Выбрать главу

Der Zapote ließ die Hand sinken. »Ich hatte doch gesagt, wenn die Leidenschaft uns fortträgt, sind wir nicht mehr wie normale Männer. Es ist … wir verletzen die Frauen. Und hinterher erinnern wir uns nicht einmal mehr, wie es geschehen ist. Wir geraten in Ekstase. Etwas von der unbändigen Wildheit der Adler und Jaguare hat in uns Einzug gehalten. Wir wollen nicht, aber es kommt vor, dass wir die Frauen im Liebesspiel verletzen. Schwer. Deshalb nennt die Priesterschaft sie Fleisch. Nur wenige überleben die ersten Wochen. Quetzalli ist nun mehr als ein Jahr dort. Als ich zur Ebene von Kush auszog, lebte sie noch.« Er stockte. »Seitdem habe ich keine Nachricht von ihr.«

Volodi dachte an die wunderbaren, leidenschaftlichen Stunden, die er mit der Priesterin verbracht hatte. An das mit Federn geschmückte Zimmer, in dem sie sich geliebt hatten. An ihr Lächeln. Er hatte sie nicht vergessen können. Er hatte es versucht. Hatte sich immer wieder in Erinnerung gerufen, dass sie ihn hatte opfern wollen. Letztlich hatte sie es jedoch nicht getan.

»Was könnte ich mich helfen?«

»Den Auserwählten wird von der Priesterschaft jeder Wunsch erfüllt. Ihr werdet wie Fürsten leben. Allerdings könnt ihr die Tempelstadt bis zu jenem Tag, an dem euch die Gefiederte Schlange ruft, nicht mehr verlassen. Ihr könnt ein Weib haben oder viele. Ihr bekommt zu essen, was immer ihr wollt. Wünsch dir, dass man dir Quetzalli bringt. Nur so wird sie überleben.«

»Und was, wenn ich mich gehen muss zu Schlange? Ist Quetzalli sich dann wieder Fleisch?«

Necahual nickte. »Ja«, sagte er leise. »Es sei denn, sie trägt ein Kind unter dem Herzen. Dann ist sie frei.«

Volodi blickte unschlüssig zum Weißen Tor. Er hatte seine Schuld bei Aaron beglichen. Er hatte dreimal für ihn gekämpft. Im Hügelland Luwiens, wo die Erzschmieden verborgen gewesen waren, am Himmel von Nangog in einer Schlacht zwischen Wolkensammlern, und auf der ausgetrockneten Hochebene von Kush. Er hatte seinen Eid eingehalten. Nun war er frei zu gehen, wohin er wollte. Und durch das Weiße Tor wollte er nicht! »Ist sich wie viel Zeit mit Quetzalli?«

Der Jaguarmann seufzte. »Es wird ausgelost. So entscheidet die Gefiederte Schlange, von wessen Blut sie kosten will. Es gab Männer, die mehr als drei Jahre in allen Freuden schwelgten, bis das Los auf sie fiel. Manchmal sind es aber auch nur wenige Tage. Zu jedem Festtag ruft die Gefiederte Schlange einen Auserwählten. Du könntest mit Quetzalli lange glücklich leben …«

Volodi dachte an seine letzte Nacht mit der Priesterin, als sie ihn gedrängt hatte, aus dem Fenster zu springen. Sie musste gewusst haben, welches Schicksal sie erwartete. Dass die Priesterschaft dieses Verhalten nur als Verrat an der Gefiederten Schlange auslegen konnte. Was auch immer sie gewollt hatte, als sie einander zum ersten Mal begegnet waren, zuletzt hatte sie ihm das Leben gerettet.

Volodi betrachtete die hohe Mauer, die die Tempelstadt umfasste. So wie er die Zapote kannte, würde ihm einer der Jaguarmänner auflauern und umbringen, wenn er nicht durch das Tor ging. Sie waren gute Krieger. Vielleicht würde es glücken …

Er hatte Quetzalli nie vergessen können. Und wenn es stimmte, was der Zapote sagte, war er der einzige Mensch, der sie retten konnte. Was gab es also zu überlegen! Er war nicht wie andere Männer. Er war der, der über den Adlern schreitet. Für ihn war nichts unmöglich. Er würde dort hineingehen und einfach nicht von dieser verdammten Federschlange auserwählt werden.

»Bist du dich also mein Schwager fast.« Volodi stellte sich den verblüfften Ausdruck auf dem Gesicht des Jaguarmanns vor, dessen Antlitz nach wie vor im Schatten verborgen blieb, und grinste breit. »Komme ich mich mit dir und mache Quetzalli ein Kind. Das ist sich nicht schwer.«

Und bei der erstbesten Gelegenheit würde er mit ihr fliehen, dachte er bei sich.

Wie ein ausgesperrter Hund

Zwall kauerte unter dem Haselbusch nahe der alten Eiche und beobachtete die nackte Felswand, die sich ein paar Schritt vor ihm erhob. Eigentlich war dort ein Tor. Wenn er sein Verborgenes Auge öffnete und die Welt der Magie betrachtete, konnte er das Tor ganz deutlich sehen. Genauso wie den Blendzauber, der jedem vorgaukelte, dass sich dort nichts als eine Felswand befand. Doch zu sehen allein genügte nicht. Für ihn gab es keinen Weg dort hinein. Ein geheimes Wort der Macht öffnete das Tor hinab zur Blauen Halle. Er war nie nahe genug herangekommen, um es zu erlauschen, wenn die Elfen dort hinabstiegen.

Missmutig musterte Zwall seine krummen Zehen, die unter dem Oberleder seines linken Schuhs hervorlugten. Seine Kleidung war schäbig und abgerissen und hatte den Geruch des Waldes in sich aufgenommen. Zwanzig Tage war er bei den Seinen gewesen. Elendes Diebespack! Er sollte diese Familienbesuche lassen. Sie hatten ihm seine schönen Kleider abgenommen, die ihm die Elfen geschenkt hatten. Jedes Mal taten sie das, wenn er in die Höhle unter dem Erlenbusch zurückkehrte, in der seit Generationen seine Sippe hauste. Und wenn er ging, dann ließen sie ihn in den ältesten Klamotten gehen. Peinlich war das.

Natürlich wussten sie genau, dass die Elfen ihn neu einkleiden würden. Sie mochten es in der Blauen Halle nicht, wenn man nicht auf sein Äußeres achtete. Die Elfen übertrieben es ein wenig mit ihrer Pedanterie. Er putzte und kochte dort unten für sie, war wie all die anderen Kobolde, die in die Blaue Halle aufgenommen worden waren, nur für niedere Arbeiten gut.

Anfangs hatte Zwall noch gehofft, er könne sich etwas von der Magie der Elfen abschauen. Aber die Jahre hatten ihn klüger gemacht. Sie wachten eifersüchtig über ihre Geheimnisse. Und außerdem hatten sie für Kobolde nicht viel übrig.

Keiner von ihnen hatte bemerkt, wie begabt er war. Längst nicht jeder Kobold wusste sein Verborgenes Auge zu öffnen. Und die meisten nutzten die Gabe des Zauberwebens nur, um irgendwelchen Unfug anzustellen. Aber er, Zwall aus der Sippe Wurzelhaar, war zu Höherem berufen. Er würde ein bedeutender Magier werden. Er musste nur noch aufmerksamer die Elfen beobachten. Wenn nur endlich einer von diesem Mistkerlen käme, damit er hinter ihm durch das Tor im Fels schlüpfen könnte. Elende Warterei! Er lauschte dem Lied der Drosseln über ihm im Geäst, dem Zirpen der Grillen und dem leisen Flüstern des Windes in den Bäumen.

Ein plötzliches Kribbeln überlief Zwall. Etwas hatte das magische Netz berührt. Ein Zauber war gewoben worden, und der Albenstern, der keine zweihundert Schritt entfernt lag, hatte sich geöffnet. Zwall unterdrückte den Impuls aufzustehen. Manche der Elfen waren übellaunige Gesellen, denen ein Kobold besser nicht ohne Not unter die Augen kam. Es war klüger, ungesehen durch das Portal im Fels zu schlüpfen.

Zwall bohrte seine Zehen in den weichen Waldboden. Es war ärgerlich, hier warten zu müssen wie ein Hund, dem die Tür vor der Nase zugeschlagen worden war. Die Elfen könnten sie wirklich etwas besser behandeln. Was wären sie, wenn es nicht für jeden dieser hochgewachsenen Besserwisser ein halbes Dutzend Kobolde gäbe, das hinter ihnen aufräumte? Irgendwann würde es einen Kobold geben, der den Mut hätte, ihnen das offen ins Gesicht zu sagen! Gut, vielleicht nicht in der Weißen Halle, wo die Himmelsschlangen ihre Mörder heranzogen. Es war Zwall ein Rätsel, wie sich Kobolde finden ließen, die dort arbeiteten. Ihn würden keine zehn Pferde dazu bringen.

Die Elfen der Blauen Halle waren schon seltsam genug. Sie waren allesamt Spitzel, und viele gingen in die Welt der Menschenkinder. Das war lebensgefährlich! Zwall hatte heimlich in einigen der Berichte geblättert, die sie über ihre Reisen schrieben. Eigentlich sollten Kobolde die Bücher unten in der Halle nur abstauben … Er schnaubte. Die arroganten Elfenschnösel glaubten, Seinesgleichen könne nicht lesen. Sie hielten sich für so schlau und waren doch manchmal so dumm!

Warum kam der Besucher, der aus dem Albenstern getreten war, nicht den Hang hinauf? Zwall lauschte. Warum dauerte das so lange? Er hatte gefühlt, wie das magische Portal sich wieder geschlossen hatte. Es war nur ein Katzensprung bis zum Felsen. Sie kamen zwar niemals auf direktem Wege zu dem verborgenen Eingang, aber das dauerte jetzt wirklich etwas lange. Was war da los? Er spähte den Hang hinab in den Wald. Es war vollkommen still. Vogelgesang und Grillenzirpen waren verstummt. Er wusste, er würde sie nicht kommen hören. Ein Blatt, das im Herbst auf den Waldboden fiel, machte mehr Lärm als ein Elf auf der Pirsch.