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»Warum bist du hier, Tanis?« fragte sie leise, während sie mit ihrem Finger über den Rand des Glases fuhr und ihn gleichzeitig musterte.

»Du weißt den Grund«, antwortete er kurz angebunden.

»Natürlich Laurana«, sagte Kitiara.

Tanis zuckte die Achseln. Er behielt sorgsam einen maskenhaften Gesichtsausdruck bei, fürchtete dennoch, daß diese Frau, die ihn manchmal besser kannte als er sich, jeden Gedanken lesen konnte.

»Bist du allein gekommen?« fragte Kitiara und nippte an ihrem Glas.

»Ja«, antwortete Tanis und erwiderte ohne zu zögern ihren Blick.

Kitiara hob im offensichtlichen Zweifel eine Augenbraue.

»Flint ist tot«, fügte er mit gebrochener Stimme hinzu. Selbst in seiner Angst konnte er nicht ohne Schmerz an seinen Freund denken. »Und Tolpan wandert irgendwo herum. Ich konnte ihn nicht finden. Ich... ich wollte ihn sowieso nicht mitbringen.«

»Das verstehe ich«, sagte Kit sarkastisch. »Flint ist also tot.«

»Wie Sturm«, fügte Tanis mit zusammengebissenen Zähnen hinzu.

Kit sah ihn scharf an. »So ist eben der Krieg, mein Lieber«, sagte sie. »Wir waren beide Soldaten. Er versteht es. Sein Geist hegt nichts Böses gegen mich.«

Tanis würgte wütend, schluckte seine Worte hinunter. Was sie sagte, traf zu. Sturm würde es verstehen.

Kitiara betrachtete schweigend einige Zeit Tanis' Gesicht.

Dann setzte sie ihr Glas ab.

»Was ist mit meinen Brüdern?« fragte sie. »Wo...«

»Warum bringst du mich nicht zum Verhör in deine Verliese?« knurrte Tanis. Er erhob sich aus dem Stuhl und begann in dem luxuriös eingerichteten Zimmer auf und ab zu schreiten. Kitiara lächelte, es war ein nach innen gerichtetes, nachdenkliches Lächeln. »Ja«, sagte sie. »Ich könnte dich hier verhören.

Und du würdest reden, lieber Tanis. Du würdest mir alles erzählen, was ich hören will, und dann würdest du betteln, noch mehr erzählen zu dürfen. Unsere Folterknechte sind nicht nur Spezialisten in der Kunst der Folter, sie sind auch ihrem Beruf leidenschaftlich zugetan.« Kitiara stand langsam auf und ging zu Tanis. In einer Hand hielt sie ihr Weinglas, ihre andere legte sie auf seine Brust und fuhr mit der Handfläche zu seiner Schulter. »Aber dies ist kein Verhör. Sagen wir lieber, eine Schwester sorgt sich um ihre Familie. Wo sind meine Brüder?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Tanis. Er packte ihre Hand beim Gelenk. »Sie sind beide im Blutmeer verschwunden...«

»Mit dem Hüter des grünen Juwels?«

»Mit dem Hüter des grünen Juwels.«

»Und wie hast du überlebt?«

»Meer-Elfen haben mich gerettet.«

»Dann hätten sie die anderen auch retten können?«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich bin trotz allem ein Elf. Die anderen waren menschlich.«

Kitiara starrte Tanis lange an. Er hielt immer noch ihr Handgelenk fest. Unter ihrem durchdringenden Blick schlossen sich seine Finger unbewußt fester um das Gelenk.

»Du tust mir weh...«, flüsterte Kit, »Warum bist du gekommen, Tanis? Um Laurana zu befreien... allein? Selbst du wärst nicht so töricht...«

»Nein«, unterbrach Tanis sie, während sein Griff um Kitiaras Arm fester wurde. »Ich bin hier, um einen Handel abzuschließen. Nimm mich. Laß sie laufen.«

Kitiara riß die Augen auf. Dann warf sie plötzlich ihren Kopf zurück und lachte. Mit einer schnellen Bewegung riß sie sich aus Tanis' Griff los und ging zu dem Tisch, um ihr Weinglas aufzufüllen.

Sie grinste ihn über ihre Schulter an. »Nun, Tanis«, sagte sie und lachte wieder, »was bedeutest du mir, daß ich auf diesen Handel eingehen sollte?«Tanis spürte, wie er rot wurde. Immer noch grinsend fuhr Kitiara fort.

»Ich habe ihren Goldenen General gefangengenommen, Tanis. Ich habe ihnen ihren Glücksbringer weggenommen, ihre wunderschöne Elfenkriegerin. Sie war kein schlechter General, was das betrifft. Sie hat ihnen die Drachenlanzen gebracht und ihnen gezeigt, wie man mit ihnen kämpft. Ihr Bruder brachte die guten Drachen zurück, aber alle haben ihr das zugeschrieben. Sie vereinigte die Ritter wieder, als sie schon längst zersplittert und verfeindet waren. Und du willst, daß ich sie eintausche gegen...«, Kitiara zeigte verächtlich auf ihn, »einen Halb-Elfen, der in Begleitung von Kendern, Barbaren und Zwergen durch die Landschaft zieht!«

Kitiara lachte wieder, sie lachte so heftig, daß sie sich hinsetzen und die Tränen aus den Augen wischen mußte. »Wirklich, Tanis, du hast eine hohe Meinung von dir. Warum, glaubst du, sollte ich dich zurücknehmen? Aus Liebe?«

In Kits Stimme war eine winzige Veränderung wahrnehmbar, ihr Lachen wirkte gezwungen. Sie runzelte plötzlich die Stirn und drehte das Weinglas in ihrer Hand.

Tanis antwortete nicht. Er konnte nur vor ihr stehen, seine Haut brannte wie Feuer von ihrem Hohn. Kitiara starrte ihn an, dann senkte sie ihren Blick.

»Nehmen wir an, ich lasse mich darauf ein«, fragte sie mit kalter Stimme, ihre Augen waren auf das Glas in ihrer Hand gerichtet. »Was könntest du mir als Ersatz bieten?«

Tanis holte tief Luft. »Der Kommandant deiner Soldaten ist tot«, sagte er. Er versuchte, gleichgültig zu klingen. »Das weiß ich. Tolpan sagte mir, daß er ihn getötet hätte. Ich würde seinen Platz einnehmen.«

»Du würdest... in der Drachenarmee dienen?« Kits Augen weiteten sich vor echtem Erstaunen.

»Ja.« Tanis biß die Zähne zusammen. Seine Stimme klang bitter. »Wir haben sowieso verloren. Ich habe eure Fliegenden Zitadellen gesehen. Wir können nicht gewinnen, auch wenn die guten Drachen bleiben. Und sie werden es nicht – die Leutewerden sie zurückschicken. Die Leute haben ihnen sowieso nie getraut, nicht wirklich. Mich interessiert nur eins – laß Laurana frei, unversehrt.«

»Ich glaube wirklich, daß du das tun würdest«, sagte Kitiara leise, immer noch staunend. Lange Zeit musterte sie ihn. »Ich muß es mir überlegen...«

Dann, als ob sie im Streit mit sich läge, schüttelte sie den Kopf. Sie setzte das Glas an ihre Lippen, trank, setzte das Glas wieder ab und erhob sich.

»Ich muß es mir überlegen«, wiederholte sie. »Aber jetzt muß ich dich verlassen, Tanis. Heute abend ist eine Versammlung der Drachenfürsten. Sie sind aus allen Teilen Ansalons gekommen. Du hast natürlich recht. Ihr habt den Krieg verloren.

Heute abend werden wir Pläne für die endgültige Vernichtung schmieden. Du wirst mich begleiten. Ich werde dich Ihrer Majestät vorstellen.«

»Und Laurana?« fragte Tanis hartnäckig.

»Ich sagte bereits, daß ich es mir überlegen muß!« Eine dunkle Linie verunstaltete die glatte Haut zwischen Kitiaras Augenbrauen. Ihre Stimme klang scharf. »Man wird dir eine Zeremonienrüstung bringen. Sei in einer Stunde umgezogen und bereit.« Sie wollte gehen, dann drehte sie sich noch einmal zu Tanis um. »Meine Entscheidung kann davon abhängen, wie du dich heute abend verhältst«, sagte sie leise. »Vergiß nicht, Halb-Elf, von jetzt an dienst du mir!«

Die braunen Augen glitzerten klar und kalt, als sie Tanis in ihrem Bann hielten. Langsam spürte er, wie der Wille dieser Frau ihn niederdrückte, bis er eine starke Hand war, die ihn auf den polierten Marmorboden zwang. Die Stärke der Drachenarmee stand hinter ihr, der Schatten der Dunklen Königin schwebte um sie, durchdrang sie mit einer Macht, die Tanis schon vorher aufgefallen war.

Plötzlich spürte Tanis eine große Distanz zwischen ihnen. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes menschlich. Denn nur die Menschen waren von der Lust nach Macht erfüllt, die so stark war, daß die rohe Leidenschaft ihres Wesens leicht korrumpiert werden konnte. Das kurze Leben der Menschen war wie eine Flamme, die in einem reinen Licht brennen konnte wie Goldmonds Kerze, wie Sturms zerschmetterte Sonne, oder die Flamme konnte zerstören, ein sengendes Feuer, das alles auf seinem Weg verzehrte. Er hatte sein kaltes, schwerfälliges Elfenblut an diesem Feuer gewärmt, er hatte die Flamme in seinem Herzen gepflegt. Jetzt sah er sich, wie er werden würde so, wie er die Körper jener gesehen hatte, die in den Flammen von Tarsis gestorben waren -, eine Masse verkohlten Fleisches, das Herz schwarz und still.