis sie antreten konnten. Darüber dachte ich nach, während ich ihnen Heu und Wasser brachte, ihre Boxen ausfegte und sie in der Morgenarbeit ritt.

Am zweiten Abend erschien October gegen sechs mit einer Gruppe von Gästen. Inskip, vorab informiert, hatte uns allen Beine gemacht, damit wir schneller fertig wurden, und sich durch einen vorgezogenen Kontrollgang überzeugt, daß alles in Butter war.

Jeder Pfleger stand bei demjenigen der von ihm betreuten Pferde, das dem Ausgangspunkt der Inspektion am nächsten war. October und seine Freunde, begleitet von Inskip und Wally, schritten von Box zu Box, plauderten, lachten, besprachen im Vorbeigehen die einzelnen Pferde.

Als sie zu mir kamen, warf mir October einen Blick zu und sagte:»Sie sind neu hier, was?«

«Ja, Mylord.«

Das war es dann auch schon, aber als ich das erste Pferd für die Nacht eingeschlossen hatte und weiter unten im Stall beim zweiten wartete, kam er herüber, um meinen Schützling zu streicheln und seine Beine abzutasten, und als er sich dann aufrichtete, zwinkerte er mir verschmitzt zu. Da die anderen Leute vor mir standen, bewahrte ich mit Mühe ein ernstes Gesicht. Er schneuzte sich, um nicht zu lachen. Wir waren beide in solchen Täuschungsmanövern nicht geübt.

Nach der Inspektion und dem anschließenden Abendessen mit den anderen Pflegern ging ich mit zweien von ihnen zu Fuß nach Slaw ins Gasthaus. Als wir unser erstes

Bier halb getrunken hatten, stand ich auf, spazierte hinaus und rief October an.

«Wer spricht, bitte?«erkundigte sich eine Männerstimme.

Einen Augenblick war ich ratlos, dann sagte ich:»Per-looma«, denn wenn er das hörte, würde er sofort schalten.

Er kam an den Apparat.»Probleme?«

«Nein«, sagte ich.»Werden vom Amt hier Ihre Gespräche mitgehört?«

«Gute Frage. «Er zögerte.»Wo sind Sie?«

«In Slaw, in der Telefonzelle am Ortseingang.«

«Ich habe Gäste heute abend; hat es Zeit bis morgen?«

«Ja.«

Er überlegte.»Können Sie mir sagen, um was es geht?«

«Ja. Ich brauche die gesammelten Rennberichte der letzten sieben oder acht Jahre und alles, was Sie an Informationen über die elf… Betroffenen beibringen können.«

«Wonach suchen Sie?«

«Das weiß ich noch nicht«, sagte ich.

«Brauchen Sie sonst noch was?«

«Ja, aber das geht nicht am Telefon.«

Er überlegte.»Hinter den Stallungen ist ein Bach, der aus dem Moor kommt. Laufen Sie morgen nach dem Mittagessen ein Stück da hinauf.«

«Gut. «Ich hängte ein und kehrte in die Kneipe zu meinem Bier zurück.

«Du warst aber lange weg«, sagte Paddy, einer der beiden Pfleger, mit denen ich dort war.»Wir sind schon eins weiter. Hast du die Wandsprüche auf dem Klo studiert, oder was?«

«Da stehen ein paar Sachen«, meinte der andere, ein schlaksiger Achtzehnjähriger,»aus denen ich nicht schlau werde.«

«Das schadet nichts«, versicherte ihm Paddy. Mit seinen vierzig Jahren vertrat er bei vielen der jüngeren Pfleger die Vaterstelle.

Sie schliefen links und rechts von mir, Paddy und Grits, in unserem kleinen Schlafsaal. Paddy, blitzgescheit im Gegensatz zu Grits, war ein zäher kleiner Ire mit Augen, denen nichts entging. Von dem Moment an, als ich meinen Koffer auf das Bett geworfen und unter seinem neugierigen Blick meine Schlafsachen ausgepackt hatte, war ich froh gewesen, daß October darauf bestanden hatte, mich völlig neu einzukleiden.

«Trinken wir noch ein Glas?«

«Na gut«, stimmte Paddy zu.»Eins kann ich mir wohl gerade noch leisten.«

Ich ging mit den Gläsern zur Theke und holte Nachschub; Paddy und Grits kramten in ihren Taschen, wurden fündig und gaben mir jeder elf Pence zurück. Das starke, bittere Bier schien mir die sieben Kilometer Fußweg nicht wert zu sein, aber viele von den Pflegern hatten Fahrräder oder klapprige Autos und kamen mehrmals die Woche hierher.

«Heute abend tut sich nichts«, brummelte Grits. Sein Gesicht hellte sich auf.»Morgen ist Zahltag.«

«Da wird die Bude voll«, stimmte Paddy bei.»Soupy und die Grangerleute und das ganze Volk.«

«Die Grangerleute?«fragte ich.

«Du weißt aber auch gar nichts«, meinte Grits ein wenig herablassend.»Die Leute von Grangers Stall, auf der anderen Seite vom Berg.«»Kommst du denn vom Mond?«fragte Paddy.

«Er ist ja neu im Rennsport«, verteidigte mich Grits.

«Na, trotzdem!«Paddy trank über den Mittelstrich weg und wischte sich den Mund mit dem Handrücken.

Grits trank aus und seufzte.»Das wär’s. Ich glaub, dann sollten wir mal wieder.«

Auf dem Rückweg zum Stall unterhielten wir uns wie immer über Pferde.

Am nächsten Nachmittag verließ ich unauffällig den Hof und schlenderte am Bach entlang, wobei ich hin und wieder einen Stein nahm und ihn hineinwarf, als sähe ich gern, wie das Wasser aufspritzte. Ein paar Pfleger spielten auf der Koppel hinterm Hof Fußball, aber sie achteten nicht auf mich. Ein ganzes Stück bergauf, wo der Bach durch eine tiefe, grasbewachsene Rinne lief, stieß ich auf October, der, eine Zigarette rauchend, auf einem Stein saß. Er hatte einen Jagdhund, einen schwarzen Retriever, bei sich und eine Flinte und eine volle Jagdtasche vor sich liegen.

«Dr. Livingstone, nehme ich an«, sagte er lächelnd.

«Ganz recht, Mr. Stanley. Wie haben Sie das erraten?«

Ich setzte mich auf den nächsten Stein.

Er tippte mit dem Fuß an die Jagdtasche.»Da sind die Rennberichte drin und ein Notizbuch mit allem, was Beckett und ich an Fakten über die elf Pferde in so kurzer Zeit zusammengekriegt haben. Aber da nützen Ihnen die Berichte in den Akten, die Sie gesehen haben, doch sicher mehr.«

«Alles kann nützlich sein… das weiß man nie. In Stapletons Kuvert war auch ein interessanter Ausschnitt. Ein Artikel über bekannte Dopingfälle. Da stand, daß be-stimmte Pferde einfach durch chemische Veränderungen in ihrem Körper harmlose Nahrung in etwas umsetzen, das beim Dopingtest positiv anschlägt. Funktioniert das vielleicht auch umgekehrt? Ich meine, könnte es sein, daß manche Pferde ein Dopingmittel in harmlose Stoffe aufspalten, so daß bei den Kontrollen nichts festzustellen ist?«