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»Jasla ruft...«, sagte Berem. Der wahnsinnige Blick erschien wieder in seinen Augen. Er drehte sich um und starrte in die Dunkelheit hinter dem Bogen. »Dort hinein muß ich gehen... Wachen... haben versucht, mich aufzuhalten. Du kommst mit mir.«

Dann wurde Caramon klar, daß die Drakonier diesen Durchgang bewacht haben mußten! Aber warum? Was lag dahinter?

Hatten sie Berem erkannt, oder hatten sie nur dem Befehl gehorcht, jedem den Eintritt zu verwehren? Er wußte keine Antwort auf all diese Fragen, und dann kam ihm der Gedanke, daß die Antworten keine Rolle spielten, und auch nicht die Fragen.

»Du mußt hier durch«, sagte er zu Berem. Es war eine Feststellung, keine Frage. Berem nickte und trat ungeduldig einen Schritt vor. Er wäre direkt in die Finsternis gelaufen, wenn Caramon ihn nicht zurückgezogen hätte.

»Warte, wir brauchen Licht«, sagte der Krieger seufzend und trat zurück, den Blick weiter auf Berem gerichtet blieb, bis seine suchende Hand eine Fackel an der Wand berührte. Er hob sie aus der Halterung und kehrte zu Berem zurück.»Ich gehe mit dir«, sagte er mit schwerer Stimme, während er sich fragte, wie weit er noch laufen konnte, bevor er vor Schmerzen und Blutverlust zusammenbrechen würde. »Hier, halt mal.« Er reichte Berem die Fackel, riß einen Streifen von Berems zerfetztem Hemd ab und verband damit die Wunde.

Dann nahm er wieder die Fackel und trat in den Bogengang.

Als er an zwei Steinträgern vorbeiging, spürte Caramon etwas sein Gesicht streifen. »Spinnenweben!« murmelte er und griff voller Ekel danach. Er sah sich ängstlich um; er fürchtete sich vor Spinnen. Aber es waren keine da. Achselzuckend setzte er seinen Weg fort und zog Berem mit sich.

Hörnerrufe zerrissen die Luft.

»In der Falle!« sagte Caramon grimmig.

»Tika!« keuchte Tolpan stolz, als sie durch den düsteren Verlieskorridor liefen. »Dein Plan hat funktioniert.« Der Kender riskierte einen Blick über seine Schulter. »Ja«, bekräftigte er atemlos. »Ich glaube, alle folgen uns!«

»Wunderbar«, murrte Tika. Irgendwie hatte sie nicht erwartet, daß ihr Plan so gut funktionieren würde. Noch nie hatte einer ihrer Pläne in ihrem Leben funktioniert. Wer hätte gedacht, daß ausgerechnet dieser erfolgreich sein würde? Auch sie warf schnell einen Blick über die Schulter. Es mußten sechs oder sieben Drakonier mit langen Krummschwertern in ihren Klauenhänden sein, die ihnen nachjagten.

Obwohl die klauenfüßigen Drakonier nicht so schnell laufen konnten wie das Mädchen und der Kender, so verfügten sie doch über eine unglaubliche Ausdauer. Tika und Tolpan hatten zwar einen guten Vorsprung herausgeholt, aber er schrumpfte stetig. Das Mädchen japste bereits nach Luft, und an ihren Seiten spürte sie einen solch stechenden Schmerz, daß sie sich am liebsten vor Qual gekrümmt hätte.

Aber mit jeder Sekunde, die ich renne, gebe ich Caramon ein bißchen mehr Zeit, sagte sie sich. Ich ziehe die Drakonier einfach von ihm weg.

»Sag mal, Tika«, Tolpans Zunge hing aus seinem Mund, seinGesicht, fröhlich wie immer, war vor Erschöpfung blaß, »weißt du, wohin wir laufen?«

Tika schüttelte den Kopf. Sie hatte keinen Atem zum Sprechen. Sie spürte, wie sie langsamer wurde, ihre Beine waren wie Blei. Ein weiterer Blick zeigte ihr, daß die Drakonier rasch aufholten. Sie sah sich schnell um, hoffte, eine Abzweigung zu finden oder eine Nische, einen Türeingang, irgendein Versteck.

Aber es gab nichts. Der Korridor erstreckte sich stumm und leer vor ihnen. Es gab nicht einmal Zellen. Es war ein langer, schmaler, glatter und scheinbar endloser Steintunnel, der allmählich anstieg.

Dann brachte eine plötzliche Erkenntnis sie fast zum Anhalten. Langsamer werdend, nach Atem keuchend, starrte sie Tolpan an, der im trüben Licht der rauchenden Fackeln kaum sichtbar war.

»Der Tunnel... steigt...« Sie hustete.

Tolpan blinzelte sie verständnislos an, dann erhellte sich sein Gesicht.

»Er führt nach oben und nach draußen!« schrie er jubelnd.

»Du hast es geschafft, Tika!«

»Vielleicht...«, antwortete Tika vorsichtig.

»Komm schon!« schrie Tolpan aufgeregt, zu neuer Energie erwacht. Er nahm Tikas Hand und zog sie weiter. »Ich weiß, daß du recht hast, Tika! Riech mal!« Er schnüffelte. »...frische Luft! Wir entkommen... und finden Tanis... und kommen zurück und... befreien Caramon...«

Nur ein Kender kann erzählen und zugleich durch einen Korridor rennen, während er von Drakoniern gejagt wird, dachte Tika erschöpft. Nur die Angst trieb sie selbst vorwärts, das wußte sie. Und bald würde ihr alles gleichgültig sein. Dann würde sie im Tunnel zusammenbrechen, so müde und erschöpft, daß es ihr einerlei wäre, was die Drakonier.., Dann flüsterte sie: »Frische Luft!«

Sie hatte wirklich gedacht, daß Tolpan nur gelogen hätte, um sie am Laufen zu halten. Aber jetzt konnte sie einen feinen Windhauch an ihrer Wange spüren. Hoffnung machte ihre blei-ernen Beine leichter. Als sie kurz einen Blick zurückwarf, kam es ihr vor, als wären die Drakonier langsamer geworden. Vielleicht erkennen sie, daß sie uns jetzt nicht mehr kriegen! Sie wurde von Jubel erfüllt.

»Beeil dich, Tolpan!« gellte sie. Mit erneuter Kraft stürmten sie den Korridor entlang, die süße Luft wehte immer stärker und stärker.

Als sie um eine Ecke rannten, kamen sie so plötzlich zum Halt, daß Tolpan über einige lockere Steine glitt und gegen eine Mauer prallte.

»Darum also sind sie langsamer geworden«, sagte Tika leise.

Der Korridor war hier zu Ende. Zwei mit Querbalken versehene Holztüren hielten ihn verschlossen. Kleine vergitterte Fenster in den Türen ließen die Nachtluft in das Verlies wehen.

Tika und Tolpan konnten nach draußen sehen, sie konnten die Freiheit sehen – aber nicht erreichen.

»Gib nicht auf!« sagte Tolpan nach einem Moment. Er erholte sich schnell und rannte zu den Türen und rüttelte an ihnen. Sie waren verschlossen.

»Verdammt«, murmelte Tolpan und untersuchte fachmännisch die Türen. Caramon wäre in der Lage gewesen, sich seinen Weg durch die Türen zu schlagen oder das Schloß mit einem Schwertschlag aufzubrechen. Aber nicht der Kender, auch nicht Tika.

Während sich Tolpan zur näheren Untersuchung über das Schloß beugte, lehnte sich Tika gegen eine Wand und schloß erschöpft die Augen. Das Blut pochte in ihren Schläfen, die Muskeln in ihren Beinen verknoteten sich in schmerzhaften Zukkungen. Ermattet schmeckte sie salzige Tränen, und ihr wurde bewußt, daß sie vor Schmerz und vor Wut und vor Enttäuschung schluchzte.

»Nicht doch, Tika!« sagte Tolpan, eilte zu ihr und tätschelte ihre Hand. »Es ist ein einfaches Schloß. Ich bringe uns hier in Null Komma nichts heraus. Wein nicht, Tika. Ich brauche nur einen kleinen Moment, aber du solltest für diese Drakonier bereit sein, falls sie kommen. Halt sie einfach beschäftigt...«»In Ordnung«, sagte Tika und schluckte die Tränen hinunter.

Eilig wischte sie mit dem Handrücken über die Nase, dann drehte sie sich mit dem Schwert in der Hand in den Korridor, während sich Tolpan wieder dem Schloß widmete.

Es war ein einfaches, ein sehr einfaches Schloß, sah er mit Zufriedenheit, mit solch einer simplen Falle kombiniert. Er fragte sich, warum sie sich überhaupt solche Umstände gemacht hatten.

Fragte sich, warum sie sich überhaupt solche Umstände gemacht hatten... Einfaches Schloß... simple Falle... Die Worte klangen in ihm nach. Vertraute Worte! Er hatte sie schon einmal zuvor gedacht... Erstaunt sah er zu den Türen hoch und stellte fest, daß er hier schon einmal gewesen war! Aber nein, das war unmöglich.

Wütend schüttelte Tolpan den Kopf und suchte in einem Beutel nach dem Werkzeug. Dann hielt er inne. Kalte Angst ergriff den Kender und schüttelte ihn, wie ein Hund eine Ratte schüttelt.

Der Traum!

Das waren die Türen, die er in dem Silvanesti-Traum gesehen hatte! Das war das Schloß gewesen. Das einfache, so einfache Schloß mit der simplen Falle! Und Tika hatte hinter ihm gestanden, kämpfend... sterbend...