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Aber obwohl sich die Gestalten änderten, blieben die dunklen Augen beständig, starrten in Tanis' Seele, die Augen des fünfköpfigen Drachen, die Augen der wunderschönen Verführerin, die Augen des furchterregenden Kriegers. Tanis fühlte sich ihrer Prüfung hilflos ausgesetzt. Er konnte es nicht ertragen, er hatte nicht die Kraft. Niedergeschlagen warf er sich wieder auf die Knie, vor der Königin kriechend, sich selbst verachtend, als er hinter sich einen qualvollen, würgenden Schrei hörte.

9

Die Hörner des Untergangs

Sich schwerfällig durch den nördlichen Korridor schleppend, auf der Suche nach Berem, ignorierte Caramon die Überraschten Schreie und Rufe und Hände der Gefangenen, die sich ihm aus den Zellen entgegenstreckten. Aber Berem war nirgendwo zu sehen und auch keine Spuren seines Vorbeikommens. Er versuchte, die anderen Gefangenen zu fragen, ob sie ihn gesehen hätten, aber die meisten waren durch die Folter, die sie ertragen mußten, so verwirrt, daß ihre Antworten keinen Sinn ergaben, und schließlich ließ Caramon sie voller Entsetzen und Mitleid in Ruhe. Er lief weiter den Korridor entlang,der ihn immer tiefer nach unten führte. Er sah sich um und fragte sich verzweifelt, wo er den verrückten Mann finden konnte. Sein einziger Trost war, daß von diesem Korridor kein anderer abzweigte. Berem mußte also diesen Weg genommen haben. Aber wo steckte er dann?

Caramon spähte in die Zellen, stolperte in die Ecken und hätte beinahe einen Hobgoblinwächter nicht bemerkt, der sich auf ihn stürzte. Gereizt schwang er sein Schwert, über die Unterbrechung verärgert, und schlug den Kopf der Kreatur ab und setzte bereits seinen Weg fort, bevor der Körper auf den Steinboden aufschlug.

Dann seufzte er erleichtert auf. Als er eine Treppe hinuntereilte, wäre er beinahe auf den Körper eines anderen toten Hobgoblins getreten. Sein Hals war von starken Händen erwürgt worden. Berem war also hier gewesen, und das vor nicht allzu langer Zeit, denn der Körper war noch warm.

In der Gewißheit, auf der Spur des Mannes zu sein, begann Caramon zu laufen. Die Gefangenen in den Zellen nahm er gar nicht mehr wahr. Ihre Stimmen, die um Freiheit bettelten, hallten in seinen Ohren wider.

Wenn ich sie freilasse, hätte ich eine Armee, dachte Caramon plötzlich. Er spielte mit dem Gedanken, die Zellentüren zu öffnen, als er auf einmal ein schreckliches Heulen und Schreien hörte.

Berems Brüllen erkennend, stürzte Caramon weiter. Die Zellen endeten, der Korridor verengte sich zu einem Tunnel, der sich tief in den Boden schnitt. Fackeln schimmerten an den Wänden, aber es waren wenige, und sie waren in großen Abständen aufgestellt. Caramon lief weiter, das Brüllen kam immer näher. Der Krieger versuchte sich zu beeilen, aber der Boden war glitschig und schleimig, die Luft wurde noch dumpfer und schwerer von der Feuchtigkeit, je tiefer er in den Tunnel lief. Um nicht auszurutschen und zu fallen, mußte er langsamer gehen. Die Schreie wurden lauter. Der Tunnel wurde heller – er näherte sich offenbar seinem Ende.

Und dann sah er Berem. Zwei Drakonier schlugen auf ihnein, ihre Schwerter glänzten im Fackellicht. Berem wehrte sie mit bloßen Händen ab. Das Licht des grünen Edelsteins ließ den kleinen Raum in einer unheimlichen Helligkeit erstrahlen.

Nur Berems Wahnsinn gab ihm die Kraft, sie so lange abzuwehren. Blut strömte aus einer Schnittwunde über sein Gesicht.

Als Caramon ihm zu Hilfe sprang und im Schleim ausrutschte, ergriff Berem mit einer Hand die Schwertklinge eines Drakoniers, gerade als die Spitze seine Brust berührte. Der Stahl drang in sein Fleisch, aber er nahm den Schmerz nicht wahr.

Blut floß über seine Hände, als er die Klinge drehte und den Drakonier mit einem Ruck nach hinten schob. Dann taumelte er, japste nach Luft. Der andere Drakonier näherte sich.

Da die Wachen nur auf ihr Opfer achteten, bemerkten sie Caramon nicht. Er sprang aus dem Tunnel und dachte nur daran, die Kreaturen nicht zu erstechen, um sein Schwert nicht zu verlieren. Er packte eine Wache mit seinen riesigen Händen und drehte ihr den Kopf um, bis das Genick brach. Dann ließ er den Körper fallen und begegnete dem Sprung des anderen Drakoniers mit einer schnellen Bewegung der Handkante gegen die Kehle der Kreatur. Sie fiel zurück.

»Berem, ist alles in Ordnung?« Caramon drehte sich um und wollte Berem helfen, als er plötzlich einen stechenden Schmerz in seiner Seite spürte.

Vor Schmerz aufkeuchend, taumelte er herum und sah auf einen Drakonier. Offenbar hatte er sich in den Schatten versteckt gehalten, vielleicht hatte er Caramon kommen gehört. Sein Schwerthieb hätte töten sollen, aber er war in Eile ausgeführt worden und an Caramons Kettenrüstung abgeglitten. Caramon stolperte zurück, um sein Schwert zu suchen und Zeit zu gewinnen.

Aber der Drakonier hatte nicht vor, ihm Zeit zu lassen. Er hob erneut seine Klinge und sprang auf Caramon zu.

Eine Bewegung, grünes Licht blitzte auf, und der Drakonier fiel tot vor Caramons Füße.

»Berem!« keuchte Caramon und preßte seine Hand auf seine Seite. »Danke! Wie...«Aber Berem starrte nur Caramon an, schien ihn nicht wiederzuerkennen. Doch dann nickte er langsam, drehte sich um und wollte weiterlaufen.

»Warte!« rief Caramon. Er biß die Zähne vor Schmerzen zusammen, sprang über die Körper der Drakonier und eilte Berem hinterher. Er ergriff ihn am Arm und hielt ihn an. »Warte, verdammt!« wiederholte er.

Die plötzliche Bewegung forderte ihren Tribut. Der Raum verschwamm vor seinen Augen. Caramon war gezwungen, einen Moment stillzustehen und den plötzlichen Schmerz abklingen zu lassen. Als er wieder sehen konnte, blickte er sich um, um sich zu orientieren.

»Wo sind wir?« fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. Er wollte nur, daß Berem seine Stimme hörte.

»Tief, tief unter dem Tempel«, erwiderte Berem mit hohler Stimme. »Ich bin in der Nähe. Ganz in der Nähe.«

»Ja«, stimmte Caramon zu, ohne etwas zu verstehen. Er hielt Berem weiter fest und sah sich um. Der Tunnel, aus dem er gekommen war, endete in einer kleinen kreisrunden Kammer.

Ein Wachraum, erkannte er, als er einen alten Tisch, mehrere Stühle und eine Fackel an der Wand sah. Das ergab einen Sinn.

Die Drakonier mußten hier Wache gehalten haben. Deshalb war Berem auf sie gestoßen. Aber was konnten die Drakonier bewacht haben?

Caramon sah sich schnell in der kleinen Steinkammer um, konnte aber nichts entdecken. Der Raum hatte einen Durchmesser von vielleicht zwanzig Schritten und war aus dem Fels herausgehauen worden. Die spiralförmigen Steinstufen führten vom Tunnel in diesen Raum, und gegenüber von ihnen führte, ein Bogengang hinaus. Berem war auf diesen Bogengang zugelaufen, bevor Caramon ihn aufgehalten hatte. Caramon sah nichts, als er in die Öffnung spähte. Es war dunkel, so dunkel, daß Caramon dachte, er würde in die Große Finsternis starren, von denen die Legenden erzählten. Eine Finsternis, die in der Leere existiert hatte, lange bevor die Götter das Licht erschaffen hatten.Das einzige, was er hörte, war das gurgelnde und aufspritzende Geräusch von Wasser. Ein unterirdischer Fluß, dachte er, darum die feuchte Luft. Er trat einen Schritt zurück und untersuchte den Bogengang naher.

Er war nicht aus dem Fels herausgehauen worden wie die kleine Kammer, in der sie sich befanden. Er war von fachmännischen Händen aus Steinen gefertigt worden. Er konnte schwache Umrisse von kunstvoll ausgeführten Meißelarbeiten sehen, die ihn einst verziert hatten, aber er erkannte keine Einzelheiten. Der Zahn der Zeit und die Luftfeuchtigkeit hatten sie fest zerstört.

Als Caramon die Bogen studierte, in der Hoffnung, hier einen Hinweis zu finden, stürzte er beinahe, denn Berem klammerte sich plötzlich mit einer wilden Heftigkeit an ihn.

»Ich kenne dich!« schrie der Mann.

»Sicher«, grunzte Caramon. »Was im Namen der Hölle machst du hier unten?«