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Aber sie ließ Schwächlinge im Stich. So wie sie Ariakus beobachtet hatte, als er seinen Vater tötete, so beobachtete sie jetzt Ariakus selbst beim Sterben, ihr Name war das letzte Wort, das über seine Lippen kam.

Ein schreckliches Schweigen zog durch die Empfangshalle, als Ariakus zu Boden stürzte. Die Krone der Macht fiel klirrend von seinem Kopf und blieb in einem Gewirr aus Blut und dichten schwarzen Haaren liegen. Wer würde sie beanspruchen?

Ein durchdringender Schrei stieg auf. Kitiara rief einen Namen, schrie jemandem etwas zu.

Tanis konnte es nicht verstehen. Es kümmerte ihn auch nicht. Er streckte seine Hand nach der Krone aus.

Plötzlich materialisierte sich vor ihm eine Gestalt in schwarzer Rüstung. Fürst Soth!

Das Gefühl schierer Panik und schieren Entsetzens bekämpfend, hielt Tanis sein Bewußsein auf eine Sache fixiert. Die Krone war nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Verzweifelt griff er nach ihr. Dankbar fühlte er das kalte Metall in seiner Hand, als eine andere Hand – eine Skeletthand – auch danach griff.

Sie gehörte ihm! Sofhs brennende Augen flackerten auf. Die Skeletthand holte aus, um ihm die Beute gewaltsam zu entreißen. Tanis konnte Kitiaras Stimme hören, die zusammenhanglos Befehle kreischte.

Aber als er das blutverschmierte Stück Metall über seinen Kopf ziehen wollte, als seine Augen ohne Angst auf Fürst Soth haften blieben, wurde das Schweigen im Saal vom Klang von Hörnern, von schmetternden Hörnern durchbrochen. Fürst Soths Hand blieb in der Luft stehen, Kitiaras Stimme verstummte plötzlich.

Ein unterdrücktes, unheilvolles Murmeln fuhr durch die Menge. Einen Moment lang dachte Tanis in seinem schmerzumwölkten Verstand, daß die Hörner zu seinen Ehren ertönten.

Aber dann, als er seinen Kopf zur Halle drehte, sah er Gesichter, die sich beunruhigt umschauten. Alle – sogar Kitiara – sahen zur Dunklen Königin.

Die dunklen Augen Ihrer Dunklen Majestät hatten auf Tanis geruht, aber jetzt war ihr Blick abgelenkt. Ihr Schatten wuchs und intensivierte sich, verbreitete sich durch die Halle wie eine dunkle Wolke. Auf einen stummen Befehl reagierend, eilten Drakonier, die ihr schwarzes Emblem trugen, von ihren Plätzen und verschwanden durch die Türen. Die schwarzgekleidete Gestalt, die Tanis neben der Königin stehen gesehen hatte, war nicht mehr da.

Und immer noch erschollen die Hörner. Tanis starrte gelähmt auf die Krone in seiner Hand. Zweimal zuvor hatten die Hörner Tod und Zerstörung gebracht. Was hatte das entsetzliche Omen dieser Musik diesmal zu bedeuten?

10

Wer auch immer die Krone trägt, herrscht

Der Klang der Hörner war so laut und erschreckend, daß Caramon fast den Halt auf den nassen Steinen verlor.

Berem fing ihn auf. Beide Männer sahen sich nervös um, als die schmetternden Hörnersignale in die kleine Kammer dröhnten. Von den Stufen konnten sie antwortende Hörnerrufe hören.

»Der Bogengang! Eine Falle!« wiederholte Caramon, »Nun, das war's dann wohl. Jedes Lebewesen im Tempel weiß, daß wir hier sind! Ich hoffe bei den Göttern, daß du weißt, was du tust!«

»Jasla ruft...«, wiederholte Berem. Seine anfängliche Beunruhigung über die Hörner war verschwunden, und er ging weiter, Caramon mit sich ziehend.

Caramon folgte mit der Fackel, da er nicht wußte, was er sonst hätte tun sollen. Der Bogengang führte zu Steinstufen, und diese wiederum zu einem schwarzen, schnellfließenden Strom. Caramon leuchtete mit der Fackel umher, hoffte, daß es einen Pfad am Rand des Stromes geben könnte. Aber es gab nichts, zumindest nicht in ihrer Nähe.

»Warte...«, schrie er, aber Berem war bereits in das schwarze Gewässer gestiegen. Caramon hielt den Atem an, erwartete, den Mann in den wirbelnden Tiefen verschwinden zu sehen. Aber das schwarze Gewässer war nicht so tief, wie es aussah, es reichte nur bis zu Berems Waden.

»Komm!« winkte er Caramon zu.

Caramon tastete wieder nach seiner Wunde. Sie blutete weniger, der Verband war feucht, aber nicht blutgetränkt. Der Schmerz jedoch war immer noch stark. Sein Kopf dröhnte, und er war von der Angst und vom Laufen und vom Blutverlust so geschwächt, daß er benommen war. Er dachte einen kurzen Moment an Tika und Tolpan und einen noch kürzeren an Tanis. Nein, er durfte jetzt nicht an sie denken.

Das Ende ist nahe, zum Guten oder zum Bösen, hatte Tika gesagt. Caramon begann allmählich, auch daran zu glauben. Er stieg in das Wasser. Die starke Strömung riß ihn vorwärts, und er hatte das schwindelerregende Gefühl, daß die Strömung die Zeit war, die ihn nach vorn riß zu – wohin? Seinem eigenen Niedergang? Dem Ende der Weit? Oder der Hoffnung auf einen neuen Anfang?

Berem watete ungeduldig vor ihm durch das Wasser, aber Caramon zog ihn zurück.

»Wir bleiben zusammen«, sagte der große Mann, seine tiefe Stimme hallte in der Höhle wider. »Es könnten noch mehr Fallen dasein, schlimmere als diese.«

Berem wartete so lange, bis Caramon auf seiner Höhe war. Dann bewegten sie sich langsam nebeneinander über den schleimigen, tückischen Grund des Wassers. Caramon watete weiter, atmete leichter, als etwas mit solcher Wucht gegen seinen Lederstiefel schlug, daß er fast den Boden unter den Füßen verlor. Taumelnd suchte er bei Berem Halt.

»Was war das?« knurrte er und hielt die Fackel über das Wasser.

Offenbar vom Licht angezogen, erhob sich aus der glänzenden, nassen Schwärze ein Kopf. Caramon hielt vor Entsetzen den Atem an, und sogar Berem stand einen Moment lang wie gelähmt.

»Drachen!« flüsterte Caramon. »Junge Drachen!« Der kleine Drache öffnete sein Maul zu einem schrillen Schrei. Die Fackel beleuchtete eine Reihe rasiermesserscharfer Zähne.

Dann verschwand der Kopf, und Caramon spürte die Kreatur wieder an seinem Stiefel. Ein weiterer Drache schlug gegen sein anderes Bein; er spürte das Wasser durch wild schlagende Schwänze tosen.

Dank seiner Lederstiefel konnten die Kreaturen ihn nicht verletzen, aber Caramon dachte: Wenn ich falle, werden sie mir das Fleisch von den Knochen reißen!

Er hatte dem Tod in vielen Gestalten gegenübergestanden, aber keine war so beängstigend gewesen wie diese. Panik erfaßte ihn. Ich kehre um, dachte er hektisch. Berem kann allein gehen. Außerdem kann er nicht sterben.

Dann riß sich der Krieger zusammen. Nein, seufzte er. Sie wissen jetzt, daß wir hier unten sind. Sie werden jemanden oder etwas schicken, um uns aufzuhalten. Ich muß sie abwehren, bis Berem das tun kann, was er tun muß.

Dieser letzte Gedanke ergab überhaupt keinen Sinn, stellte Caramon fest. Es war so lächerlich, daß es fast zum Lachen war, und wie um seine Feststellung zu verhöhnen, wurde die Ruhe von aufeinanderschlagendem Stahl und barschen Schreien hinter ihnen durchbrochen.

Das ist völliger Wahnsinn! sagte er sich erschöpft. Ich verstehe es nicht! Vielleicht bin ich hier mit einem wahnsinnigen Mann! Vielleicht werde ich selber wahnsinnig!

Jetzt bemerkte auch Berem die Wachen. Das erschreckte ihn mehr als Drachen, und er setzte sich wieder in Bewegung. Seufzend zwang sich Caramon, die glitschigen Attacken an seinen Füßen und Beinen zu ignorieren, watete weiter durch das schwarze reißende Wasser und versuchte, mit Berem Schritt zu halten.

Der Mann starrte stetig nach vorn in die Dunkelheit, gelegentlich gab er stöhnende Laute von sich und rang unruhig die Hände. Der Strom führte sie um eine Biegung, das Wasser wurde tiefer. Caramon fragte sich, was er tun sollte, wenn es über seine Stiefel anstieg. Der junge Drache jagte immer noch hektisch hinter ihnen her, der warme Geruch menschlichen Blutes und Fleisches hatte ihn rasend gemacht. Das Rasseln von Schwertern und Speeren wurde immer lauter.