Выбрать главу

Das Felsgestein erbebte unter den wütenden Wellen, die gegen die Steilklippen anrannten. Es war der bislang schlimmste Sturm in diesem Winter. Ein Tag, an den man sich noch lange erinnern würde. Aus vielerlei Gründen …

Der Goldene kroch tiefer in die Höhle, hinab zu jener weiten Grotte, in der er sich schon so oft mit seinen Nestbrüdern versammelt hatte. Als er den Platz in seiner Felsnische einnahm und den Blick durch die Runde schweifen ließ, musste er feststellen, dass er als Letzter gekommen war. Selbst Nachtatem, der so oft auf ihren Versammlungen gefehlt hatte, war anwesend.

Du hast sicherlich gute Gründe, uns mit so dringenden Worten zu dieser Zusammenkunft gebeten zu haben, eröffnete der Frühlingsbringer ihr Treffen. Er war höflich und pragmatisch wie immer. Der Goldene sah seinen Brüdern an, dass nicht alle so duldsam waren. Manche von ihnen verließen im Winter nur ungern ihre Refugien. Natürlich konnten sie sich gegen die Unbilden des Wetters wappnen. Ein Wort der Macht genügte, die Kälte zu bannen. Doch gegen das tief in ihrem Gemüt verwurzelte Bedürfnis, sich im Winter unter Felsgestein zu verkriechen, half kein Zauberwerk.

Talawain, ein Meister der Blauen Halle, ist den Nachstellungen der Devanthar entgangen und konnte uns eine wichtige Nachricht schicken, bevor er nach Daia zurückkehrte, um dort weiter seine Pflicht zu tun. Der Goldene hatte zwar keine Ahnung, warum Talawain nach Daia zurückgekehrt war, er hatte es nicht aus den krausen Gedanken des alten Solaiyn lesen können, doch würde sich das Eingeständnis, dass er nicht wusste, was der Elf dort tat, nicht gut machen. Er würde ihn nur als Helden hinstellen. Zum Opferfest im Frühling wird es in Selinunt im Königreich Valesia eine Zusammenkunft aller Unsterblichen und Devanthar geben. Ein Ereignis, das bislang einmalig in der Geschichte der Menschenkinder ist. Und eine Gelegenheit, wie sie sich kein zweites Mal bieten wird. Wir können sie alle vernichten und damit das Zeitalter ewigen Friedens einläuten!

Oder aber das Zeitalter der Bruderkriege, meldete sich der Smaragdfarbene zu Wort. Wir dürfen die Devanthar und ihre Unsterblichen nicht vernichten. Jede Kraft in den drei Welten braucht eine Kraft, die ihr entgegenwirkt. Sonst kann es kein Gleichgewicht geben. Wenn die Devanthar verschwinden, dann werden wir uns eines Tages untereinander bekriegen. Wir sind Raubtiere. Wir brauchen einen Feind, sonst werden wir uns selbst zerfleischen.

Was ist denn das für eine versponnene Philosophie?, ereiferte sich der Flammende. Er war so zornig, dass der Goldene deutlich spüren konnte, wie es in der Ratshöhle wärmer wurde. Auch wenn der Flammende für ihn sprach, waren dessen Gedanken von so vielen negativen Gefühlen begleitet, dass es unangenehm war, seine Stimme in sich zu hören. Er war ganz anders als der Smaragdfarbene, der vielleicht weltfremd war, aber durchdrungen von einer Harmonie, die es angenehm machte, seinen Gedanken zu lauschen.

Der Schwanz des Flammenden peitschte mit scharfem Knall gegen das Felsgestein der weiten Nische, in der er kauerte. Was glaubt ihr, aus welchem Grund versammeln sich die Unsterblichen und die Devanthar? Sie planen, einen Schlag mit bislang ungekannter Macht gegen uns zu führen. Und wir sollen die Gelegenheit auslassen, gegen sie vorzugehen, Brüder? Ihr alle habt den Bericht von Lyvianne und Bidayn gehört. Ihr wisst, was auf Nangog geschehen ist. Und nun wollt ihr warten, bis sich Gleiches oder gar Schlimmeres in Albenmark ereignet? Ohne mich! Wir wurden von den Alben dazu berufen, diese Welt zu beschützen. Ich stehe zu dieser Pflicht!

Für mich macht es einen großen Unterschied, ob wir durch unsere Drachenelfen den Krieg nach Nangog tragen, wo nach altem Recht weder Albenkinder noch Menschenkinder leben sollen, oder ob wir Daia direkt angreifen, meldete sich der Rote zu Wort.

Der Goldene war überrascht, dass sich sein Nestbruder so friedlich gab, konnte doch auch er ein gnadenloser Kämpfer sein.

Lasst mich durch eine Metapher darlegen, wie ich unsere Lage sehe, sagte der Goldene ruhig. Er musste ihre Debatte wieder in die richtigen Bahnen lenken, bevor die Friedliebenderen unter ihnen die Meinungsmehrheit errangen. Stellt euch vor, durch einen glücklichen Zufall erfahrt ihr, dass eure Feinde einen mächtigen Kriegsspeer schmieden. Eine Waffe, die jede Rüstung durchdringen kann. Ihr könntet die Waffe zerstören, bevor sie vollendet ist, oder aber euch abwenden und darauf hoffen, dass euch der Speer niemals in den Rücken gestoßen wird. Was werdet ihr tun? Ist es klug, vor der Gefahr die Augen zu verschließen und darauf zu hoffen, dass unser Feind die Waffe nicht nutzen wird?

Stell uns nicht als arglose Narren dar, fauchte der Nachtblaue aufgebracht und bleckte die Zähne. Wachsam wandte der Goldene sich ihm zu. Sein dunkelblau geschuppter Bruder war mit den Narben zahlloser Kämpfe bedeckt. Er war der Einzige unter seinen Nestbrüdern, dem er zutraute, dass ein Streit in Gedanken mit ihm jederzeit in einen Streit mit Klauen und Fängen umschlagen konnte. Findet ihr es nicht seltsam, Brüder, dass uns diese Nachricht erreicht, obwohl doch alle Spitzel aus der Blauen Halle ermordet wurden? Wer hat sie überbracht? Warum steht dieser Bote nicht hier vor uns, damit wir in seinen Gedanken lesen können? Wollen die Devanthar uns in eine Falle locken? Oder willst du uns zu deinem Speer machen, den wir den Devanthar in den Rücken stoßen, während sie noch ihre Wunden lecken?, fragte der Nachtblaue und ließ ihn nicht aus den Augen.

Überbracht wurde die Nachricht von Solaiyn, dem Vater des Talawain, eines der Meister der Blauen Halle, der lange Jahre für uns am Hof des Unsterblichen Aaron sein Leben wagte. Talawain ist über jeden Zweifel erhaben, Brüder, wiegelte der Goldene ab.

Und warum ist er dann nicht hier?, setzte der Nachtblaue nach.

So wie ich den alten Elfen verstanden habe, führt Talawain eine Fehde gegen die Devanthar Išta. Er will etwas tun, das ihr Schaden zufügt. Er ist bereits nach Daia zurückgekehrt. Wir können ihn nicht mehr erreichen. Ich sehe in seiner Tat, uns diese Nachricht zu schicken, einen Beweis seiner Loyalität. Er ist das Risiko eingegangen, von den Devanthar entdeckt zu werden, als er durch das Goldene Netz zu seinem Vater reiste. Der Goldene fühlte sich mehr und mehr in die Enge getrieben und wurde mit jedem Wort des Nachtblauen zorniger. Er wusste, er musste einen kühlen Kopf bewahren, aber am liebsten hätte er seinem impertinenten Bruder die Kehle durchgebissen.

Warum tritt er nicht vor uns?, beharrte der Nachtblaue. Was hat er zu verbergen?

Nichts! Es war das erste Mal, dass Nachtatem seine Stimme in ihren Gedanken erhob. Fast unsichtbar im Schatten seiner Felsnische, waren nur seine himmelblauen Augen deutlich zu sehen. Es ist doch offensichtlich, dass er befürchtete, dass wir ihn nicht mehr hätten ziehen lassen, wäre er vor uns getreten. Er ist der letzte lebende Meister der Blauen Halle. Der Letzte, der um viele der Geheimnisse weiß, die nun für immer verloren gegangen sind. Talawain wird uns nicht hintergehen. Allerdings könnte es sein, dass die Devanthar ihn ohne sein Wissen zu ihrem Boten gemacht haben, weil sie uns eine Falle stellen wollen. Mir erscheint es leichtfertig, dass sie sich außerhalb des Gelben Turms alle an einem Ort versammeln wollen.

Sie fühlen sich im Augenblick nicht bedroht, sagte der Smaragdfarbene und wirkte bedrückt.

Der Goldene spürte, dass sich sein Nestbruder, obwohl er diesen Angriff nicht wollte, verpflichtet fühlte, seine Gedanken mit ihnen allen zu teilen.